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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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rattere. Dies Werk, das ich, um den Censurverfolgungen zu entge¬
hen, unter Bulwer's Namen schrieb, erscheint in gänzlich neuer Um¬
gestaltung. Eilfter Band: Novellen. Zwölfter Band: Briefe aus
Paris. Zweite vermehrte und vielfach veränderte Auflage.

Ich lege dies Unternehmen vertrauensvoll an das Herz meines
Volkes! Mögen diese Schriften versuchen, den Verstand und das
Gemüth anzusprechen, nicht in der Voraussetzung, belehren, entschei¬
den zu wollen, sondern in der, zu wecken und anzuregen! Neben die
großen Vorbilder des Geschmackes gestellt zu werden, fühlen sie sich
nicht berechtigt; aber dennoch sind sie der Beachtung würdig, weil ein
Theil des Gristes, der uns Alle bewegt, ein Hauch der Zeit, die uns
Alle umfängt, auch in sie übergegangen ist und nach Form und Aus¬
druck für die Zukunft in ihnen gerungen hat. Ein Spiegel der Zeit
sind diese Schriften, die Geschichte eines Lebenslaufes, der mühsam
hinanklomm den dornigen Pfad eines der Freiheit und der Schönheit
gewidmeten Daseins und der, zur Stunde angekommen im Alter des
reifenden Mannes, nie aufhören wird, Hand und Zunge, Feder und
Wort der Aufgabe seines Jahrhunderts zu widmen."


Karl Gutzkow.
III.
Aus Wien.
I.

Donau, Moldau und Elbe. -- Die Noth der Böhmen. -- Unterstützungen. --
Ein Gedicht von Saphir und seine Anwendung. -- Theater.

Aus Prag und ganz Böhmen erschallt einstimmiger Hülferuf,
der auch hier ein offenes Ohr findet, da man so glücklich war, dies¬
mal selbst verschont zu bleiben, und mit dem Schreck davonkam. Die
Donau hat zwar einzelne Theile des Weichbildes überschwemmt, allein
die Stadt blieb glücklicherweise verschont; nur der Prater glich einem
großen See, auf dem die Kahne zwischen den Bäumen gar stattlich
umhcrschissten. Die elegante Welt ließ sich indeß durch diese impro-
visirten Naumachien keinen Augenblick abhalten, die ersten hellen und
warmen Apriltage zu den üblichen Spazierfahrten in den Lnamns
el^pes Wiens zu benutzen, und ich habe in der That die hübschen
Anlagen noch niemals so reizend und einladend gesehen, als eben jetzt,
wo das Wasser bis an die große Allee hereinflutete, in welcher sich
Equipagen, Reiter und Fußgänger auf und ab bewegen. Dem reichen
Naturbilde, das der Prater in seinem grünen Frühlingsschmuckc dar¬
bietet, fehlt eben nur der klare Spiegel bläulicher Fluten, und dieser
mangelnde Reiz ward ihm nun durch das Austreten des Stromes
wenigstens auf einige Tage gewährt. Die Nachrichten aus Prag
und den Elbgegenden sind von der allertraurigsten Art. Auch viele


rattere. Dies Werk, das ich, um den Censurverfolgungen zu entge¬
hen, unter Bulwer's Namen schrieb, erscheint in gänzlich neuer Um¬
gestaltung. Eilfter Band: Novellen. Zwölfter Band: Briefe aus
Paris. Zweite vermehrte und vielfach veränderte Auflage.

Ich lege dies Unternehmen vertrauensvoll an das Herz meines
Volkes! Mögen diese Schriften versuchen, den Verstand und das
Gemüth anzusprechen, nicht in der Voraussetzung, belehren, entschei¬
den zu wollen, sondern in der, zu wecken und anzuregen! Neben die
großen Vorbilder des Geschmackes gestellt zu werden, fühlen sie sich
nicht berechtigt; aber dennoch sind sie der Beachtung würdig, weil ein
Theil des Gristes, der uns Alle bewegt, ein Hauch der Zeit, die uns
Alle umfängt, auch in sie übergegangen ist und nach Form und Aus¬
druck für die Zukunft in ihnen gerungen hat. Ein Spiegel der Zeit
sind diese Schriften, die Geschichte eines Lebenslaufes, der mühsam
hinanklomm den dornigen Pfad eines der Freiheit und der Schönheit
gewidmeten Daseins und der, zur Stunde angekommen im Alter des
reifenden Mannes, nie aufhören wird, Hand und Zunge, Feder und
Wort der Aufgabe seines Jahrhunderts zu widmen."


Karl Gutzkow.
III.
Aus Wien.
I.

