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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Wanderungen durch München
Von einer Süddeutschen.



Mit dem Erscheinen des Helden von Deutschland rauschte gleich¬
sam der Vorhang auf vor dem Drama dieser Festtage. Bei der
Ankunft des Erzherzogs Karl, welcher seinen Sohn der Braut zu¬
führte, soll die erste Begrüßung des jungen Paares gar herzlich
gewesen sein. Den folgenden Abend großer Zapfenstreich. Gegen¬
über dem Postgebäude (weiland Palais der Grafen Döring mit
Nenaissancefa?abe, charakteristisch genug für unsre Zeit, die aus Pa¬
lästen Expeditionen macht) sah ich herunter auf die dunkclflutcnden
Köpfe. Es schwoll von Minute zu Minute, wie bei einer Ueber-
schwemmung. Nur einige Fenster der Residenz waren erleuchtet, an
denen kleine schwarze Gestalten auf und ab liefen, wie bei einem
chinesischen Schattenspiele.

Langsam nahte der Zug von vier Regimentern, uns Anfangs
nur durch den Widerschein bemerkbar. Zuerst wurde der erwähne
Schloßflügel geröthet, wie beim Sonnenniedergange. Dann goß sich
die Verklärung auch über das Standbild vom König Mar in
der Mitte des Platzes. ES ist ja auch wohl ein Fest des Sonnen¬
untergangs. Die Geschichte macht es dazu, wie das Alter des kai¬
serlichen Helden. Als die militärische Procession herankam, wohl
dreihundert Fackeln in den Händen der Unteroffiziere, die Musikchöre,
die Krieger alle, da wurde mir's warm im Herzen. Die Flammen
im Dunkeln, welche über die Waffen blitzten, -- mir erschien'S wie
ein Leichenzug für die Vorzeit. Drüben am Fenster die kleinen Sil¬
houetten auf dem Hintergrunde von Licht, als wenn unser Held aus
der fernen Vergangenheit geschaut würde.


Wanderungen durch München
Von einer Süddeutschen.



Mit dem Erscheinen des Helden von Deutschland rauschte gleich¬
sam der Vorhang auf vor dem Drama dieser Festtage. Bei der
Ankunft des Erzherzogs Karl, welcher seinen Sohn der Braut zu¬
führte, soll die erste Begrüßung des jungen Paares gar herzlich
gewesen sein. Den folgenden Abend großer Zapfenstreich. Gegen¬
über dem Postgebäude (weiland Palais der Grafen Döring mit
Nenaissancefa?abe, charakteristisch genug für unsre Zeit, die aus Pa¬
lästen Expeditionen macht) sah ich herunter auf die dunkclflutcnden
Köpfe. Es schwoll von Minute zu Minute, wie bei einer Ueber-
schwemmung. Nur einige Fenster der Residenz waren erleuchtet, an
denen kleine schwarze Gestalten auf und ab liefen, wie bei einem
chinesischen Schattenspiele.

Langsam nahte der Zug von vier Regimentern, uns Anfangs
nur durch den Widerschein bemerkbar. Zuerst wurde der erwähne
Schloßflügel geröthet, wie beim Sonnenniedergange. Dann goß sich
die Verklärung auch über das Standbild vom König Mar in
der Mitte des Platzes. ES ist ja auch wohl ein Fest des Sonnen¬
untergangs. Die Geschichte macht es dazu, wie das Alter des kai¬
serlichen Helden. Als die militärische Procession herankam, wohl
dreihundert Fackeln in den Händen der Unteroffiziere, die Musikchöre,
die Krieger alle, da wurde mir's warm im Herzen. Die Flammen
im Dunkeln, welche über die Waffen blitzten, — mir erschien'S wie
ein Leichenzug für die Vorzeit. Drüben am Fenster die kleinen Sil¬
houetten auf dem Hintergrunde von Licht, als wenn unser Held aus
der fernen Vergangenheit geschaut würde.


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[0155] Wanderungen durch München Von einer Süddeutschen. Mit dem Erscheinen des Helden von Deutschland rauschte gleich¬ sam der Vorhang auf vor dem Drama dieser Festtage. Bei der Ankunft des Erzherzogs Karl, welcher seinen Sohn der Braut zu¬ führte, soll die erste Begrüßung des jungen Paares gar herzlich gewesen sein. Den folgenden Abend großer Zapfenstreich. Gegen¬ über dem Postgebäude (weiland Palais der Grafen Döring mit Nenaissancefa?abe, charakteristisch genug für unsre Zeit, die aus Pa¬ lästen Expeditionen macht) sah ich herunter auf die dunkclflutcnden Köpfe. Es schwoll von Minute zu Minute, wie bei einer Ueber- schwemmung. Nur einige Fenster der Residenz waren erleuchtet, an denen kleine schwarze Gestalten auf und ab liefen, wie bei einem chinesischen Schattenspiele. Langsam nahte der Zug von vier Regimentern, uns Anfangs nur durch den Widerschein bemerkbar. Zuerst wurde der erwähne Schloßflügel geröthet, wie beim Sonnenniedergange. Dann goß sich die Verklärung auch über das Standbild vom König Mar in der Mitte des Platzes. ES ist ja auch wohl ein Fest des Sonnen¬ untergangs. Die Geschichte macht es dazu, wie das Alter des kai¬ serlichen Helden. Als die militärische Procession herankam, wohl dreihundert Fackeln in den Händen der Unteroffiziere, die Musikchöre, die Krieger alle, da wurde mir's warm im Herzen. Die Flammen im Dunkeln, welche über die Waffen blitzten, — mir erschien'S wie ein Leichenzug für die Vorzeit. Drüben am Fenster die kleinen Sil¬ houetten auf dem Hintergrunde von Licht, als wenn unser Held aus der fernen Vergangenheit geschaut würde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/155>, abgerufen am 27.04.2024.