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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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einfache Handbücher, als vorübergehende Erscheinungen gelten; auch
von Dr. und Professor Puff haben wir eine solche in seinem reich¬
haltigen Itineraiio stiri-lco zu erwarten. Der höchst lächerliche Streit
über die Schreibweise von Grätz hat zwar aufgehört (nur ist zum
Schrecken aller Abonnenten noch eine Abhandlung im nächst zu er¬
wartenden Hefte unserer Zeitschrift angekündigt) und kein vernünfti¬
ger Mensch spricht mehr darüber, aber gespannt stehen sich die Wort¬
führer der Parteien noch gegenüber und wären auch allenfalls bereit,
einen dreißigjährigen Krieg zu eröffnen (man rieth ihnen schon, sich
darüber zu schlagen), doch sind sie klug genug, um zu schweigen; al¬
lein dieser Streit weckte andererseits die Vertheidiger der slavischen
etymologischen Interessen, und Krempl's slavische Geschichte der Steyer-
mark dürfte neue Verhandlungen herbeiführen. Der Centralpunkt un¬
serer gelehrten Welt bleibt das Johanneum und zwar in jeder
Hinsicht als Lcsekabinet, als Leseanstalt, als Museum, als Bibliothek
u. s. w. und die Zahl der Studirenden sowohl als Besucher mehrt
sich jährlich, wie sich auch die Anstalt selbst im Geiste der Zeit hebt,
während die k. k. Universität in steif-legalem unabänderlichem Stande
bleibt; hier beschränkt sich die Zahl der Studirenden auf die Dienst¬
suchenden, und diesen wird ihr Wissen gesetzlich vorgemessen, während
die Vorlesungen am Johannes (über Naturwissenschaften, Mathema¬
tik, Landwirthschaft u. f. w.) frei in Bezug auf Gegenstand und
Zuhörer sind.

Trotz dieses herrlichen Instituts war noch eine Anstalt für die
untere Klasse, eine Vorbereitungsschule für's gemeine Le¬
ben nothwendig, und die Schöpfung derselben verdankt das Land den
Bemühungen der Repräsentanten des Bürgerstandes am diesfälligen
Landtage; so entstand die Realschule, wofür die Stände bereits ein
großartiges Local neu und zweckmäßig erbauten und die Concurse für
die Lehrfächer (Religion, deutschen Styl, Naturgeschichte und Geo¬
graphie, Zeichnungslehre, Mathematik und Kalligraphie) bereits aus¬
geschrieben sind, wozu sich bei den hohen Besoldungen von 800 si.
C.M. viele Competcnten melden dürften. Manche Fächer wären noch
sehr erwünscht gewesen, worüber wir also noch immer nach Wien ge¬
wiesen werden, was zu beseitigen der erste Zweck des Ganzen war --
doch haben die hohen Stände, von je für Bildung väterlich sorgend,
wie es besonders in der neusten Zeit so viele Prämien- und Stipen¬
dienstiftungen, der Ankauf des landwirthschafrlichcn Musterhofes, Grün¬
dung der montanistischen Lehranstalt in Vordernberg, Unterhalt meh¬
rerer Sprachmeister, Gründung der Bildergalerie und Zeichnungsaka¬
demie, solide Besetzung des Theaters und thätige Theilnahme an allen
edlen Privatvereinen oder wohlthätigen Anstalten u. f. w. beweisen --
vor der Hand für eine Grundlage gesorgt, auf die sich in der Zeit
schon ein zweites und drittes Stockwerk anbringen läßt. Jedenfalls


einfache Handbücher, als vorübergehende Erscheinungen gelten; auch
von Dr. und Professor Puff haben wir eine solche in seinem reich¬
haltigen Itineraiio stiri-lco zu erwarten. Der höchst lächerliche Streit
über die Schreibweise von Grätz hat zwar aufgehört (nur ist zum
Schrecken aller Abonnenten noch eine Abhandlung im nächst zu er¬
wartenden Hefte unserer Zeitschrift angekündigt) und kein vernünfti¬
ger Mensch spricht mehr darüber, aber gespannt stehen sich die Wort¬
führer der Parteien noch gegenüber und wären auch allenfalls bereit,
einen dreißigjährigen Krieg zu eröffnen (man rieth ihnen schon, sich
darüber zu schlagen), doch sind sie klug genug, um zu schweigen; al¬
lein dieser Streit weckte andererseits die Vertheidiger der slavischen
etymologischen Interessen, und Krempl's slavische Geschichte der Steyer-
mark dürfte neue Verhandlungen herbeiführen. Der Centralpunkt un¬
serer gelehrten Welt bleibt das Johanneum und zwar in jeder
Hinsicht als Lcsekabinet, als Leseanstalt, als Museum, als Bibliothek
u. s. w. und die Zahl der Studirenden sowohl als Besucher mehrt
sich jährlich, wie sich auch die Anstalt selbst im Geiste der Zeit hebt,
während die k. k. Universität in steif-legalem unabänderlichem Stande
bleibt; hier beschränkt sich die Zahl der Studirenden auf die Dienst¬
suchenden, und diesen wird ihr Wissen gesetzlich vorgemessen, während
die Vorlesungen am Johannes (über Naturwissenschaften, Mathema¬
tik, Landwirthschaft u. f. w.) frei in Bezug auf Gegenstand und
Zuhörer sind.

