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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Abend die Angriffe gegen die holländischen Truppen im Jahre 1830 geordnet.
Hier versammeln sich noch in diesem Augenblicke die Wahlcomitös in geschlos¬
senen und offenen Gesellschaften. Diese EstaminetS sind so zahlreich und von
solcher politischen Bedeutung, daß um das Rathhaus herum mehr als vierzig der¬
selben gezählt werden, von denen einige wie z. B. das Raison <Zvs Ur-isseur"
über 500 Menschen an jedem Abend in dem Saale zu ebener Erde vereini¬
gen, während anderswo, wie z. B. im obern Stock des erwähnten Estaminets,
ein abgeschlossener Saal sich befindet, in welchem ein Theil der Liberalen seine
Versammlungen hält. Hier hält der Volksgeist offene Tafel und den Regie¬
renden wird es leicht, seinen Willen und seine Neigungen kennen zu lernen.
K. Ich komme ausführlicher hierauf zurück.




Aus Leipzig.

Alte Weiber. -- Der Sohn der Wildnis-. -- Gichkow'S Werner. -- Italienische Oper/
Hinrichtungen. -- Eisenbahnen.

Bekanntlich war das Jahr 1842 längst von Kalendermachern und alten
Weibern als ein unglückliches und erei'gmßvolles angemeldet worden. Die teil¬
weise wunderbare Erfüllung dieser Weissagungen könnte Einen wirklich bekeh¬
ren; und es ist daher kein Wunder, wenn viele Staatsmänner im Norden und
Süden alte Weiber werden und ihre Bekehrung zu allerhand altem Glauben und
Aberglauben durch politische und religiöse Anachronismen bethätigen wollen, die
sie "organisch-historisch-christlich-germanisch-indischen" Fortschritt nennen
Merkwürdiger Weise bestehen die Projecte dieser historisch-organischen Partei
aus lauter unorganischen, gemachtem Zeug, das sich nicht halten kann; und es
offenbart sich immer mehr, daß eben das, wozu die Zeit drängt, das natürlich
Werdende und Historische ist. Dinge, die sich von selbst verstehen; aber das
Einfachste und Vernünftigste wollen gewisse Köpfe nie anerkennen, weil eS zu
verständlich und dem Volksverstand zugänglich ist. Die Zumuthungen. dieser
Leute kommen mir vor, als wollte mir Jemand einreden, ich habe kein histo¬
risches Recht, schon jetzt aus die Welt gekommen zu sein, indem zwischen mei-



*) Wir wissen sell'se den natürlichen, historischen Fortschritt sehr wohl von dem
forcirten und illusorische" z" und-rschciden, "ver man treibt gar z" großen Mißbrauch
Am". ". E. mit den Worte".

Abend die Angriffe gegen die holländischen Truppen im Jahre 1830 geordnet.
Hier versammeln sich noch in diesem Augenblicke die Wahlcomitös in geschlos¬
senen und offenen Gesellschaften. Diese EstaminetS sind so zahlreich und von
solcher politischen Bedeutung, daß um das Rathhaus herum mehr als vierzig der¬
selben gezählt werden, von denen einige wie z. B. das Raison <Zvs Ur-isseur«
über 500 Menschen an jedem Abend in dem Saale zu ebener Erde vereini¬
gen, während anderswo, wie z. B. im obern Stock des erwähnten Estaminets,
ein abgeschlossener Saal sich befindet, in welchem ein Theil der Liberalen seine
Versammlungen hält. Hier hält der Volksgeist offene Tafel und den Regie¬
renden wird es leicht, seinen Willen und seine Neigungen kennen zu lernen.
K. Ich komme ausführlicher hierauf zurück.




Aus Leipzig.

Alte Weiber. — Der Sohn der Wildnis-. — Gichkow'S Werner. — Italienische Oper/
Hinrichtungen. — Eisenbahnen.

