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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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des Hofoperntheaters, welches Nikolai zu Gebote steht und das auch
Guhr in seinen Reisebriefen enthusiastisch gelobt h,^, Beethoven,
Spohr u. s. w. weit besser zu erecutiren im Stande ist, als die Di¬
lettanten der Oncei-es "in'iiluels, in welche, trotz der Tüchtigkeit des
Vorstandes, des Baron Launoy, keine Einheit zu bringen ist, strömt
auch den philharmonischen Concerten ein zahlreicheres und eleganteres
Auditorium zu und kann daher mehr für die Heranbildung des Puvli-
cums, für großartige Musikschöpfungen wirken, als jene. Nikolai,
dessen Abgang ein Verlust für Wien wäre, scheint indeß auch für
Berlin verloren, sobald das Nervenfieber, an dem er schwer darnieder¬
liegt, keine günstige Krisis herbeiführt. -- Die Verehrer des Herrn
Saphir haben den funfzigsten Geburtstag des geistreichen Humoristen
durch ein glänzendes Souper im Easino gefeiert, bei dem es sehr
munter herging. Saphir hielt eine sehr witzige Gegenrede und trank
aus dem ihm als Ehrengeschenk überreichten Silberpokal aus das Wohl
der Versammlung, die es an Toasten und Impromptus nicht fehlen
ließ. Besonders zeichnete sich die in Versen abgefaßte Anklage gegen
Saphir, einen falschen Fünfziger producirt zu haben, die Herr Gold¬
schmied recht launig vortrug, aus. Es bezog sich dieser artige Schwäne
auf den Umstand, daß Herr Saphir, in Unkenntniß über sein eignes
Geburtsjahr, schon im verwichenen Jahre der Meinung war, sein
fünfzigstes Lebensjahr vollendet zu haben. -- Im Hofburgtheatec soll
eine Novität im Anzüge sein, das Product eines hiesigen Dichters,
Moshammer, welche den Titel führt: "Odoaker in Italien" und trotz
seines antiken Stoffes mit großen, sarbenbunten Deutfchheitsblumen
durchwebt sein soll. Nationalität und Freiheit scheinen mit einem
Male in unsern Schauspielhausern untergebracht zu werden, allein wir
fürchten, daß man sie dort wie auf einer Festung halten und nicht
in's öffentliche Leben der Se.'de kommen lassen werde.


II.
Ans Berli n.

Der brandenburgische kandtag und der rheinische. -- Nekrolog des Localver-
iins; die Sittlichkeit der Damen-Vereine; ehret die Frauen! -- Berthe,'-
digungssckrift der Seehandlung. -- Dambach todt! -- Dambach und Thebens.
-- Opernhausbewegung. -- Das Urbild des Tartüffe und Hopp".

Der brandenburgische Landtag ist wenig geeignet, Hoffnungen
zu erwecken. Unsere "uckermärkischen Granden" sind zwar berathend
zusammengekommen, aber man sieht nicht, daß aus ihren Berathun¬
gen etwas werden könnte und ihre landständische Tracht ist am Ende
das einzig Auffallende, was uns an ihnen in Berlin begegnet. Eine
Petition um Reichsstände, zu der die Berliner sich in diesem Jahre
merkwürdiger Weise angegriffen haben, ist von diesen treuen, loyalen
Granden, schon ehe sie in den Landtag gekommen, beseitigt worden


Ar-"ji>vier, 184Z. I.

des Hofoperntheaters, welches Nikolai zu Gebote steht und das auch
Guhr in seinen Reisebriefen enthusiastisch gelobt h,^, Beethoven,
Spohr u. s. w. weit besser zu erecutiren im Stande ist, als die Di¬
lettanten der Oncei-es «in'iiluels, in welche, trotz der Tüchtigkeit des
Vorstandes, des Baron Launoy, keine Einheit zu bringen ist, strömt
auch den philharmonischen Concerten ein zahlreicheres und eleganteres
Auditorium zu und kann daher mehr für die Heranbildung des Puvli-
cums, für großartige Musikschöpfungen wirken, als jene. Nikolai,
dessen Abgang ein Verlust für Wien wäre, scheint indeß auch für
Berlin verloren, sobald das Nervenfieber, an dem er schwer darnieder¬
liegt, keine günstige Krisis herbeiführt. — Die Verehrer des Herrn
Saphir haben den funfzigsten Geburtstag des geistreichen Humoristen
durch ein glänzendes Souper im Easino gefeiert, bei dem es sehr
munter herging. Saphir hielt eine sehr witzige Gegenrede und trank
aus dem ihm als Ehrengeschenk überreichten Silberpokal aus das Wohl
der Versammlung, die es an Toasten und Impromptus nicht fehlen
ließ. Besonders zeichnete sich die in Versen abgefaßte Anklage gegen
Saphir, einen falschen Fünfziger producirt zu haben, die Herr Gold¬
schmied recht launig vortrug, aus. Es bezog sich dieser artige Schwäne
auf den Umstand, daß Herr Saphir, in Unkenntniß über sein eignes
Geburtsjahr, schon im verwichenen Jahre der Meinung war, sein
fünfzigstes Lebensjahr vollendet zu haben. — Im Hofburgtheatec soll
eine Novität im Anzüge sein, das Product eines hiesigen Dichters,
Moshammer, welche den Titel führt: „Odoaker in Italien" und trotz
seines antiken Stoffes mit großen, sarbenbunten Deutfchheitsblumen
durchwebt sein soll. Nationalität und Freiheit scheinen mit einem
Male in unsern Schauspielhausern untergebracht zu werden, allein wir
fürchten, daß man sie dort wie auf einer Festung halten und nicht
in's öffentliche Leben der Se.'de kommen lassen werde.


II.
Ans Berli n.

Der brandenburgische kandtag und der rheinische. — Nekrolog des Localver-
iins; die Sittlichkeit der Damen-Vereine; ehret die Frauen! — Berthe,'-
digungssckrift der Seehandlung. — Dambach todt! — Dambach und Thebens.
— Opernhausbewegung. — Das Urbild des Tartüffe und Hopp«.

Der brandenburgische Landtag ist wenig geeignet, Hoffnungen
zu erwecken. Unsere „uckermärkischen Granden" sind zwar berathend
zusammengekommen, aber man sieht nicht, daß aus ihren Berathun¬
gen etwas werden könnte und ihre landständische Tracht ist am Ende
das einzig Auffallende, was uns an ihnen in Berlin begegnet. Eine
Petition um Reichsstände, zu der die Berliner sich in diesem Jahre
merkwürdiger Weise angegriffen haben, ist von diesen treuen, loyalen
Granden, schon ehe sie in den Landtag gekommen, beseitigt worden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/539>, abgerufen am 05.05.2024.