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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Das Duell auf den deutschen Universitäten.



Das Duell hat eine so vielfache Besprechung erfahren, daß es
schon eine eigene Literatur auszuweisen im Stande ist. Jeder un¬
glückliche Ausgang eines Duells hat Broschüren und Aufsätze her¬
vorgerufen, die, von den verschiedensten Seiten und Standpunkten
ausgehend, doch alle darin übereinkommen, es als einen Ueberrest der
Barbarei früherer Jahrhunderte zu verdammen. Das Christenthum,
wie die Philosophie haben dagegen geeifert, alle möglichen Rücksich¬
ten sind geltend gemacht worden, es als eine Anomalie im heutigen
Leben hinzustellen: -- und dennoch spottet bis heute eben diese Ano¬
malie der christlichen Dogmen, der philosophischen Lehrsätze und aller
der Rücksichten, die es verpönen. Die neuere Zeit freilich hat auf
den Universitäten selber Vereine entstehen sehen, welche es für abge¬
schafft erklärten; es ist von Studenten selber viel dagegen geredet
worden, es sind die Gründe, die für seine Beibehaltung sprechen, auf's
Gleißendste und, sollte man meinen, mit einer schneidenden Dialektik
widerlegt worden; aber man hat gesprochen -- und das alte Un¬
wesen ist nach wie vor geblieben. Darf man nun annehmen, daß
der große Theil der Studirenden vernünftigen Gründen nicht Zu¬
gänglich? -- daß er, einer alten Gewohnheit fröhnend, nicht die Kraft
und den Muth für ein Neues und Besseres hat? oder soll und muß
man sich eingestehen, daß all das Vorgebrachte trotz seiner gleißenden
Verständigkeit den Nagel doch nicht auf den Kopf getroffen? Für¬
wahr, man hat die besten Gründe, das Letztere zu bekennen. Wenn
man wenigstens ein wenig genauer auf die Bestrebungen derer ein¬
geht, welche dem Duell auf den Universitäten abjagend, ein tausend¬
jähriges Reich der absoluten Vernunft darauf zu begründen Miene
machten, wird man sich die innere Unwahrheit derselben, das Ge-


Das Duell auf den deutschen Universitäten.



Das Duell hat eine so vielfache Besprechung erfahren, daß es
schon eine eigene Literatur auszuweisen im Stande ist. Jeder un¬
glückliche Ausgang eines Duells hat Broschüren und Aufsätze her¬
vorgerufen, die, von den verschiedensten Seiten und Standpunkten
ausgehend, doch alle darin übereinkommen, es als einen Ueberrest der
Barbarei früherer Jahrhunderte zu verdammen. Das Christenthum,
wie die Philosophie haben dagegen geeifert, alle möglichen Rücksich¬
ten sind geltend gemacht worden, es als eine Anomalie im heutigen
Leben hinzustellen: — und dennoch spottet bis heute eben diese Ano¬
malie der christlichen Dogmen, der philosophischen Lehrsätze und aller
der Rücksichten, die es verpönen. Die neuere Zeit freilich hat auf
den Universitäten selber Vereine entstehen sehen, welche es für abge¬
schafft erklärten; es ist von Studenten selber viel dagegen geredet
worden, es sind die Gründe, die für seine Beibehaltung sprechen, auf's
Gleißendste und, sollte man meinen, mit einer schneidenden Dialektik
widerlegt worden; aber man hat gesprochen — und das alte Un¬
wesen ist nach wie vor geblieben. Darf man nun annehmen, daß
der große Theil der Studirenden vernünftigen Gründen nicht Zu¬
gänglich? — daß er, einer alten Gewohnheit fröhnend, nicht die Kraft
und den Muth für ein Neues und Besseres hat? oder soll und muß
man sich eingestehen, daß all das Vorgebrachte trotz seiner gleißenden
Verständigkeit den Nagel doch nicht auf den Kopf getroffen? Für¬
wahr, man hat die besten Gründe, das Letztere zu bekennen. Wenn
man wenigstens ein wenig genauer auf die Bestrebungen derer ein¬
geht, welche dem Duell auf den Universitäten abjagend, ein tausend¬
jähriges Reich der absoluten Vernunft darauf zu begründen Miene
machten, wird man sich die innere Unwahrheit derselben, das Ge-


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[0120] Das Duell auf den deutschen Universitäten. Das Duell hat eine so vielfache Besprechung erfahren, daß es schon eine eigene Literatur auszuweisen im Stande ist. Jeder un¬ glückliche Ausgang eines Duells hat Broschüren und Aufsätze her¬ vorgerufen, die, von den verschiedensten Seiten und Standpunkten ausgehend, doch alle darin übereinkommen, es als einen Ueberrest der Barbarei früherer Jahrhunderte zu verdammen. Das Christenthum, wie die Philosophie haben dagegen geeifert, alle möglichen Rücksich¬ ten sind geltend gemacht worden, es als eine Anomalie im heutigen Leben hinzustellen: — und dennoch spottet bis heute eben diese Ano¬ malie der christlichen Dogmen, der philosophischen Lehrsätze und aller der Rücksichten, die es verpönen. Die neuere Zeit freilich hat auf den Universitäten selber Vereine entstehen sehen, welche es für abge¬ schafft erklärten; es ist von Studenten selber viel dagegen geredet worden, es sind die Gründe, die für seine Beibehaltung sprechen, auf's Gleißendste und, sollte man meinen, mit einer schneidenden Dialektik widerlegt worden; aber man hat gesprochen — und das alte Un¬ wesen ist nach wie vor geblieben. Darf man nun annehmen, daß der große Theil der Studirenden vernünftigen Gründen nicht Zu¬ gänglich? — daß er, einer alten Gewohnheit fröhnend, nicht die Kraft und den Muth für ein Neues und Besseres hat? oder soll und muß man sich eingestehen, daß all das Vorgebrachte trotz seiner gleißenden Verständigkeit den Nagel doch nicht auf den Kopf getroffen? Für¬ wahr, man hat die besten Gründe, das Letztere zu bekennen. Wenn man wenigstens ein wenig genauer auf die Bestrebungen derer ein¬ geht, welche dem Duell auf den Universitäten abjagend, ein tausend¬ jähriges Reich der absoluten Vernunft darauf zu begründen Miene machten, wird man sich die innere Unwahrheit derselben, das Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/120>, abgerufen am 06.05.2024.