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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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IV.
Notizen.
"Deutschland und das deutsche Volk" von Dukter.

-- Bei Otto Wigand in Leipzig erscheint: "Deutschland
und das deutsche Volk in Schilderungen von Eduard
Dukter." Der Tittel klingt etwas abenteuerlich. Dukter beabsichtig',
ein organisches Lebensbild vom deutschen Volke in seinem nothwendi¬
gen Ausammenhange mit dem Grund und Boden, mit den Thalern
und Bergen, Wäldern und Auen, Strömen und Ouellen vor unseren
Augen aufzurollen, die Gegenwart darzustellen, wie sie mit festen
Wurzeln aus einer großen Vergangenheit hervorwächst und nur dann
zu einer segensreichen Zukunft erblühen kann, wenn diese Wurzeln mit
Liebe gehegt werden. -- An der Ausführung dieses Vorsatzes, so weit
sie in vier Lieferungen vorliegt, laßt sich der warme Patriotismus,
welchen der Verfasser seinen Schilderungen eingehaucht hat, nicht ver¬
kennen, wenn es auch mitunter scheinen will, als käme seine Vater¬
landsliebe mit der Rhetorik in einen Conflict, aus welchem letztere
siegreich hervorginge. Die Ausstattung ist elegant und unterscheidet
sich sehr vorteilhaft von dem gedankenlosen Illustrationsunwesen, das
eine unheilbare Modekrankheit geworden zu sein scheint. Dukter's Text
soll das geistige, Leben gebende Colorit zu den schönen Stahlstichen
liefern. -- Nur darf der Verfasser das Werk kein "Volksbuch" nen¬
nen; wie der Text bisher gehalten ist, kann er nur Genuß und Werth
für den publicistisch gebildeten Theil des deutschen Volkes haben.


Journalistische Situationen.

-- Einen tragikomischen Beitrag zu den verwirrten Zustanden
unserer Presse liefert die Situation, in welcher der Redacteur dieser
Blätter sich befindet. Seit Monaten werde ich in der "Europa" von
einem anonymen Correspondenten mit rohen Schmähungen verfolgt.
Nun könnte ich den Namen dieses Menschen nennen und ihn der ver¬
dienten Verachtung Preis geben -- ich darf es aber nicht, denn wohl-
gemerkt -- er ist Correspondent eines "ausländischen" Blattes und
die Nennung seines Namens würde eine Denunciation sein. Seiner¬
seits weiß dieser Patron, daß ich mich aus diesem Grunde, jeder An¬
spielung , die ihn verrathen könnte, enthalten muß, und beutet daher
seine ihm gesicherte Anonymität mit um so größerer Unverschämtheit
E. B. aus. Ist dies mehr lustig oder traurig?




Wcrlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
IV.
Notizen.
„Deutschland und das deutsche Volk" von Dukter.

— Bei Otto Wigand in Leipzig erscheint: „Deutschland
und das deutsche Volk in Schilderungen von Eduard
Dukter." Der Tittel klingt etwas abenteuerlich. Dukter beabsichtig',
ein organisches Lebensbild vom deutschen Volke in seinem nothwendi¬
gen Ausammenhange mit dem Grund und Boden, mit den Thalern
und Bergen, Wäldern und Auen, Strömen und Ouellen vor unseren
Augen aufzurollen, die Gegenwart darzustellen, wie sie mit festen
Wurzeln aus einer großen Vergangenheit hervorwächst und nur dann
zu einer segensreichen Zukunft erblühen kann, wenn diese Wurzeln mit
Liebe gehegt werden. — An der Ausführung dieses Vorsatzes, so weit
sie in vier Lieferungen vorliegt, laßt sich der warme Patriotismus,
welchen der Verfasser seinen Schilderungen eingehaucht hat, nicht ver¬
kennen, wenn es auch mitunter scheinen will, als käme seine Vater¬
landsliebe mit der Rhetorik in einen Conflict, aus welchem letztere
siegreich hervorginge. Die Ausstattung ist elegant und unterscheidet
sich sehr vorteilhaft von dem gedankenlosen Illustrationsunwesen, das
eine unheilbare Modekrankheit geworden zu sein scheint. Dukter's Text
soll das geistige, Leben gebende Colorit zu den schönen Stahlstichen
liefern. — Nur darf der Verfasser das Werk kein „Volksbuch" nen¬
nen; wie der Text bisher gehalten ist, kann er nur Genuß und Werth
für den publicistisch gebildeten Theil des deutschen Volkes haben.