Donau, Moldau und Elbe. — Die Noth der Böhmen. — Unterstützungen. —
Ein Gedicht von Saphir und seine Anwendung. — Theater.

Aus Prag und ganz Böhmen erschallt einstimmiger Hülferuf,
der auch hier ein offenes Ohr findet, da man so glücklich war, dies¬
mal selbst verschont zu bleiben, und mit dem Schreck davonkam. Die
Donau hat zwar einzelne Theile des Weichbildes überschwemmt, allein
die Stadt blieb glücklicherweise verschont; nur der Prater glich einem
großen See, auf dem die Kahne zwischen den Bäumen gar stattlich
umhcrschissten. Die elegante Welt ließ sich indeß durch diese impro-
visirten Naumachien keinen Augenblick abhalten, die ersten hellen und
warmen Apriltage zu den üblichen Spazierfahrten in den Lnamns
el^pes Wiens zu benutzen, und ich habe in der That die hübschen
Anlagen noch niemals so reizend und einladend gesehen, als eben jetzt,
wo das Wasser bis an die große Allee hereinflutete, in welcher sich
Equipagen, Reiter und Fußgänger auf und ab bewegen. Dem reichen
Naturbilde, das der Prater in seinem grünen Frühlingsschmuckc dar¬
bietet, fehlt eben nur der klare Spiegel bläulicher Fluten, und dieser
mangelnde Reiz ward ihm nun durch das Austreten des Stromes
wenigstens auf einige Tage gewährt. Die Nachrichten aus Prag
und den Elbgegenden sind von der allertraurigsten Art. Auch viele


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[0186] rattere. Dies Werk, das ich, um den Censurverfolgungen zu entge¬ hen, unter Bulwer's Namen schrieb, erscheint in gänzlich neuer Um¬ gestaltung. Eilfter Band: Novellen. Zwölfter Band: Briefe aus Paris. Zweite vermehrte und vielfach veränderte Auflage. Ich lege dies Unternehmen vertrauensvoll an das Herz meines Volkes! Mögen diese Schriften versuchen, den Verstand und das Gemüth anzusprechen, nicht in der Voraussetzung, belehren, entschei¬ den zu wollen, sondern in der, zu wecken und anzuregen! Neben die großen Vorbilder des Geschmackes gestellt zu werden, fühlen sie sich nicht berechtigt; aber dennoch sind sie der Beachtung würdig, weil ein Theil des Gristes, der uns Alle bewegt, ein Hauch der Zeit, die uns Alle umfängt, auch in sie übergegangen ist und nach Form und Aus¬ druck für die Zukunft in ihnen gerungen hat. Ein Spiegel der Zeit sind diese Schriften, die Geschichte eines Lebenslaufes, der mühsam hinanklomm den dornigen Pfad eines der Freiheit und der Schönheit gewidmeten Daseins und der, zur Stunde angekommen im Alter des reifenden Mannes, nie aufhören wird, Hand und Zunge, Feder und Wort der Aufgabe seines Jahrhunderts zu widmen." Karl Gutzkow. III. Aus Wien. I. Donau, Moldau und Elbe. — Die Noth der Böhmen. — Unterstützungen. — Ein Gedicht von Saphir und seine Anwendung. — Theater. Aus Prag und ganz Böhmen erschallt einstimmiger Hülferuf, der auch hier ein offenes Ohr findet, da man so glücklich war, dies¬ mal selbst verschont zu bleiben, und mit dem Schreck davonkam. Die Donau hat zwar einzelne Theile des Weichbildes überschwemmt, allein die Stadt blieb glücklicherweise verschont; nur der Prater glich einem großen See, auf dem die Kahne zwischen den Bäumen gar stattlich umhcrschissten. Die elegante Welt ließ sich indeß durch diese impro- visirten Naumachien keinen Augenblick abhalten, die ersten hellen und warmen Apriltage zu den üblichen Spazierfahrten in den Lnamns el^pes Wiens zu benutzen, und ich habe in der That die hübschen Anlagen noch niemals so reizend und einladend gesehen, als eben jetzt, wo das Wasser bis an die große Allee hereinflutete, in welcher sich Equipagen, Reiter und Fußgänger auf und ab bewegen. Dem reichen Naturbilde, das der Prater in seinem grünen Frühlingsschmuckc dar¬ bietet, fehlt eben nur der klare Spiegel bläulicher Fluten, und dieser mangelnde Reiz ward ihm nun durch das Austreten des Stromes wenigstens auf einige Tage gewährt. Die Nachrichten aus Prag und den Elbgegenden sind von der allertraurigsten Art. Auch viele

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/186>, abgerufen am 27.04.2024.