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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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kam, wurde der Länge und Breite nach in den öffentlichen Blät¬
tern besprochen; ich will hier nur noch einige Nebenumstände erwähnen.
Herr Advokat Roßmann nämlich, der Vertreter der Universität Heidel¬
berg in der bekannten Cautionsgeschichte, suchte in einem langen Pro-
memoria, welches er herablas, die Giltigkeit des zwischen dem Vater
des Delinquenten Hertle und der Universität Heidelberg abgeschlossenen
Civilvertrags darzuthun, die Hauptfrage aber, die völkerrechtliche,
berührte er nur obenhin, ein großer Theil seines Plaidoyer war aus¬
gefüllt mit einer Schilderung der Persönlichkeit des Hertle, so wie von
einer mit loyalem Eifer gesprochenen Demonstration gegen die bur¬
schenschaftlichen Umtriebe. Es ist einleuchtend, daß dieses hier gar
nicht in Betracht kam, wo es sich um die wichtige Frage handelte,
ob nach französischem Gesetze die gerichtliche Untersuchung über ein im
Auslande begangenes Vergehen der localen Gerichtsbarkeit zustehe, oder
den vaterländischen Gerichten des Delinquenten. Oder wollte Herr
Roßmann durch oratorische Kunstgriffe die Richter für sich gewinnen?
Nicht einmal die Geschwornen, welche gar oft zu diesem Amte Nichts
als ein unbescholtener Ruf und gesunder Menschenverstand befähigt,
lassen sich durch solche Tiraden blenden, viel weniger Männer, die in
der Arena des Rechts ergraut sind; der bloße Wunsch aber, seine Loya¬
lität öffentlich an den Tag zu legen, berechtigt noch weniger zu solch
schonungsloser Angriffen. Dem Advokaten Roßmann sind diese Bur¬
schenschafter nicht vom Wahn geleitete Jünglinge, die eher Mit¬
leid als Haß verdienen, sondern Ruchlose, welche die Throne gefährden,
die öffentliche Ruhe und Sicherheit untergraben, ihr Vaterland in's
Verderben stürzen wollen. Advokat Ney, Hertle's Anwalt, nahm sich
jedoch ihrer an und entgegnete: die Gerichte selbst hätten die damali¬
gen Umtriebe nicht so strenge beurtheilt und die Denunciationen des
Zuchtpolizcigerichtes in Mainz hätten sich in vielen Fällen als unbe¬
gründet erwiesen. Nochmal erhob sich Noßmann, um Ney über eine
solche Bezeihung einer achtbaren Behörde zu "beschämen," dieser aber
belehrte seinen Gegner, daß Denunciation im gerichtlichen Sinne nichts
Anderes, als "Antrag auf criminelle Untersuchung" bedeute, und daß
er in diefem Falle den gewöhnlichen Sinn, den man mit diesem Worte
verbinde, nicht meinen konnte.

Der Jmprovisator Beermann hält sich noch immer hier auf und
gibt besonders in Privatzirkeln häusig Proben seines Talentes, Mir
scheint es von nicht sehr großer Bedeutung zu sein. Er besitzt eine
ungemeine Gewandtheit in der Handhabung des Reimes, von wahrer
Poesie keine Spur. Die Art, wie er mit den Worten umzuspringen
weiß, hat er mit Saphir gemein, ohne dessen eminentes Talent zu
besitzen. Die Worte sind ihm Balancirstangen, die sich bald hierhin,
bald dorthin neigen und ihn zu rechter Zeit vor dem Falle bewahren
müssen. Größeres Interesse erregte der Nechnenkünstler Dase. Auf


kam, wurde der Länge und Breite nach in den öffentlichen Blät¬
tern besprochen; ich will hier nur noch einige Nebenumstände erwähnen.
Herr Advokat Roßmann nämlich, der Vertreter der Universität Heidel¬
berg in der bekannten Cautionsgeschichte, suchte in einem langen Pro-
memoria, welches er herablas, die Giltigkeit des zwischen dem Vater
des Delinquenten Hertle und der Universität Heidelberg abgeschlossenen
Civilvertrags darzuthun, die Hauptfrage aber, die völkerrechtliche,
berührte er nur obenhin, ein großer Theil seines Plaidoyer war aus¬
gefüllt mit einer Schilderung der Persönlichkeit des Hertle, so wie von
einer mit loyalem Eifer gesprochenen Demonstration gegen die bur¬
schenschaftlichen Umtriebe. Es ist einleuchtend, daß dieses hier gar
nicht in Betracht kam, wo es sich um die wichtige Frage handelte,
ob nach französischem Gesetze die gerichtliche Untersuchung über ein im
Auslande begangenes Vergehen der localen Gerichtsbarkeit zustehe, oder
den vaterländischen Gerichten des Delinquenten. Oder wollte Herr
Roßmann durch oratorische Kunstgriffe die Richter für sich gewinnen?
Nicht einmal die Geschwornen, welche gar oft zu diesem Amte Nichts
als ein unbescholtener Ruf und gesunder Menschenverstand befähigt,
lassen sich durch solche Tiraden blenden, viel weniger Männer, die in
der Arena des Rechts ergraut sind; der bloße Wunsch aber, seine Loya¬
lität öffentlich an den Tag zu legen, berechtigt noch weniger zu solch
schonungsloser Angriffen. Dem Advokaten Roßmann sind diese Bur¬
schenschafter nicht vom Wahn geleitete Jünglinge, die eher Mit¬
leid als Haß verdienen, sondern Ruchlose, welche die Throne gefährden,
die öffentliche Ruhe und Sicherheit untergraben, ihr Vaterland in's
Verderben stürzen wollen. Advokat Ney, Hertle's Anwalt, nahm sich
jedoch ihrer an und entgegnete: die Gerichte selbst hätten die damali¬
gen Umtriebe nicht so strenge beurtheilt und die Denunciationen des
Zuchtpolizcigerichtes in Mainz hätten sich in vielen Fällen als unbe¬
gründet erwiesen. Nochmal erhob sich Noßmann, um Ney über eine
solche Bezeihung einer achtbaren Behörde zu „beschämen," dieser aber
belehrte seinen Gegner, daß Denunciation im gerichtlichen Sinne nichts
Anderes, als „Antrag auf criminelle Untersuchung" bedeute, und daß
er in diefem Falle den gewöhnlichen Sinn, den man mit diesem Worte
verbinde, nicht meinen konnte.

Der Jmprovisator Beermann hält sich noch immer hier auf und
gibt besonders in Privatzirkeln häusig Proben seines Talentes, Mir
scheint es von nicht sehr großer Bedeutung zu sein. Er besitzt eine
ungemeine Gewandtheit in der Handhabung des Reimes, von wahrer
Poesie keine Spur. Die Art, wie er mit den Worten umzuspringen
weiß, hat er mit Saphir gemein, ohne dessen eminentes Talent zu
besitzen. Die Worte sind ihm Balancirstangen, die sich bald hierhin,
bald dorthin neigen und ihn zu rechter Zeit vor dem Falle bewahren
müssen. Größeres Interesse erregte der Nechnenkünstler Dase. Auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/446>, abgerufen am 26.05.2024.