Journalistische Situationen.

— Einen tragikomischen Beitrag zu den verwirrten Zustanden
unserer Presse liefert die Situation, in welcher der Redacteur dieser
Blätter sich befindet. Seit Monaten werde ich in der „Europa" von
einem anonymen Correspondenten mit rohen Schmähungen verfolgt.
Nun könnte ich den Namen dieses Menschen nennen und ihn der ver¬
dienten Verachtung Preis geben — ich darf es aber nicht, denn wohl-
gemerkt — er ist Correspondent eines „ausländischen" Blattes und
die Nennung seines Namens würde eine Denunciation sein. Seiner¬
seits weiß dieser Patron, daß ich mich aus diesem Grunde, jeder An¬
spielung , die ihn verrathen könnte, enthalten muß, und beutet daher
seine ihm gesicherte Anonymität mit um so größerer Unverschämtheit
E. B. aus. Ist dies mehr lustig oder traurig?




Wcrlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0288] IV. Notizen. „Deutschland und das deutsche Volk" von Dukter. — Bei Otto Wigand in Leipzig erscheint: „Deutschland und das deutsche Volk in Schilderungen von Eduard Dukter." Der Tittel klingt etwas abenteuerlich. Dukter beabsichtig', ein organisches Lebensbild vom deutschen Volke in seinem nothwendi¬ gen Ausammenhange mit dem Grund und Boden, mit den Thalern und Bergen, Wäldern und Auen, Strömen und Ouellen vor unseren Augen aufzurollen, die Gegenwart darzustellen, wie sie mit festen Wurzeln aus einer großen Vergangenheit hervorwächst und nur dann zu einer segensreichen Zukunft erblühen kann, wenn diese Wurzeln mit Liebe gehegt werden. — An der Ausführung dieses Vorsatzes, so weit sie in vier Lieferungen vorliegt, laßt sich der warme Patriotismus, welchen der Verfasser seinen Schilderungen eingehaucht hat, nicht ver¬ kennen, wenn es auch mitunter scheinen will, als käme seine Vater¬ landsliebe mit der Rhetorik in einen Conflict, aus welchem letztere siegreich hervorginge. Die Ausstattung ist elegant und unterscheidet sich sehr vorteilhaft von dem gedankenlosen Illustrationsunwesen, das eine unheilbare Modekrankheit geworden zu sein scheint. Dukter's Text soll das geistige, Leben gebende Colorit zu den schönen Stahlstichen liefern. — Nur darf der Verfasser das Werk kein „Volksbuch" nen¬ nen; wie der Text bisher gehalten ist, kann er nur Genuß und Werth für den publicistisch gebildeten Theil des deutschen Volkes haben. Journalistische Situationen. — Einen tragikomischen Beitrag zu den verwirrten Zustanden unserer Presse liefert die Situation, in welcher der Redacteur dieser Blätter sich befindet. Seit Monaten werde ich in der „Europa" von einem anonymen Correspondenten mit rohen Schmähungen verfolgt. Nun könnte ich den Namen dieses Menschen nennen und ihn der ver¬ dienten Verachtung Preis geben — ich darf es aber nicht, denn wohl- gemerkt — er ist Correspondent eines „ausländischen" Blattes und die Nennung seines Namens würde eine Denunciation sein. Seiner¬ seits weiß dieser Patron, daß ich mich aus diesem Grunde, jeder An¬ spielung , die ihn verrathen könnte, enthalten muß, und beutet daher seine ihm gesicherte Anonymität mit um so größerer Unverschämtheit E. B. aus. Ist dies mehr lustig oder traurig? Wcrlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/288>, abgerufen am 27.04.2024.