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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Dritter Tag.

Heute bin ich unter die Politiker gekommen, und zwar unter
gut Unterrichtete, wie man zu sagen pflegt. Die Geschichte von be¬
absichtigter Constitution, welche man auswärts für ein Märchen
hielt, hat ihre vollkommene Richtigkeit. Der König selbst soll sie ver¬
faßt haben, und wenn man ihm nicht so dringend abgerathen, so
hätte er sie auch diesmal zur Eröffnung der Landtage gegeben. Das
Versprechen des Vaters einzulösen, sei ihm jetzt der wichtigste Ge¬
sichtspunkt. Er sei auch der Meinung, die Censur sei nicht mehr
haltbar und er lasse beim Bundestage ein Preßgcsetz beantragen,
welches auf Preßfreiheit und auf Strafen nach dem Druck begrün¬
det werde. Der Minorität beim Bundestage gewärtig, habe er vor¬
gehabt, deshalb doch nicht zurückzubleiben hinter solchen Absichten
und in Sachen der Justiz auch öffentliches und mündliches Verfah¬
ren zu bewilligen. Und wer ist gegen solche Maßregeln, welche
in ganz Deuschland mit Jubel aufgenommen sein würden? O, dar¬
über erzählt man sich natürlich die mannichfaltigsten Geschichten. Sie
in all ihren zum Theil ganz interessanten Details zu wiederholen,
fühle ich mich nicht berufen, denn es läuft da gewiß viel Abenteuer¬
liches, durch Klatscherei Uebertriebenes mitunter. Eine hohe Person
wird zum Mittelpunkte derartig Widerstrebender gemacht und einige
Minister werden insofern interessant geschildert, als sie bis zum letz¬
ten Augenblicke Nichts von dem geahnt, waS sich Neues bereite.
Man zweifelt nicht, daß die Verwirklichung vom Könige nur ver¬
schoben worden und bei jeder besondern Gelegenheit zu erwarten sei.
Ahnte er den unermeßlichen Jubel, welcher durch ganz Deutschland
seinem Namen und solchem Werke cntgcgenjauchzen würde, er über¬
wände gewiß leichter die Schwierigkeiten, welche allerdings mit einer
so entschlossenen Abwendung von herkömmlich gewordener Politik hal¬
ber Maßregeln verknüpft sein mögen. Ueber die Einführung hab'
ich zweierlei gehört; der Eine sagt: die Constitution ist vom Könige
bereits ausgearbeitet und soll verliehen werden. Der Andre sagt:
es sollten sämmtliche Landtage nach Berlin berufen werden, zur Con-
stituirung einer reichSständischen Verfassung.




Dritter Tag.

