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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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widmete, der mit dem vorigen in genauem Zusammen-
hang steht. Aber es wird nun Zeit, daß wir dem
Leser selbst etwas zutrauen, daß wir ihm die Freude
gönnen, jene Verworrenheiten selbst zu entwickeln.
Wir übergeben ihm daher Newtons Text und die da-
selbst angeführte Figur. Er wird eine umständliche
Darstellung, eine Illustration, ein Scholion finden,
welche zusammen weiter nichts leisten, als daß sie den
neunten Versuch mit mehr Bedingungen und Umständ-
lichkeiten belasten, den Hauptpunct unfaßlicher machen,
keinesweges aber einen bessern Beweis gründen.

205.

Dasjenige worauf hierbey alles ankommt, haben
wir schon umständlich herausgesetzt (201), und wir
dürfen also hier dem Beobachter, dem Beurtheiler
nur kürzlich zur Pflicht machen, daran festzuhalten,
daß die beyden prismatischen Bilder, wovon das eine
nach der Spiegelung, das andere nach dem Durch-
gang durch das Mittel hervorgebracht wird, in keiner
Verbindung, in keinem Verhältniß zusammen stehen,
jedes vielmehr für sich betrachtet werden muß, jedes
für sich entspringt, jedes für sich aufgehoben wird; so
daß alle Beziehung unter einander, von welcher uns
Newton so gern überreden möchte, als ein leerer
Wahn, als ein beliebiges Mährchen anzusehen ist.


widmete, der mit dem vorigen in genauem Zuſammen-
hang ſteht. Aber es wird nun Zeit, daß wir dem
Leſer ſelbſt etwas zutrauen, daß wir ihm die Freude
goͤnnen, jene Verworrenheiten ſelbſt zu entwickeln.
Wir uͤbergeben ihm daher Newtons Text und die da-
ſelbſt angefuͤhrte Figur. Er wird eine umſtaͤndliche
Darſtellung, eine Illuſtration, ein Scholion finden,
welche zuſammen weiter nichts leiſten, als daß ſie den
neunten Verſuch mit mehr Bedingungen und Umſtaͤnd-
lichkeiten belaſten, den Hauptpunct unfaßlicher machen,
keinesweges aber einen beſſern Beweis gruͤnden.

205.

Dasjenige worauf hierbey alles ankommt, haben
wir ſchon umſtaͤndlich herausgeſetzt (201), und wir
duͤrfen alſo hier dem Beobachter, dem Beurtheiler
nur kuͤrzlich zur Pflicht machen, daran feſtzuhalten,
daß die beyden prismatiſchen Bilder, wovon das eine
nach der Spiegelung, das andere nach dem Durch-
gang durch das Mittel hervorgebracht wird, in keiner
Verbindung, in keinem Verhaͤltniß zuſammen ſtehen,
jedes vielmehr fuͤr ſich betrachtet werden muß, jedes
fuͤr ſich entſpringt, jedes fuͤr ſich aufgehoben wird; ſo
daß alle Beziehung unter einander, von welcher uns
Newton ſo gern uͤberreden moͤchte, als ein leerer
Wahn, als ein beliebiges Maͤhrchen anzuſehen iſt.


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[473/0527] widmete, der mit dem vorigen in genauem Zuſammen- hang ſteht. Aber es wird nun Zeit, daß wir dem Leſer ſelbſt etwas zutrauen, daß wir ihm die Freude goͤnnen, jene Verworrenheiten ſelbſt zu entwickeln. Wir uͤbergeben ihm daher Newtons Text und die da- ſelbſt angefuͤhrte Figur. Er wird eine umſtaͤndliche Darſtellung, eine Illuſtration, ein Scholion finden, welche zuſammen weiter nichts leiſten, als daß ſie den neunten Verſuch mit mehr Bedingungen und Umſtaͤnd- lichkeiten belaſten, den Hauptpunct unfaßlicher machen, keinesweges aber einen beſſern Beweis gruͤnden. 205. Dasjenige worauf hierbey alles ankommt, haben wir ſchon umſtaͤndlich herausgeſetzt (201), und wir duͤrfen alſo hier dem Beobachter, dem Beurtheiler nur kuͤrzlich zur Pflicht machen, daran feſtzuhalten, daß die beyden prismatiſchen Bilder, wovon das eine nach der Spiegelung, das andere nach dem Durch- gang durch das Mittel hervorgebracht wird, in keiner Verbindung, in keinem Verhaͤltniß zuſammen ſtehen, jedes vielmehr fuͤr ſich betrachtet werden muß, jedes fuͤr ſich entſpringt, jedes fuͤr ſich aufgehoben wird; ſo daß alle Beziehung unter einander, von welcher uns Newton ſo gern uͤberreden moͤchte, als ein leerer Wahn, als ein beliebiges Maͤhrchen anzuſehen iſt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/527>, abgerufen am 26.04.2024.