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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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570.

Hier springt ihm endlich auch dieser so lang zu-
rückgehaltene Ausdruck durch die Zähne; so muß er
immer wie Bileam segnen, wenn er fluchen will, und
alle seine Hartnäckigkeit hilft ihm nichts gegen den Dä-
mon der Wahrheit, der sich ihm und seinem Esel so
oft in den Weg stellt. Also aus Licht und Finsterniß!
mehr wollten wir nicht. Wir haben die Entstehung
der Farben aus Licht und Finsterniß abgeleitet, und
was jeder einzelnen, jeder besonders specificirten als
Hauptmerkmal, allen nebeneinander als gemeines Merk-
mal zukommt, wird auch der Mischung zukommen, in
welcher die Specificationen verschwinden. Wir neh-
men also recht gerne an, weil es uns dient, wenn er
fortfährt:

571.

oder aus Weiß und Schwarz, nämlich ein graues, brau-
nes, rothbraunes, dergleichen die Farbe der Menschennägel
ist; oder mäusefarben, aschfarben, etwa steinfarben oder wie
der Mörtel, Staub, oder Straßenkoth aussieht und dergleichen.
Und so ein dunkles Weiß habe ich oft hervorgebracht, wenn ich
farbige Pulver zusammenmischte.

572.

Woran denn freylich Riemand zweifeln wird, nur
wünschte ich, daß die sämmtlichen Newtonianer der-
gleichen Leibwäsche tragen müßten, damit man sie an
diesem Abzeichen von andern vernünftigen Leuten un-
terscheiden könnte.

570.

Hier ſpringt ihm endlich auch dieſer ſo lang zu-
ruͤckgehaltene Ausdruck durch die Zaͤhne; ſo muß er
immer wie Bileam ſegnen, wenn er fluchen will, und
alle ſeine Hartnaͤckigkeit hilft ihm nichts gegen den Daͤ-
mon der Wahrheit, der ſich ihm und ſeinem Eſel ſo
oft in den Weg ſtellt. Alſo aus Licht und Finſterniß!
mehr wollten wir nicht. Wir haben die Entſtehung
der Farben aus Licht und Finſterniß abgeleitet, und
was jeder einzelnen, jeder beſonders ſpecificirten als
Hauptmerkmal, allen nebeneinander als gemeines Merk-
mal zukommt, wird auch der Miſchung zukommen, in
welcher die Specificationen verſchwinden. Wir neh-
men alſo recht gerne an, weil es uns dient, wenn er
fortfaͤhrt:

571.

oder aus Weiß und Schwarz, naͤmlich ein graues, brau-
nes, rothbraunes, dergleichen die Farbe der Menſchennaͤgel
iſt; oder maͤuſefarben, aſchfarben, etwa ſteinfarben oder wie
der Moͤrtel, Staub, oder Straßenkoth ausſieht und dergleichen.
Und ſo ein dunkles Weiß habe ich oft hervorgebracht, wenn ich
farbige Pulver zuſammenmiſchte.

572.

Woran denn freylich Riemand zweifeln wird, nur
wuͤnſchte ich, daß die ſaͤmmtlichen Newtonianer der-
gleichen Leibwaͤſche tragen muͤßten, damit man ſie an
dieſem Abzeichen von andern vernuͤnftigen Leuten un-
terſcheiden koͤnnte.

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[606/0660] 570. Hier ſpringt ihm endlich auch dieſer ſo lang zu- ruͤckgehaltene Ausdruck durch die Zaͤhne; ſo muß er immer wie Bileam ſegnen, wenn er fluchen will, und alle ſeine Hartnaͤckigkeit hilft ihm nichts gegen den Daͤ- mon der Wahrheit, der ſich ihm und ſeinem Eſel ſo oft in den Weg ſtellt. Alſo aus Licht und Finſterniß! mehr wollten wir nicht. Wir haben die Entſtehung der Farben aus Licht und Finſterniß abgeleitet, und was jeder einzelnen, jeder beſonders ſpecificirten als Hauptmerkmal, allen nebeneinander als gemeines Merk- mal zukommt, wird auch der Miſchung zukommen, in welcher die Specificationen verſchwinden. Wir neh- men alſo recht gerne an, weil es uns dient, wenn er fortfaͤhrt: 571. oder aus Weiß und Schwarz, naͤmlich ein graues, brau- nes, rothbraunes, dergleichen die Farbe der Menſchennaͤgel iſt; oder maͤuſefarben, aſchfarben, etwa ſteinfarben oder wie der Moͤrtel, Staub, oder Straßenkoth ausſieht und dergleichen. Und ſo ein dunkles Weiß habe ich oft hervorgebracht, wenn ich farbige Pulver zuſammenmiſchte. 572. Woran denn freylich Riemand zweifeln wird, nur wuͤnſchte ich, daß die ſaͤmmtlichen Newtonianer der- gleichen Leibwaͤſche tragen muͤßten, damit man ſie an dieſem Abzeichen von andern vernuͤnftigen Leuten un- terſcheiden koͤnnte.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/660>, abgerufen am 27.04.2024.