Heute bin ich unter die Politiker gekommen, und zwar unter
gut Unterrichtete, wie man zu sagen pflegt. Die Geschichte von be¬
absichtigter Constitution, welche man auswärts für ein Märchen
hielt, hat ihre vollkommene Richtigkeit. Der König selbst soll sie ver¬
faßt haben, und wenn man ihm nicht so dringend abgerathen, so
hätte er sie auch diesmal zur Eröffnung der Landtage gegeben. Das
Versprechen des Vaters einzulösen, sei ihm jetzt der wichtigste Ge¬
sichtspunkt. Er sei auch der Meinung, die Censur sei nicht mehr
haltbar und er lasse beim Bundestage ein Preßgcsetz beantragen,
welches auf Preßfreiheit und auf Strafen nach dem Druck begrün¬
det werde. Der Minorität beim Bundestage gewärtig, habe er vor¬
gehabt, deshalb doch nicht zurückzubleiben hinter solchen Absichten
und in Sachen der Justiz auch öffentliches und mündliches Verfah¬
ren zu bewilligen. Und wer ist gegen solche Maßregeln, welche
in ganz Deuschland mit Jubel aufgenommen sein würden? O, dar¬
über erzählt man sich natürlich die mannichfaltigsten Geschichten. Sie
in all ihren zum Theil ganz interessanten Details zu wiederholen,
fühle ich mich nicht berufen, denn es läuft da gewiß viel Abenteuer¬
liches, durch Klatscherei Uebertriebenes mitunter. Eine hohe Person
wird zum Mittelpunkte derartig Widerstrebender gemacht und einige
Minister werden insofern interessant geschildert, als sie bis zum letz¬
ten Augenblicke Nichts von dem geahnt, waS sich Neues bereite.
Man zweifelt nicht, daß die Verwirklichung vom Könige nur ver¬
schoben worden und bei jeder besondern Gelegenheit zu erwarten sei.
Ahnte er den unermeßlichen Jubel, welcher durch ganz Deutschland
seinem Namen und solchem Werke cntgcgenjauchzen würde, er über¬
wände gewiß leichter die Schwierigkeiten, welche allerdings mit einer
so entschlossenen Abwendung von herkömmlich gewordener Politik hal¬
ber Maßregeln verknüpft sein mögen. Ueber die Einführung hab'
ich zweierlei gehört; der Eine sagt: die Constitution ist vom Könige
bereits ausgearbeitet und soll verliehen werden. Der Andre sagt:
es sollten sämmtliche Landtage nach Berlin berufen werden, zur Con-
stituirung einer reichSständischen Verfassung.




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[0119] Dritter Tag. Heute bin ich unter die Politiker gekommen, und zwar unter gut Unterrichtete, wie man zu sagen pflegt. Die Geschichte von be¬ absichtigter Constitution, welche man auswärts für ein Märchen hielt, hat ihre vollkommene Richtigkeit. Der König selbst soll sie ver¬ faßt haben, und wenn man ihm nicht so dringend abgerathen, so hätte er sie auch diesmal zur Eröffnung der Landtage gegeben. Das Versprechen des Vaters einzulösen, sei ihm jetzt der wichtigste Ge¬ sichtspunkt. Er sei auch der Meinung, die Censur sei nicht mehr haltbar und er lasse beim Bundestage ein Preßgcsetz beantragen, welches auf Preßfreiheit und auf Strafen nach dem Druck begrün¬ det werde. Der Minorität beim Bundestage gewärtig, habe er vor¬ gehabt, deshalb doch nicht zurückzubleiben hinter solchen Absichten und in Sachen der Justiz auch öffentliches und mündliches Verfah¬ ren zu bewilligen. Und wer ist gegen solche Maßregeln, welche in ganz Deuschland mit Jubel aufgenommen sein würden? O, dar¬ über erzählt man sich natürlich die mannichfaltigsten Geschichten. Sie in all ihren zum Theil ganz interessanten Details zu wiederholen, fühle ich mich nicht berufen, denn es läuft da gewiß viel Abenteuer¬ liches, durch Klatscherei Uebertriebenes mitunter. Eine hohe Person wird zum Mittelpunkte derartig Widerstrebender gemacht und einige Minister werden insofern interessant geschildert, als sie bis zum letz¬ ten Augenblicke Nichts von dem geahnt, waS sich Neues bereite. Man zweifelt nicht, daß die Verwirklichung vom Könige nur ver¬ schoben worden und bei jeder besondern Gelegenheit zu erwarten sei. Ahnte er den unermeßlichen Jubel, welcher durch ganz Deutschland seinem Namen und solchem Werke cntgcgenjauchzen würde, er über¬ wände gewiß leichter die Schwierigkeiten, welche allerdings mit einer so entschlossenen Abwendung von herkömmlich gewordener Politik hal¬ ber Maßregeln verknüpft sein mögen. Ueber die Einführung hab' ich zweierlei gehört; der Eine sagt: die Constitution ist vom Könige bereits ausgearbeitet und soll verliehen werden. Der Andre sagt: es sollten sämmtliche Landtage nach Berlin berufen werden, zur Con- stituirung einer reichSständischen Verfassung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/119>, abgerufen am 27.04.2024.