Trotz dieses herrlichen Instituts war noch eine Anstalt für die
untere Klasse, eine Vorbereitungsschule für's gemeine Le¬
ben nothwendig, und die Schöpfung derselben verdankt das Land den
Bemühungen der Repräsentanten des Bürgerstandes am diesfälligen
Landtage; so entstand die Realschule, wofür die Stände bereits ein
großartiges Local neu und zweckmäßig erbauten und die Concurse für
die Lehrfächer (Religion, deutschen Styl, Naturgeschichte und Geo¬
graphie, Zeichnungslehre, Mathematik und Kalligraphie) bereits aus¬
geschrieben sind, wozu sich bei den hohen Besoldungen von 800 si.
C.M. viele Competcnten melden dürften. Manche Fächer wären noch
sehr erwünscht gewesen, worüber wir also noch immer nach Wien ge¬
wiesen werden, was zu beseitigen der erste Zweck des Ganzen war —
doch haben die hohen Stände, von je für Bildung väterlich sorgend,
wie es besonders in der neusten Zeit so viele Prämien- und Stipen¬
dienstiftungen, der Ankauf des landwirthschafrlichcn Musterhofes, Grün¬
dung der montanistischen Lehranstalt in Vordernberg, Unterhalt meh¬
rerer Sprachmeister, Gründung der Bildergalerie und Zeichnungsaka¬
demie, solide Besetzung des Theaters und thätige Theilnahme an allen
edlen Privatvereinen oder wohlthätigen Anstalten u. f. w. beweisen —
vor der Hand für eine Grundlage gesorgt, auf die sich in der Zeit
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[0189] einfache Handbücher, als vorübergehende Erscheinungen gelten; auch von Dr. und Professor Puff haben wir eine solche in seinem reich¬ haltigen Itineraiio stiri-lco zu erwarten. Der höchst lächerliche Streit über die Schreibweise von Grätz hat zwar aufgehört (nur ist zum Schrecken aller Abonnenten noch eine Abhandlung im nächst zu er¬ wartenden Hefte unserer Zeitschrift angekündigt) und kein vernünfti¬ ger Mensch spricht mehr darüber, aber gespannt stehen sich die Wort¬ führer der Parteien noch gegenüber und wären auch allenfalls bereit, einen dreißigjährigen Krieg zu eröffnen (man rieth ihnen schon, sich darüber zu schlagen), doch sind sie klug genug, um zu schweigen; al¬ lein dieser Streit weckte andererseits die Vertheidiger der slavischen etymologischen Interessen, und Krempl's slavische Geschichte der Steyer- mark dürfte neue Verhandlungen herbeiführen. Der Centralpunkt un¬ serer gelehrten Welt bleibt das Johanneum und zwar in jeder Hinsicht als Lcsekabinet, als Leseanstalt, als Museum, als Bibliothek u. s. w. und die Zahl der Studirenden sowohl als Besucher mehrt sich jährlich, wie sich auch die Anstalt selbst im Geiste der Zeit hebt, während die k. k. Universität in steif-legalem unabänderlichem Stande bleibt; hier beschränkt sich die Zahl der Studirenden auf die Dienst¬ suchenden, und diesen wird ihr Wissen gesetzlich vorgemessen, während die Vorlesungen am Johannes (über Naturwissenschaften, Mathema¬ tik, Landwirthschaft u. f. w.) frei in Bezug auf Gegenstand und Zuhörer sind. Trotz dieses herrlichen Instituts war noch eine Anstalt für die untere Klasse, eine Vorbereitungsschule für's gemeine Le¬ ben nothwendig, und die Schöpfung derselben verdankt das Land den Bemühungen der Repräsentanten des Bürgerstandes am diesfälligen Landtage; so entstand die Realschule, wofür die Stände bereits ein großartiges Local neu und zweckmäßig erbauten und die Concurse für die Lehrfächer (Religion, deutschen Styl, Naturgeschichte und Geo¬ graphie, Zeichnungslehre, Mathematik und Kalligraphie) bereits aus¬ geschrieben sind, wozu sich bei den hohen Besoldungen von 800 si. C.M. viele Competcnten melden dürften. Manche Fächer wären noch sehr erwünscht gewesen, worüber wir also noch immer nach Wien ge¬ wiesen werden, was zu beseitigen der erste Zweck des Ganzen war — doch haben die hohen Stände, von je für Bildung väterlich sorgend, wie es besonders in der neusten Zeit so viele Prämien- und Stipen¬ dienstiftungen, der Ankauf des landwirthschafrlichcn Musterhofes, Grün¬ dung der montanistischen Lehranstalt in Vordernberg, Unterhalt meh¬ rerer Sprachmeister, Gründung der Bildergalerie und Zeichnungsaka¬ demie, solide Besetzung des Theaters und thätige Theilnahme an allen edlen Privatvereinen oder wohlthätigen Anstalten u. f. w. beweisen — vor der Hand für eine Grundlage gesorgt, auf die sich in der Zeit schon ein zweites und drittes Stockwerk anbringen läßt. Jedenfalls

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/189>, abgerufen am 28.05.2024.