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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Großes Lever beim Satan. *)
B o n
Baron BrambeuS (O. I. Senkvwski).
Aus dem Russischen von PH. Löbenstein,



In den Tiefen der Erdkugel befindet sich ein ungeheurer Saal,
der nach den neuesten Messungen 99 Werst hoch ist. Die Vater-
ländischen Annalen sprechen freilich von 999 Werst, doch die¬
sen ist in keiner Beziehung, ja nicht einmal in den Höllencorrespon-
dcnzen zu trauen. In diesem Saal ist ein großartiger Thron für den Ge¬
bieter des unterirdischen Reiches errichtet, aus menschlichen Gerippen
bestehend und statt mit Bronze mit vertrockneten Fledermäusen verziert.
Es nimmt sich wunderhübsch aus. Auf diesem Throne läßt sich
Satanas nieder, wenn er den aus der Oberwelt zurückkehrenden Ge-



*) Wir gellen dieses Capriccio als ein Pröbchen von der Art und Weise-
wie man auch in Rußland "zeitgemäß" schreibt und manchmal der Auf¬
klärung einen schielenden Liebesblick zuwirft. Wie tapfer zum Beispiel Herr
Senkvwski die spanische Inquisition und die Jesuiten verhöhnt -- spanische
Inquisition und römische Jesuiten kennt nämlich Rußland nicht! Ein Libe¬
ralismus, der an ähnliche Spielarten bei uns erinnert. Diesem offiziellen
Satyriker ist die ganze Welt des Teufels, blos in seinem weiten großen Ru߬
land findet Satan Nichts, was er nur an einem Härchen fassen könnte- In¬
teressant sind auch die Ausfälle gegen Belgien und Deutschland; die erstem
wegen des lächerlichen Hochmuthsund giftigen Ingrimms, mit dem der Russe
von den "Morästen" Belgiens spricht; die andern als ein Zeichen von der
aufrichtigen Achtung und Liebe, deren wir bei unsern guten Freunden im
Norden genießen. Die Franzosen, Engländer und Belgier werden wegen ihrer
Mevolutionssucht gegeißelt; an den Deutschen aber wird die Besonnenheit,
welche er an seinen Russen preisen würde, verhöhnt. Ja, aus Kosten der-
Deutschen darf der loyale Feind der Revolutionen sogar einmal revolu¬
tionär thun Die Red. .
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Großes Lever beim Satan. *)
B o n
Baron BrambeuS (O. I. Senkvwski).
Aus dem Russischen von PH. Löbenstein,



In den Tiefen der Erdkugel befindet sich ein ungeheurer Saal,
der nach den neuesten Messungen 99 Werst hoch ist. Die Vater-
ländischen Annalen sprechen freilich von 999 Werst, doch die¬
sen ist in keiner Beziehung, ja nicht einmal in den Höllencorrespon-
dcnzen zu trauen. In diesem Saal ist ein großartiger Thron für den Ge¬
bieter des unterirdischen Reiches errichtet, aus menschlichen Gerippen
bestehend und statt mit Bronze mit vertrockneten Fledermäusen verziert.
Es nimmt sich wunderhübsch aus. Auf diesem Throne läßt sich
Satanas nieder, wenn er den aus der Oberwelt zurückkehrenden Ge-



*) Wir gellen dieses Capriccio als ein Pröbchen von der Art und Weise-
wie man auch in Rußland „zeitgemäß" schreibt und manchmal der Auf¬
klärung einen schielenden Liebesblick zuwirft. Wie tapfer zum Beispiel Herr
Senkvwski die spanische Inquisition und die Jesuiten verhöhnt — spanische
Inquisition und römische Jesuiten kennt nämlich Rußland nicht! Ein Libe¬
ralismus, der an ähnliche Spielarten bei uns erinnert. Diesem offiziellen
Satyriker ist die ganze Welt des Teufels, blos in seinem weiten großen Ru߬
land findet Satan Nichts, was er nur an einem Härchen fassen könnte- In¬
teressant sind auch die Ausfälle gegen Belgien und Deutschland; die erstem
wegen des lächerlichen Hochmuthsund giftigen Ingrimms, mit dem der Russe
von den „Morästen" Belgiens spricht; die andern als ein Zeichen von der
aufrichtigen Achtung und Liebe, deren wir bei unsern guten Freunden im
Norden genießen. Die Franzosen, Engländer und Belgier werden wegen ihrer
Mevolutionssucht gegeißelt; an den Deutschen aber wird die Besonnenheit,
welche er an seinen Russen preisen würde, verhöhnt. Ja, aus Kosten der-
Deutschen darf der loyale Feind der Revolutionen sogar einmal revolu¬
tionär thun Die Red. .
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[0221] Großes Lever beim Satan. *) B o n Baron BrambeuS (O. I. Senkvwski). Aus dem Russischen von PH. Löbenstein, In den Tiefen der Erdkugel befindet sich ein ungeheurer Saal, der nach den neuesten Messungen 99 Werst hoch ist. Die Vater- ländischen Annalen sprechen freilich von 999 Werst, doch die¬ sen ist in keiner Beziehung, ja nicht einmal in den Höllencorrespon- dcnzen zu trauen. In diesem Saal ist ein großartiger Thron für den Ge¬ bieter des unterirdischen Reiches errichtet, aus menschlichen Gerippen bestehend und statt mit Bronze mit vertrockneten Fledermäusen verziert. Es nimmt sich wunderhübsch aus. Auf diesem Throne läßt sich Satanas nieder, wenn er den aus der Oberwelt zurückkehrenden Ge- *) Wir gellen dieses Capriccio als ein Pröbchen von der Art und Weise- wie man auch in Rußland „zeitgemäß" schreibt und manchmal der Auf¬ klärung einen schielenden Liebesblick zuwirft. Wie tapfer zum Beispiel Herr Senkvwski die spanische Inquisition und die Jesuiten verhöhnt — spanische Inquisition und römische Jesuiten kennt nämlich Rußland nicht! Ein Libe¬ ralismus, der an ähnliche Spielarten bei uns erinnert. Diesem offiziellen Satyriker ist die ganze Welt des Teufels, blos in seinem weiten großen Ru߬ land findet Satan Nichts, was er nur an einem Härchen fassen könnte- In¬ teressant sind auch die Ausfälle gegen Belgien und Deutschland; die erstem wegen des lächerlichen Hochmuthsund giftigen Ingrimms, mit dem der Russe von den „Morästen" Belgiens spricht; die andern als ein Zeichen von der aufrichtigen Achtung und Liebe, deren wir bei unsern guten Freunden im Norden genießen. Die Franzosen, Engländer und Belgier werden wegen ihrer Mevolutionssucht gegeißelt; an den Deutschen aber wird die Besonnenheit, welche er an seinen Russen preisen würde, verhöhnt. Ja, aus Kosten der- Deutschen darf der loyale Feind der Revolutionen sogar einmal revolu¬ tionär thun Die Red. . 28 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/221>, abgerufen am 06.05.2024.