Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.T a g e b u es. i. Was sagen Sie dazu, lieber Kurcmda, daß ich nach so langem Stillschwei¬ Aber was soll ich Ihnen nun von Ostende sagen? Sie kennen es ja besser, T a g e b u es. i. Was sagen Sie dazu, lieber Kurcmda, daß ich nach so langem Stillschwei¬ Aber was soll ich Ihnen nun von Ostende sagen? Sie kennen es ja besser, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266820"/> </div> <div n="1"> <head> T a g e b u es.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> i. </head><lb/> <p xml:id="ID_528"> Was sagen Sie dazu, lieber Kurcmda, daß ich nach so langem Stillschwei¬<lb/> gen jetzt auf einmal aus Ostende an Sie schreibe, mithin an Ihnen vorübergc-<lb/> reist bin? Allein, wissen Sie, ich wollte gern als ganz genehmer Mensch nach<lb/> Brüssel und zu Ihnen kommen. Ist es nicht höchst unanständig, daß man ei¬<lb/> nen Unterleib haben muß? Vom Oberleibe will ich nichts sagen, der ist schon<lb/> nobler. Wie fatal aber, daß ein menschlicher Königswille ein eine solche Na-<lb/> deas-corpus-^ete gebunden ist, an ein solches Unter- und Oberhaus! Mein<lb/> Oberhaus hat es immer rechtschaffen mit mir gehalten, wie es Oberhäusern<lb/> und ersten Kammern so wohl ansteht. Die Luft der deutschen Berge und die<lb/> Freiheit des deutschen Bundes athmet meine Brust breit und ohne Hüsteln.<lb/> Aber das fatale Unterhaus! Stolz auf sein eigenes Nervengeflecht, dem die<lb/> Aerzte vollends den hochmüthigen Namen des Sonncngcflechts beilegen, hat<lb/> es sich mehr und mehr unabhängig machen wollen. Ich habe das Meer zu<lb/> Hülfe rufen müssen, denn ich bin einer der Könige, die sich nicht selbst zu<lb/> helfen wissen. Und siehe, das deutsche Meer hat sich nicht für incompetent er¬<lb/> klärt, sondern mit den hundert Schauergeißeln seiner Flutwellen hat es den<lb/> eigenwilligen Unterleib gepeitscht und die Pulse schlagen wieder geregelter.</p><lb/> <p xml:id="ID_529"> Aber was soll ich Ihnen nun von Ostende sagen? Sie kennen es ja besser,<lb/> als ich. In 4 Stunden ist man von Brüssel hier und wie oft mögen Sie<lb/> schon hier gewesen sein! — Ich wandle gern am feuchten Strande zwischen<lb/> den anstürmenden Fluten und den Menschen, die hoch oben auf dem schöne«</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0203]
T a g e b u es.
i.
Was sagen Sie dazu, lieber Kurcmda, daß ich nach so langem Stillschwei¬
gen jetzt auf einmal aus Ostende an Sie schreibe, mithin an Ihnen vorübergc-
reist bin? Allein, wissen Sie, ich wollte gern als ganz genehmer Mensch nach
Brüssel und zu Ihnen kommen. Ist es nicht höchst unanständig, daß man ei¬
nen Unterleib haben muß? Vom Oberleibe will ich nichts sagen, der ist schon
nobler. Wie fatal aber, daß ein menschlicher Königswille ein eine solche Na-
deas-corpus-^ete gebunden ist, an ein solches Unter- und Oberhaus! Mein
Oberhaus hat es immer rechtschaffen mit mir gehalten, wie es Oberhäusern
und ersten Kammern so wohl ansteht. Die Luft der deutschen Berge und die
Freiheit des deutschen Bundes athmet meine Brust breit und ohne Hüsteln.
Aber das fatale Unterhaus! Stolz auf sein eigenes Nervengeflecht, dem die
Aerzte vollends den hochmüthigen Namen des Sonncngcflechts beilegen, hat
es sich mehr und mehr unabhängig machen wollen. Ich habe das Meer zu
Hülfe rufen müssen, denn ich bin einer der Könige, die sich nicht selbst zu
helfen wissen. Und siehe, das deutsche Meer hat sich nicht für incompetent er¬
klärt, sondern mit den hundert Schauergeißeln seiner Flutwellen hat es den
eigenwilligen Unterleib gepeitscht und die Pulse schlagen wieder geregelter.
Aber was soll ich Ihnen nun von Ostende sagen? Sie kennen es ja besser,
als ich. In 4 Stunden ist man von Brüssel hier und wie oft mögen Sie
schon hier gewesen sein! — Ich wandle gern am feuchten Strande zwischen
den anstürmenden Fluten und den Menschen, die hoch oben auf dem schöne«
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