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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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unserer Bühne fehlt es nicht an Novitäten, jedoch brachte uns der
Earneval einige Stücke, deren Aufführung besser unterblieben wäre;
dahin gehört "der Mörder," eine Posse vom Verfasser von "Lüge und
Wahrheit," die mit Eclat durchsiel. Hingegen erwarb sich das Lust¬
spiel "Er muß auf's Land" einen Beifall, wie ihn unsere Theater¬
annalen nur selten aufzuweisen haben; mit jeder Scene steigerte sich
der Jubel des Publicums, der kaum nachlassen wollte, als schon der
Z. Vorhang zum zweitenmal gefallen war. --


V.
Aus Schlesien.

Ferd. Fischer und der Ruf nach Reichsständen. -- k>an"in et Oirovnse"! --

Der Justiz - Commissär Ferd. Fischer in Breslau, welcher sich
durch seine Vertheidigungsschrift Jordan's so rühmlich ausgezeichnet
und dessen Vertheidigung des Angeklagten Ed. Pelz vortrefflich genannt
wird, was auch schon aus den in den Börsennachrichten der Ostsee
mitgetheilten Proben ersichtlich ist, sagt am Schlüsse seiner eben bei
Otto Wigand in Leipzig erschienenen Broschüre: "Preußens Wunsch.
Ein Nenjahrsgeschenk:" "Der Schutz für das Bestehende, die Macht
der Krone, die Kraft des Staates, die Einheit des deutschen Vater¬
landes hängen daher von der Reichsvertretung ab, und dies sind die
Gründe, warum Preußen zum Ruhme der Krone und zum Glücke des
Vaterlandes so sehnlichst und so heiß eine Reichsvertretung wünscht. --
Männer der Aristokratie! faßt diese Lebensfrage nicht als eine feind¬
liche auf. Es gilt hier nicht Standesrechte, es gilt Euren Besitz, es
gilt die Macht des Staates. -- Ihr aber, hohe Diener des Thro¬
nes! faßt auch Ihr die Frage nicht als eine Parteisache, sondern als
eine solche auf, welche für Thron und Volk gleich gewichtig, denn
auch die Macht des Thrones kann nur durch eine Reichsvertretung
gestärkt und erkräftigt werden. -- Und Euch, Ihr Männer, die
Ihr mit mir dem Bürgerstande angehört, Euch rufe ich zu, seid fest
in der Pflicht; denn diese ist heiliger als die Freiheit, fest in dem
Gemeinsinn, denn dieser führt über kurz oder lang zum ersehnten Ziele,
fest endlich in der Liebe zum Vaterlande, denn diese macht Preußen
kräftig, Deutschland einig."

Wir zweifeln, daß hierauf das vom Verfasser gewählte Motto:
"Ich will versöhnen, nicht verletzen," paßt; denn ganz abgesehen da¬
von, welcher Ansicht der Monarch in Beziehung auf den angeregten
"Wunsch" sein möge, so dürfte der letztere doch kaum von der Staats¬
verwaltung mit solchen Augen betrachtet werden, wie die des Herrn
Ferd. Fischer sind, und dieser könnte wohl zu thun bekommen, die¬
jenigen zu versöhnen, welche Veranlassung nehmen wollten, sich für
verletzt zu erklären, indem Jemand für den Wunsch Preußens aus¬
gibt, was nicht ihr Wunsch ist. -- Unter den Männern der Aristo-


unserer Bühne fehlt es nicht an Novitäten, jedoch brachte uns der
Earneval einige Stücke, deren Aufführung besser unterblieben wäre;
dahin gehört „der Mörder," eine Posse vom Verfasser von „Lüge und
Wahrheit," die mit Eclat durchsiel. Hingegen erwarb sich das Lust¬
spiel „Er muß auf's Land" einen Beifall, wie ihn unsere Theater¬
annalen nur selten aufzuweisen haben; mit jeder Scene steigerte sich
der Jubel des Publicums, der kaum nachlassen wollte, als schon der
Z. Vorhang zum zweitenmal gefallen war. —


V.
Aus Schlesien.

Ferd. Fischer und der Ruf nach Reichsständen. — k>an«in et Oirovnse«! —

Der Justiz - Commissär Ferd. Fischer in Breslau, welcher sich
durch seine Vertheidigungsschrift Jordan's so rühmlich ausgezeichnet
und dessen Vertheidigung des Angeklagten Ed. Pelz vortrefflich genannt
wird, was auch schon aus den in den Börsennachrichten der Ostsee
mitgetheilten Proben ersichtlich ist, sagt am Schlüsse seiner eben bei
Otto Wigand in Leipzig erschienenen Broschüre: „Preußens Wunsch.
Ein Nenjahrsgeschenk:" „Der Schutz für das Bestehende, die Macht
der Krone, die Kraft des Staates, die Einheit des deutschen Vater¬
landes hängen daher von der Reichsvertretung ab, und dies sind die
Gründe, warum Preußen zum Ruhme der Krone und zum Glücke des
Vaterlandes so sehnlichst und so heiß eine Reichsvertretung wünscht. —
Männer der Aristokratie! faßt diese Lebensfrage nicht als eine feind¬
liche auf. Es gilt hier nicht Standesrechte, es gilt Euren Besitz, es
gilt die Macht des Staates. — Ihr aber, hohe Diener des Thro¬
nes! faßt auch Ihr die Frage nicht als eine Parteisache, sondern als
eine solche auf, welche für Thron und Volk gleich gewichtig, denn
auch die Macht des Thrones kann nur durch eine Reichsvertretung
gestärkt und erkräftigt werden. — Und Euch, Ihr Männer, die
Ihr mit mir dem Bürgerstande angehört, Euch rufe ich zu, seid fest
in der Pflicht; denn diese ist heiliger als die Freiheit, fest in dem
Gemeinsinn, denn dieser führt über kurz oder lang zum ersehnten Ziele,
fest endlich in der Liebe zum Vaterlande, denn diese macht Preußen
kräftig, Deutschland einig."

Wir zweifeln, daß hierauf das vom Verfasser gewählte Motto:
„Ich will versöhnen, nicht verletzen," paßt; denn ganz abgesehen da¬
von, welcher Ansicht der Monarch in Beziehung auf den angeregten
„Wunsch" sein möge, so dürfte der letztere doch kaum von der Staats¬
verwaltung mit solchen Augen betrachtet werden, wie die des Herrn
Ferd. Fischer sind, und dieser könnte wohl zu thun bekommen, die¬
jenigen zu versöhnen, welche Veranlassung nehmen wollten, sich für
verletzt zu erklären, indem Jemand für den Wunsch Preußens aus¬
gibt, was nicht ihr Wunsch ist. — Unter den Männern der Aristo-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/447>, abgerufen am 06.05.2024.