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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Inhalts. Mehr ist uns von ihm nicht bekannt ge-
worden.

Seine obgemeldete Schrift zeigt ihn uns als ei-
nen durch Studien wohl gebildeten Mann. Kenntniß
der Sprachen, des Alterthums, der Kunstgeschichte
und recht treue Theilnahme an der Kunst selbst, ist
überall sichtbar. Ohne selbst Künstler zu seyn, scheint
er sich mit der Malerey, besonders aber mit dem Ma-
len, als ein guter Beobachter und Aufmerker beschäf-
tigt zu haben, indem er die Erfordernisse der Kunst
und Technik recht wohl einsieht und penetrirt.

Da er jedoch in allem dem, was von dem Ma-
ler verlangt wird und was er leistet, kein eigentliches
Fundament finden kann; so sucht er durch Verglei-
chung mit der Tonkunst eine theoretische Ansicht zu
begründen, und die malerischen und musicalischen
Phänomene, so wie die Behandlungsweise der beyden
Künste, mit einander zu parallelisiren.

Eine solche, von Aristoteles schon angeregte,
durch die Natur der Erscheinungen selbst begünstigte,
von mehreren versuchte Vergleichung kann uns eigent-
lich nur dadurch unterhalten, daß wir mit gewissen
schwankenden Aehnlichkeiten spielen, und indem wir das
Eine fallen lassen, das Andere ergreifen und immer
so fortfahren, uns geistreich hin und wieder schaukeln.

Auf dem empirischen Wege, wir wir schon früher

Inhalts. Mehr iſt uns von ihm nicht bekannt ge-
worden.

Seine obgemeldete Schrift zeigt ihn uns als ei-
nen durch Studien wohl gebildeten Mann. Kenntniß
der Sprachen, des Alterthums, der Kunſtgeſchichte
und recht treue Theilnahme an der Kunſt ſelbſt, iſt
uͤberall ſichtbar. Ohne ſelbſt Kuͤnſtler zu ſeyn, ſcheint
er ſich mit der Malerey, beſonders aber mit dem Ma-
len, als ein guter Beobachter und Aufmerker beſchaͤf-
tigt zu haben, indem er die Erforderniſſe der Kunſt
und Technik recht wohl einſieht und penetrirt.

Da er jedoch in allem dem, was von dem Ma-
ler verlangt wird und was er leiſtet, kein eigentliches
Fundament finden kann; ſo ſucht er durch Verglei-
chung mit der Tonkunſt eine theoretiſche Anſicht zu
begruͤnden, und die maleriſchen und muſicaliſchen
Phaͤnomene, ſo wie die Behandlungsweiſe der beyden
Kuͤnſte, mit einander zu paralleliſiren.

Eine ſolche, von Ariſtoteles ſchon angeregte,
durch die Natur der Erſcheinungen ſelbſt beguͤnſtigte,
von mehreren verſuchte Vergleichung kann uns eigent-
lich nur dadurch unterhalten, daß wir mit gewiſſen
ſchwankenden Aehnlichkeiten ſpielen, und indem wir das
Eine fallen laſſen, das Andere ergreifen und immer
ſo fortfahren, uns geiſtreich hin und wieder ſchaukeln.

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[640/0674] Inhalts. Mehr iſt uns von ihm nicht bekannt ge- worden. Seine obgemeldete Schrift zeigt ihn uns als ei- nen durch Studien wohl gebildeten Mann. Kenntniß der Sprachen, des Alterthums, der Kunſtgeſchichte und recht treue Theilnahme an der Kunſt ſelbſt, iſt uͤberall ſichtbar. Ohne ſelbſt Kuͤnſtler zu ſeyn, ſcheint er ſich mit der Malerey, beſonders aber mit dem Ma- len, als ein guter Beobachter und Aufmerker beſchaͤf- tigt zu haben, indem er die Erforderniſſe der Kunſt und Technik recht wohl einſieht und penetrirt. Da er jedoch in allem dem, was von dem Ma- ler verlangt wird und was er leiſtet, kein eigentliches Fundament finden kann; ſo ſucht er durch Verglei- chung mit der Tonkunſt eine theoretiſche Anſicht zu begruͤnden, und die maleriſchen und muſicaliſchen Phaͤnomene, ſo wie die Behandlungsweiſe der beyden Kuͤnſte, mit einander zu paralleliſiren. Eine ſolche, von Ariſtoteles ſchon angeregte, durch die Natur der Erſcheinungen ſelbſt beguͤnſtigte, von mehreren verſuchte Vergleichung kann uns eigent- lich nur dadurch unterhalten, daß wir mit gewiſſen ſchwankenden Aehnlichkeiten ſpielen, und indem wir das Eine fallen laſſen, das Andere ergreifen und immer ſo fortfahren, uns geiſtreich hin und wieder ſchaukeln. Auf dem empiriſchen Wege, wir wir ſchon fruͤher

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/674>, abgerufen am 26.04.2024.