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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Belgien und die politischen Flüchtlinge.



Freiligrath und Hcinzcn. -- Waaren und Personen. -- Abbare Giobcrti und
die italienische Priesterschaft. -- Das doppelte Rom. -- Die französischen
Flüchtlinge. -- Fransquillons. -- Die Deutschen. -- Dr. Breyer und die
preußische Amnestie. -- Professor Ahrens und Hannover. -- Was die deutschen
Regierungen nicht erspähen. -- Die Polen. -- Lelewel und Skrzynecki. --
Rußland und Oesterreich. -- Moskowitische Legitimität. -- Die russische
Rache und Belgien.

Wir haben Alle geglaubt, die Zeit der politischen Flüchtlinge sei
in Deutschland vorüber, da heißt es plötzlich: Freiligrath ist nach
Belgien, Karl Heinzen ist nach Belgien!

Ob man Freiligrath wirklich an den Leib gegangen wäre? Ge¬
wiß hätte ein männlicher Humor darin gelegen, dies abzuwarten.
Allein Freiligrath ist Westphale, Kassel ist so nahe! Er dachte an
das Schicksal eines politischen Gefangenen in Deutschland -- und
reiste lieber schnell über die Grenze. Diese Abreise ist ein stilles
"Glaubensbekenntniß", welches Berlin ein schlimmeres Kompliment
macht, als das öffentliche, gedruckte. ES ist ein Glück, daß die bei¬
den erwähnten Schriftsteller nach dem Abschluß des Vertrages zwi-
schen Belgien und dem Zollverein sich nach Brüssel gewendet haben.
Wäre es früher geschehen, so hätte vielleicht irgend ein betriebsamer
Diplomat dadurch Veranlassung genommen, die Zollverhandlungen
mit Belgien auf das politische Gebiet hinüberzuziehen, und einzu¬
führende Waaren und auszuliefernde Personen würden vielleicht in
Verbindung gebracht worden sein und die Verhandlungen hätten eine
lange Verzögerung, wenn nicht vollständigen Schiffbruch erlitten.

Denn zu den vielen anerkennungswerthen Eigenschaften, welche
Belgien seit 1830 an den Tag gelegt hat, ist auch die Ausübung der
Gastfreundschaft zu zählen, welche es gegen die unglücklichen politi¬
schen Flüchtlinge übte, die in der ersten Hälfte des vorigen Denen-


Belgien und die politischen Flüchtlinge.



Freiligrath und Hcinzcn. — Waaren und Personen. — Abbare Giobcrti und
die italienische Priesterschaft. — Das doppelte Rom. — Die französischen
Flüchtlinge. — Fransquillons. — Die Deutschen. — Dr. Breyer und die
preußische Amnestie. — Professor Ahrens und Hannover. — Was die deutschen
Regierungen nicht erspähen. — Die Polen. — Lelewel und Skrzynecki. —
Rußland und Oesterreich. — Moskowitische Legitimität. — Die russische
Rache und Belgien.

Wir haben Alle geglaubt, die Zeit der politischen Flüchtlinge sei
in Deutschland vorüber, da heißt es plötzlich: Freiligrath ist nach
Belgien, Karl Heinzen ist nach Belgien!

Ob man Freiligrath wirklich an den Leib gegangen wäre? Ge¬
wiß hätte ein männlicher Humor darin gelegen, dies abzuwarten.
Allein Freiligrath ist Westphale, Kassel ist so nahe! Er dachte an
das Schicksal eines politischen Gefangenen in Deutschland — und
reiste lieber schnell über die Grenze. Diese Abreise ist ein stilles
„Glaubensbekenntniß", welches Berlin ein schlimmeres Kompliment
macht, als das öffentliche, gedruckte. ES ist ein Glück, daß die bei¬
den erwähnten Schriftsteller nach dem Abschluß des Vertrages zwi-
schen Belgien und dem Zollverein sich nach Brüssel gewendet haben.
Wäre es früher geschehen, so hätte vielleicht irgend ein betriebsamer
Diplomat dadurch Veranlassung genommen, die Zollverhandlungen
mit Belgien auf das politische Gebiet hinüberzuziehen, und einzu¬
führende Waaren und auszuliefernde Personen würden vielleicht in
Verbindung gebracht worden sein und die Verhandlungen hätten eine
lange Verzögerung, wenn nicht vollständigen Schiffbruch erlitten.

Denn zu den vielen anerkennungswerthen Eigenschaften, welche
Belgien seit 1830 an den Tag gelegt hat, ist auch die Ausübung der
Gastfreundschaft zu zählen, welche es gegen die unglücklichen politi¬
schen Flüchtlinge übte, die in der ersten Hälfte des vorigen Denen-


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[0014] Belgien und die politischen Flüchtlinge. Freiligrath und Hcinzcn. — Waaren und Personen. — Abbare Giobcrti und die italienische Priesterschaft. — Das doppelte Rom. — Die französischen Flüchtlinge. — Fransquillons. — Die Deutschen. — Dr. Breyer und die preußische Amnestie. — Professor Ahrens und Hannover. — Was die deutschen Regierungen nicht erspähen. — Die Polen. — Lelewel und Skrzynecki. — Rußland und Oesterreich. — Moskowitische Legitimität. — Die russische Rache und Belgien. Wir haben Alle geglaubt, die Zeit der politischen Flüchtlinge sei in Deutschland vorüber, da heißt es plötzlich: Freiligrath ist nach Belgien, Karl Heinzen ist nach Belgien! Ob man Freiligrath wirklich an den Leib gegangen wäre? Ge¬ wiß hätte ein männlicher Humor darin gelegen, dies abzuwarten. Allein Freiligrath ist Westphale, Kassel ist so nahe! Er dachte an das Schicksal eines politischen Gefangenen in Deutschland — und reiste lieber schnell über die Grenze. Diese Abreise ist ein stilles „Glaubensbekenntniß", welches Berlin ein schlimmeres Kompliment macht, als das öffentliche, gedruckte. ES ist ein Glück, daß die bei¬ den erwähnten Schriftsteller nach dem Abschluß des Vertrages zwi- schen Belgien und dem Zollverein sich nach Brüssel gewendet haben. Wäre es früher geschehen, so hätte vielleicht irgend ein betriebsamer Diplomat dadurch Veranlassung genommen, die Zollverhandlungen mit Belgien auf das politische Gebiet hinüberzuziehen, und einzu¬ führende Waaren und auszuliefernde Personen würden vielleicht in Verbindung gebracht worden sein und die Verhandlungen hätten eine lange Verzögerung, wenn nicht vollständigen Schiffbruch erlitten. Denn zu den vielen anerkennungswerthen Eigenschaften, welche Belgien seit 1830 an den Tag gelegt hat, ist auch die Ausübung der Gastfreundschaft zu zählen, welche es gegen die unglücklichen politi¬ schen Flüchtlinge übte, die in der ersten Hälfte des vorigen Denen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/14>, abgerufen am 05.05.2024.