Bekanntlich war das Jahr 1842 längst von Kalendermachern und alten
Weibern als ein unglückliches und erei'gmßvolles angemeldet worden. Die teil¬
weise wunderbare Erfüllung dieser Weissagungen könnte Einen wirklich bekeh¬
ren; und es ist daher kein Wunder, wenn viele Staatsmänner im Norden und
Süden alte Weiber werden und ihre Bekehrung zu allerhand altem Glauben und
Aberglauben durch politische und religiöse Anachronismen bethätigen wollen, die
sie „organisch-historisch-christlich-germanisch-indischen" Fortschritt nennen
Merkwürdiger Weise bestehen die Projecte dieser historisch-organischen Partei
aus lauter unorganischen, gemachtem Zeug, das sich nicht halten kann; und es
offenbart sich immer mehr, daß eben das, wozu die Zeit drängt, das natürlich
Werdende und Historische ist. Dinge, die sich von selbst verstehen; aber das
Einfachste und Vernünftigste wollen gewisse Köpfe nie anerkennen, weil eS zu
verständlich und dem Volksverstand zugänglich ist. Die Zumuthungen. dieser
Leute kommen mir vor, als wollte mir Jemand einreden, ich habe kein histo¬
risches Recht, schon jetzt aus die Welt gekommen zu sein, indem zwischen mei-



*) Wir wissen sell'se den natürlichen, historischen Fortschritt sehr wohl von dem
forcirten und illusorische» z» und-rschciden, «ver man treibt gar z» großen Mißbrauch
Am». ». E. mit den Worte».
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[0245] Abend die Angriffe gegen die holländischen Truppen im Jahre 1830 geordnet. Hier versammeln sich noch in diesem Augenblicke die Wahlcomitös in geschlos¬ senen und offenen Gesellschaften. Diese EstaminetS sind so zahlreich und von solcher politischen Bedeutung, daß um das Rathhaus herum mehr als vierzig der¬ selben gezählt werden, von denen einige wie z. B. das Raison <Zvs Ur-isseur« über 500 Menschen an jedem Abend in dem Saale zu ebener Erde vereini¬ gen, während anderswo, wie z. B. im obern Stock des erwähnten Estaminets, ein abgeschlossener Saal sich befindet, in welchem ein Theil der Liberalen seine Versammlungen hält. Hier hält der Volksgeist offene Tafel und den Regie¬ renden wird es leicht, seinen Willen und seine Neigungen kennen zu lernen. K. Ich komme ausführlicher hierauf zurück. Aus Leipzig. Alte Weiber. — Der Sohn der Wildnis-. — Gichkow'S Werner. — Italienische Oper/ Hinrichtungen. — Eisenbahnen. Bekanntlich war das Jahr 1842 längst von Kalendermachern und alten Weibern als ein unglückliches und erei'gmßvolles angemeldet worden. Die teil¬ weise wunderbare Erfüllung dieser Weissagungen könnte Einen wirklich bekeh¬ ren; und es ist daher kein Wunder, wenn viele Staatsmänner im Norden und Süden alte Weiber werden und ihre Bekehrung zu allerhand altem Glauben und Aberglauben durch politische und religiöse Anachronismen bethätigen wollen, die sie „organisch-historisch-christlich-germanisch-indischen" Fortschritt nennen Merkwürdiger Weise bestehen die Projecte dieser historisch-organischen Partei aus lauter unorganischen, gemachtem Zeug, das sich nicht halten kann; und es offenbart sich immer mehr, daß eben das, wozu die Zeit drängt, das natürlich Werdende und Historische ist. Dinge, die sich von selbst verstehen; aber das Einfachste und Vernünftigste wollen gewisse Köpfe nie anerkennen, weil eS zu verständlich und dem Volksverstand zugänglich ist. Die Zumuthungen. dieser Leute kommen mir vor, als wollte mir Jemand einreden, ich habe kein histo¬ risches Recht, schon jetzt aus die Welt gekommen zu sein, indem zwischen mei- *) Wir wissen sell'se den natürlichen, historischen Fortschritt sehr wohl von dem forcirten und illusorische» z» und-rschciden, «ver man treibt gar z» großen Mißbrauch Am». ». E. mit den Worte».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/245>, abgerufen am 04.05.2024.