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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Politische Stimmen aus Belgien.


II

Wenn wir in dem vorigen Artikel einen Belgier reden ließen, der mit
Eifer und Überzeugungskraft nachwies, daß kein moralisches Interesse Bel¬
gien an Frankreich knüpfe, so wollen wir heute einen nicht minder bedeu¬
tenden Mann über die Unverträglichkeit der materiellen Beziehungen beider
Länder reden lassen.

Man hat sich in Deutschland viel mit dem projektirten Zollvertrag
zwischen Belgien und Frankreich beschäftigt, aber die meisten Stimmen
die sich dagegen erhoben, kämpften nur mit bloßen Worten; die Beweise,
daß der Zollanschluß Belgien schädlich wäre, die Beweise durch Ziffer und
Zahlen fehlte. Hier führen wir nun einen Mann vor, der auf festem
Boden steht, und mit festen Gründen zu Felde zieht.

Der Verfasser der kürzlich erschienenen Schrift des rapports poli-
tiques et commerciaux de la Belgique et de 1a France, deren Ana¬
lyse hier unsern Lesern mitgetheilt werden soll, ist jener Herr L. Jottrand,
dessen sich diejenigen, welche die Ereignisse von 1830 kennen, wohl erinnern
werden. Wir wollen vorerst eine kurze Charakteristik dieses eigenthümlichen
politischen Charakters hier geben. Sein erstes öffentliches Auftreten bezeichnete
er durch die Lebensbeschreibung des abgedankten Königs der Niederlande bis
zu seinem Regierungsantritte. Obwohl von aller Schmeichelei sich fern hal¬
tend, wußte er die Privattugenden dieses Fürsten, der damals die Liberalen
noch an sich zu ketten verstand, in glänzendem Lichte hervorzuheben. Als
der König aber entschiedener auftrat, und es sich zeigte, daß der Sprößling
der alten Stadhouders nur der Liberalen zum Sturze der Katholiken sich
bedienen wollte, um dann der Erstern selbst um so leichter Meister werden
zu können, vereinigten sich bekanntlich beide Parteien in eine einzige com-
pacte Oppositionsreihe, um die Holandisirung und die Alleinherrscherei
der Regierung zu hintertreiben. Als Redakteur des Courier des Pays Bas

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Politische Stimmen aus Belgien.


II

Wenn wir in dem vorigen Artikel einen Belgier reden ließen, der mit
Eifer und Überzeugungskraft nachwies, daß kein moralisches Interesse Bel¬
gien an Frankreich knüpfe, so wollen wir heute einen nicht minder bedeu¬
tenden Mann über die Unverträglichkeit der materiellen Beziehungen beider
Länder reden lassen.

Man hat sich in Deutschland viel mit dem projektirten Zollvertrag
zwischen Belgien und Frankreich beschäftigt, aber die meisten Stimmen
die sich dagegen erhoben, kämpften nur mit bloßen Worten; die Beweise,
daß der Zollanschluß Belgien schädlich wäre, die Beweise durch Ziffer und
Zahlen fehlte. Hier führen wir nun einen Mann vor, der auf festem
Boden steht, und mit festen Gründen zu Felde zieht.

Der Verfasser der kürzlich erschienenen Schrift des rapports poli-
tiques et commerciaux de la Belgique et de 1a France, deren Ana¬
lyse hier unsern Lesern mitgetheilt werden soll, ist jener Herr L. Jottrand,
dessen sich diejenigen, welche die Ereignisse von 1830 kennen, wohl erinnern
werden. Wir wollen vorerst eine kurze Charakteristik dieses eigenthümlichen
politischen Charakters hier geben. Sein erstes öffentliches Auftreten bezeichnete
er durch die Lebensbeschreibung des abgedankten Königs der Niederlande bis
zu seinem Regierungsantritte. Obwohl von aller Schmeichelei sich fern hal¬
tend, wußte er die Privattugenden dieses Fürsten, der damals die Liberalen
noch an sich zu ketten verstand, in glänzendem Lichte hervorzuheben. Als
der König aber entschiedener auftrat, und es sich zeigte, daß der Sprößling
der alten Stadhouders nur der Liberalen zum Sturze der Katholiken sich
bedienen wollte, um dann der Erstern selbst um so leichter Meister werden
zu können, vereinigten sich bekanntlich beide Parteien in eine einzige com-
pacte Oppositionsreihe, um die Holandisirung und die Alleinherrscherei
der Regierung zu hintertreiben. Als Redakteur des Courier des Pays Bas

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[253/0261] Politische Stimmen aus Belgien. II Wenn wir in dem vorigen Artikel einen Belgier reden ließen, der mit Eifer und Überzeugungskraft nachwies, daß kein moralisches Interesse Bel¬ gien an Frankreich knüpfe, so wollen wir heute einen nicht minder bedeu¬ tenden Mann über die Unverträglichkeit der materiellen Beziehungen beider Länder reden lassen. Man hat sich in Deutschland viel mit dem projektirten Zollvertrag zwischen Belgien und Frankreich beschäftigt, aber die meisten Stimmen die sich dagegen erhoben, kämpften nur mit bloßen Worten; die Beweise, daß der Zollanschluß Belgien schädlich wäre, die Beweise durch Ziffer und Zahlen fehlte. Hier führen wir nun einen Mann vor, der auf festem Boden steht, und mit festen Gründen zu Felde zieht. Der Verfasser der kürzlich erschienenen Schrift des rapports poli- tiques et commerciaux de la Belgique et de 1a France, deren Ana¬ lyse hier unsern Lesern mitgetheilt werden soll, ist jener Herr L. Jottrand, dessen sich diejenigen, welche die Ereignisse von 1830 kennen, wohl erinnern werden. Wir wollen vorerst eine kurze Charakteristik dieses eigenthümlichen politischen Charakters hier geben. Sein erstes öffentliches Auftreten bezeichnete er durch die Lebensbeschreibung des abgedankten Königs der Niederlande bis zu seinem Regierungsantritte. Obwohl von aller Schmeichelei sich fern hal¬ tend, wußte er die Privattugenden dieses Fürsten, der damals die Liberalen noch an sich zu ketten verstand, in glänzendem Lichte hervorzuheben. Als der König aber entschiedener auftrat, und es sich zeigte, daß der Sprößling der alten Stadhouders nur der Liberalen zum Sturze der Katholiken sich bedienen wollte, um dann der Erstern selbst um so leichter Meister werden zu können, vereinigten sich bekanntlich beide Parteien in eine einzige com- pacte Oppositionsreihe, um die Holandisirung und die Alleinherrscherei der Regierung zu hintertreiben. Als Redakteur des Courier des Pays Bas 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/261>, abgerufen am 26.04.2024.