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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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tragen die zwei neuen Stiftungen dazu bei, daß wir mit Recht für
unsere Stadt um die Aufnahme in die gelehrte Welt Deutschlands
bitten dürfen und daß wir gesichert sind, unsere Steiermark nicht so
leicht wieder in den Völkcrgraus der Barbarei zurücksinken zu sehen,
da sie an der Grenze derselben ausgesetzt ist.


II.
Aus Berlin.

Das Cartel und seine günstigeren Bedingungen. -- Die russischen Grenzver¬
letzungen. -- Das Eyescncidungsgcsetz. -- Friedrich Rohmer und die Preußische
Allgemeine. -- Leopold Schefer. -- Bmary. -- Louis Drucker.

Allerdings ist der Cartelvertrag zwischen Preußen und Rußland
wieder abgeschlossen, allerdings ist dadurch die Verbindlichkeit erneuert,
die russischen Missethäter und Deserteurs, die sich auf preußisches
Gebiet geflüchtet, der ihrer wartenden strengen Bestrafung auszuliefern;
aber ein so arger Rückschritt ist dieser Vertrag doch nicht, wie die
letzte Nummer der "Grenzboten" ihn nennt. Er ist vielmehr als
ein Fortschritt zu bezeichnen, wenn man ihn mit dem ehemaligen Ver¬
trag und mit dem früheren Stand der Dinge vergleicht; denn
I) ist vorgesehen, daß keine Flüchtlinge, die wegen politischer Ansich¬
ten und Vergehungen in Nußland verfolgt werden, oder die irgend
eine Sünde gegen die horrende russische Steuer- und Zollgesetzgebung
begangen haben, von Preußen ausgeliefert werden; 2) soll jede Aus¬
lieferung erst geschehen, nachdem ein preußisches Obergericht entschie¬
den, daß das Verbrechen der Auszuliefernden auch in Preußen mit
einer Criminalstrafe verbunden sein würde, und 3) endlich dürfen nicht
mehr, wie früher, Preise auf die Einsaugung von Deserteurs ausgesetzt
werden, was leider oft dazu beitrug, die diesseitigen Bauern und
andern Grenzbewohner zu wahren Menschenjägern zu machen. Ja,
es ist sogar festgestellt, daß, wenn es einem solchen armen Teufel von
Deserteur gelungen ist, sich zwei Jahre im Lande aufzuhalten, dann
diesseits keine Verbindlichkeit mehr vorhanden ist, ihn auszuliefern.
Hoffen wir, daß das Mitleid und die Menschlichkeit oft genug Mit¬
tel finden werden, dieses Gastrecht eintreten zu lassen, denn das Loos
eines russischen Rekruten, besonders wenn er ein geborner Pole, ist
wahrlich sehr bemitleidenswerth. Nicht zu übersehen ist übrigens
auch, daß der neue Vertrag geeigneter, als die bisher bestandenen
Verhältnisse ist, die wackeren Ostpreußen dagegen zu schützen, daß ihr
Gebiet von Kosaken und Baschkiren verletzt werde. Bisher ging es
nämlich am Niemen ungefähr eben so her, wie an der Tafua, gleich
den Marokkanern überschritten die russischen Kabylen oft genug das
Grenzgebiet, bald um einem Ueberläufer, und bald auch, um preußi¬
schen Unterthanen, die vielleicht ihre Passe nicht überall vorgezeigt,


tragen die zwei neuen Stiftungen dazu bei, daß wir mit Recht für
unsere Stadt um die Aufnahme in die gelehrte Welt Deutschlands
bitten dürfen und daß wir gesichert sind, unsere Steiermark nicht so
leicht wieder in den Völkcrgraus der Barbarei zurücksinken zu sehen,
da sie an der Grenze derselben ausgesetzt ist.


II.
Aus Berlin.

Das Cartel und seine günstigeren Bedingungen. — Die russischen Grenzver¬
letzungen. — Das Eyescncidungsgcsetz. — Friedrich Rohmer und die Preußische
Allgemeine. — Leopold Schefer. — Bmary. — Louis Drucker.

Allerdings ist der Cartelvertrag zwischen Preußen und Rußland
wieder abgeschlossen, allerdings ist dadurch die Verbindlichkeit erneuert,
die russischen Missethäter und Deserteurs, die sich auf preußisches
Gebiet geflüchtet, der ihrer wartenden strengen Bestrafung auszuliefern;
aber ein so arger Rückschritt ist dieser Vertrag doch nicht, wie die
letzte Nummer der „Grenzboten" ihn nennt. Er ist vielmehr als
ein Fortschritt zu bezeichnen, wenn man ihn mit dem ehemaligen Ver¬
trag und mit dem früheren Stand der Dinge vergleicht; denn
I) ist vorgesehen, daß keine Flüchtlinge, die wegen politischer Ansich¬
ten und Vergehungen in Nußland verfolgt werden, oder die irgend
eine Sünde gegen die horrende russische Steuer- und Zollgesetzgebung
begangen haben, von Preußen ausgeliefert werden; 2) soll jede Aus¬
lieferung erst geschehen, nachdem ein preußisches Obergericht entschie¬
den, daß das Verbrechen der Auszuliefernden auch in Preußen mit
einer Criminalstrafe verbunden sein würde, und 3) endlich dürfen nicht
mehr, wie früher, Preise auf die Einsaugung von Deserteurs ausgesetzt
werden, was leider oft dazu beitrug, die diesseitigen Bauern und
andern Grenzbewohner zu wahren Menschenjägern zu machen. Ja,
es ist sogar festgestellt, daß, wenn es einem solchen armen Teufel von
Deserteur gelungen ist, sich zwei Jahre im Lande aufzuhalten, dann
diesseits keine Verbindlichkeit mehr vorhanden ist, ihn auszuliefern.
Hoffen wir, daß das Mitleid und die Menschlichkeit oft genug Mit¬
tel finden werden, dieses Gastrecht eintreten zu lassen, denn das Loos
eines russischen Rekruten, besonders wenn er ein geborner Pole, ist
wahrlich sehr bemitleidenswerth. Nicht zu übersehen ist übrigens
auch, daß der neue Vertrag geeigneter, als die bisher bestandenen
Verhältnisse ist, die wackeren Ostpreußen dagegen zu schützen, daß ihr
Gebiet von Kosaken und Baschkiren verletzt werde. Bisher ging es
nämlich am Niemen ungefähr eben so her, wie an der Tafua, gleich
den Marokkanern überschritten die russischen Kabylen oft genug das
Grenzgebiet, bald um einem Ueberläufer, und bald auch, um preußi¬
schen Unterthanen, die vielleicht ihre Passe nicht überall vorgezeigt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/190>, abgerufen am 07.05.2024.