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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Vorklage, die wir so wie die Nachklagen an ihm schon
lange gewohnt sind. Er muß die dunkle Natur der
Farbe anerkennen, er weiß jedoch nicht wie er sich
recht dagegen benehmen soll, und bringt nun seine
vorigen unreinen Versuche, seine falschen Folgerungen
wieder zu Markte, wodurch die Ansicht immer trüber
und unerfreulicher wird.

565.

Denn die farbigen Pulver erscheinen dadurch gefärbt,
daß sie das Licht der Farbe die ihnen eigen ist, häufiger und
das Licht aller andern Farben spärlicher zurückwerfen; und
doch werfen sie das Licht ihrer eigenen Farben nicht so häufig
zurück als weiße Körper thun. Wenn Mennige z. B. und
weißes Papier in das rothe Licht des farbigen Spectrums in
der dunklen Kammer gelegt werden; so wird das Papier hel-
ler erscheinen als die rothe Mennige, und deswegen die ru-
brifiken Strahlen häufiger als die Mennige zurückwerfen.

566.

Die letzte Folgerung ist nach Newtonischer Weise
wieder übereilt. Denn das Weiße ist ein heller Grund,
der von dem rothen Halblicht erleuchtet, durch dieses
zurückwirkt und das prismatische Roth in voller Klar-
heit sehen läßt; die Mennige aber ist schon ein dunk-
ler Grund, von einer Farbe die dem prismatischen
Roth zwar ähnlich, aber nicht gleich specificirt ist.
Dieser wirkt nun, indem er von dem rothen prisma-
tischen Halblicht erleuchtet wird, durch dasselbe gleich-
falls zurück, aber auch schon als ein Halbdunkles.

Vorklage, die wir ſo wie die Nachklagen an ihm ſchon
lange gewohnt ſind. Er muß die dunkle Natur der
Farbe anerkennen, er weiß jedoch nicht wie er ſich
recht dagegen benehmen ſoll, und bringt nun ſeine
vorigen unreinen Verſuche, ſeine falſchen Folgerungen
wieder zu Markte, wodurch die Anſicht immer truͤber
und unerfreulicher wird.

565.

Denn die farbigen Pulver erſcheinen dadurch gefaͤrbt,
daß ſie das Licht der Farbe die ihnen eigen iſt, haͤufiger und
das Licht aller andern Farben ſpaͤrlicher zuruͤckwerfen; und
doch werfen ſie das Licht ihrer eigenen Farben nicht ſo haͤufig
zuruͤck als weiße Koͤrper thun. Wenn Mennige z. B. und
weißes Papier in das rothe Licht des farbigen Spectrums in
der dunklen Kammer gelegt werden; ſo wird das Papier hel-
ler erſcheinen als die rothe Mennige, und deswegen die ru-
brifiken Strahlen haͤufiger als die Mennige zuruͤckwerfen.

566.

Die letzte Folgerung iſt nach Newtoniſcher Weiſe
wieder uͤbereilt. Denn das Weiße iſt ein heller Grund,
der von dem rothen Halblicht erleuchtet, durch dieſes
zuruͤckwirkt und das prismatiſche Roth in voller Klar-
heit ſehen laͤßt; die Mennige aber iſt ſchon ein dunk-
ler Grund, von einer Farbe die dem prismatiſchen
Roth zwar aͤhnlich, aber nicht gleich ſpecificirt iſt.
Dieſer wirkt nun, indem er von dem rothen prisma-
tiſchen Halblicht erleuchtet wird, durch daſſelbe gleich-
falls zuruͤck, aber auch ſchon als ein Halbdunkles.

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[604/0658] Vorklage, die wir ſo wie die Nachklagen an ihm ſchon lange gewohnt ſind. Er muß die dunkle Natur der Farbe anerkennen, er weiß jedoch nicht wie er ſich recht dagegen benehmen ſoll, und bringt nun ſeine vorigen unreinen Verſuche, ſeine falſchen Folgerungen wieder zu Markte, wodurch die Anſicht immer truͤber und unerfreulicher wird. 565. Denn die farbigen Pulver erſcheinen dadurch gefaͤrbt, daß ſie das Licht der Farbe die ihnen eigen iſt, haͤufiger und das Licht aller andern Farben ſpaͤrlicher zuruͤckwerfen; und doch werfen ſie das Licht ihrer eigenen Farben nicht ſo haͤufig zuruͤck als weiße Koͤrper thun. Wenn Mennige z. B. und weißes Papier in das rothe Licht des farbigen Spectrums in der dunklen Kammer gelegt werden; ſo wird das Papier hel- ler erſcheinen als die rothe Mennige, und deswegen die ru- brifiken Strahlen haͤufiger als die Mennige zuruͤckwerfen. 566. Die letzte Folgerung iſt nach Newtoniſcher Weiſe wieder uͤbereilt. Denn das Weiße iſt ein heller Grund, der von dem rothen Halblicht erleuchtet, durch dieſes zuruͤckwirkt und das prismatiſche Roth in voller Klar- heit ſehen laͤßt; die Mennige aber iſt ſchon ein dunk- ler Grund, von einer Farbe die dem prismatiſchen Roth zwar aͤhnlich, aber nicht gleich ſpecificirt iſt. Dieſer wirkt nun, indem er von dem rothen prisma- tiſchen Halblicht erleuchtet wird, durch daſſelbe gleich- falls zuruͤck, aber auch ſchon als ein Halbdunkles.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/658>, abgerufen am 26.04.2024.