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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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von dem Dr. Würth herausgegebene Reisewerk über das Gesängniß-
wesen der westlichen Staaten liefert so viel gutes Material zu dieser
dringend nothwendigen Reform, daß man nur wünschen muß, man'
möchte es recht bald zum Frommen hiesiger Zustande benutzen. Nach
den Hindernissen zu schließen, die den Borlesungen des genannten jun¬
gen Gelehrten im juridisch-politischen Leseverein über Gefängnißkunde
in den Weg gelegt wurden, scheint man freilich noch weit davon, denn
es ist ja, als wollte man die Erkenntniß des mangelhaften, Anstandes
in weiteren Kreisen nicht verbreiten. Wäre man schon in Bereitschaft,
so käme eine kritische Beleuchtung der Gcsängnißfrage nicht unwill¬
kommen, sondern sehr gelegen und würde gleichsam als Rechtfertigung
der Reform dienen. Jnsolange die UnVollkommenheit der Gefängnisse
keine Verfolgung des Besserungszweckes schon während der Hast mög¬
lich macht, wird die Wirksamkeit des Vereins stets einen gar mächtigen
Gegner haben, wenn sie nicht selbst die Aufgabe des Gefängnisses zu
der ihrigen macht und nicht nur auf Unterbringung, sondern auch auf
das sittliche Wohl der entlassenen Sträflinge hinarbeitet. Darum
wurde auf Vorschlag des Dr. Hör beschlossen, für jugendliche Ver¬
brecher bestimmte Rettungshäuser zu gründen. Der Juwelier Rozet,
der die Kassengeschäfte des Vereins besorgt, lieferte die Ausweise der
Geldkräfte, welche bedeutend erstarkt sind; am Schluß des Jahres 1844
besaß derselbe einen Baarvorrath von 11,564 Gulden und 2630 Gul¬
den in Staatsobligationen. Auf den Auftrag des Baron Sommar-
ruga, Mitglied der k. k. Gesetzgebungs-Hoftomission, votirte, die Ver¬
sammlung dem thätigen Vorstand, Graf Barthenheim, eine Dank¬
adresse, und zugleich wurde beschlossen, jetzt, da sich das junge In¬
stitut bereits consolidirt, das Protectorat einem Gliede der kaiser¬
lichen Familie anzubieten.

Der als Hoftheaterkapellmeister an der hiesigen Opernbühne an¬
gestellte Componist Nikolai, welcher früher einige Jahre in Italien
verlebte, wo er der Freundschaft und des Schutzes des Herzogs Dona
genoß, erfreut sich seit einiger Zeit einer ganz besondern Aufmerksam¬
keit von Seite seines preußischen Vaterlandes, so daß das Gerücht
geht, als werde er mit tausend Thaler Gehalt als Domkapellmeister
nach Berlin gehen. Nikolai leitete bei der Jubiläumsfeier der Albcr-
rina zu Königsberg die musikalischen Festlichkeiten und soll sich durch
seine geistlichen Compositionen die Theilnahme des Unterrichtsministers
erworben haben, wie er denn auch bald darauf den rothen Adlerorden
erhielt. Jetzt hat ihm die Stadt Königsberg gleichfalls ein Geschenk
gemacht durch Uebersendung eines silbernen 'Taktstockes, der mit gol¬
denen Lorbeeren umwunden und dessen Griff mit Emblemen der Ton¬
kunst und dem Stadtwappen geschmückt ist. Nikolai hat sich um die
hiesigen Kunstzustände durch die Stiftung der philharmonischen Con¬
certe vielfach verdient gemacht. Abgesehen davon, daß das Orchester


von dem Dr. Würth herausgegebene Reisewerk über das Gesängniß-
wesen der westlichen Staaten liefert so viel gutes Material zu dieser
dringend nothwendigen Reform, daß man nur wünschen muß, man'
möchte es recht bald zum Frommen hiesiger Zustande benutzen. Nach
den Hindernissen zu schließen, die den Borlesungen des genannten jun¬
gen Gelehrten im juridisch-politischen Leseverein über Gefängnißkunde
in den Weg gelegt wurden, scheint man freilich noch weit davon, denn
es ist ja, als wollte man die Erkenntniß des mangelhaften, Anstandes
in weiteren Kreisen nicht verbreiten. Wäre man schon in Bereitschaft,
so käme eine kritische Beleuchtung der Gcsängnißfrage nicht unwill¬
kommen, sondern sehr gelegen und würde gleichsam als Rechtfertigung
der Reform dienen. Jnsolange die UnVollkommenheit der Gefängnisse
keine Verfolgung des Besserungszweckes schon während der Hast mög¬
lich macht, wird die Wirksamkeit des Vereins stets einen gar mächtigen
Gegner haben, wenn sie nicht selbst die Aufgabe des Gefängnisses zu
der ihrigen macht und nicht nur auf Unterbringung, sondern auch auf
das sittliche Wohl der entlassenen Sträflinge hinarbeitet. Darum
wurde auf Vorschlag des Dr. Hör beschlossen, für jugendliche Ver¬
brecher bestimmte Rettungshäuser zu gründen. Der Juwelier Rozet,
der die Kassengeschäfte des Vereins besorgt, lieferte die Ausweise der
Geldkräfte, welche bedeutend erstarkt sind; am Schluß des Jahres 1844
besaß derselbe einen Baarvorrath von 11,564 Gulden und 2630 Gul¬
den in Staatsobligationen. Auf den Auftrag des Baron Sommar-
ruga, Mitglied der k. k. Gesetzgebungs-Hoftomission, votirte, die Ver¬
sammlung dem thätigen Vorstand, Graf Barthenheim, eine Dank¬
adresse, und zugleich wurde beschlossen, jetzt, da sich das junge In¬
stitut bereits consolidirt, das Protectorat einem Gliede der kaiser¬
lichen Familie anzubieten.

Der als Hoftheaterkapellmeister an der hiesigen Opernbühne an¬
gestellte Componist Nikolai, welcher früher einige Jahre in Italien
verlebte, wo er der Freundschaft und des Schutzes des Herzogs Dona
genoß, erfreut sich seit einiger Zeit einer ganz besondern Aufmerksam¬
keit von Seite seines preußischen Vaterlandes, so daß das Gerücht
geht, als werde er mit tausend Thaler Gehalt als Domkapellmeister
nach Berlin gehen. Nikolai leitete bei der Jubiläumsfeier der Albcr-
rina zu Königsberg die musikalischen Festlichkeiten und soll sich durch
seine geistlichen Compositionen die Theilnahme des Unterrichtsministers
erworben haben, wie er denn auch bald darauf den rothen Adlerorden
erhielt. Jetzt hat ihm die Stadt Königsberg gleichfalls ein Geschenk
gemacht durch Uebersendung eines silbernen 'Taktstockes, der mit gol¬
denen Lorbeeren umwunden und dessen Griff mit Emblemen der Ton¬
kunst und dem Stadtwappen geschmückt ist. Nikolai hat sich um die
hiesigen Kunstzustände durch die Stiftung der philharmonischen Con¬
certe vielfach verdient gemacht. Abgesehen davon, daß das Orchester


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/538>, abgerufen am 25.05.2024.