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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Bühne dargestellt zu sehen, konnte ihm wegen der Beurlaubung meh¬
rerer Schauspieler leider nicht erfüllt werden. Dafür nahm er Wag¬
ner's "Rienzi" in Augenschein, und bezeugte sein Wohlgefallen durch
lebhaften eigenhändigen Beifall. Das Theater war bei dieser glänzen¬
den Vorstellung gedrückt voll; man wollte den berühmten König sehen;
dock) ließ sich spater mehrfach die Aeußerung hören, der König von
Preußen habe nicht so ausgeschaut, wie unser neben ihm sitzender Kö¬
nig; nun, das sind wohl nur patriotische Ansichten?!

Für den noch in diesem Jahre bevorstehenden Landtag interessirt
uns zunächst die Wahl eines Stellvertreters für unsern Abgeordneten
Eisenstück. Wenn auch dieser, soweit es ihm nur irgend möglich ist,
seinen Stellvertreter nicht zur Wirksamkeit kommen läßt, so ist doch
dessen Wahl immerhin bedeutungsvoll, da sie die Richtung des öffent¬
lichen Zutrauens kennen lehrt. Es fallen in den Journalen bereits
kritische und antikritifche Artikel über die Befähigung der wahrschein¬
lichen Wahlcandidaten, die zumeist dem Stande der Sachwalter an¬
gehören; nach unsrer persönlichen Kenntniß der vorzugsweise Genann¬
ten würde sich noch am ersten der kürzlich von einem hiesigen Corre-
spondenten der Vaterlandsblätter ziemlich injuriös persiflirte Steucr-
procurtor Fleck, gegenwärtig wohl der erste Sachwalter Dresdens, zu
der Vertretung unseres Landtagsdeputirten eignen.

Außerdem erwartet man für die Lebensfrage der Umgestaltung
unseres Strasprocesses nach dem Princip der Oeffentlichkeit und Münd-
lichkeit eine günstige Wendung aus der Anstellung des Geheimrath von
Langenn, zeitherigen Erziehers des Prinzen Albert, als Director im
Justizministerium. Er war bisher ein Freund jedes wissenschaftlichen
Fortschrittes, und da unser Justizminister nach seinem beim letzten
Landtage der Opposition geleisteten Widerstände nicht leicht nachgeben
kann, so ließe sich die Sache vielleicht so vermitteln, daß Herr von
Könneritz entweder ein höchst wahrscheinlich noch vor Eröffnung des
Landtags vacant werdendes andres Portefeuille übernimmt, oder doch
während des Landtags sich beurlaubt, so daß durch Herrn von Lan¬
genn der Seiten der Regierung dem so entschieden und unwiderlegbar
aufgetretenen Geiste des Fortschrittes kaum noch vorzuenthaltende Ent¬
wurf einer auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit basirten Strafproce߬
ordnung den Ständen vorgelegt werden könnte. Doch sind dies eben
nur Wünsche, Hoffnungen der Opposition; denn freilich ein Blick
hinter die mysteriösen Vorhänge der grünen Tische ist dem Laien nicht
vergönnt. *


III.
Hamburger Journalistik.

Es gibt vielleicht nicht sobald wieder einen Platz von der Be¬
deutung wie Hamburg, der literarischen Bestrebungen so wenig Auf-


Bühne dargestellt zu sehen, konnte ihm wegen der Beurlaubung meh¬
rerer Schauspieler leider nicht erfüllt werden. Dafür nahm er Wag¬
ner's „Rienzi" in Augenschein, und bezeugte sein Wohlgefallen durch
lebhaften eigenhändigen Beifall. Das Theater war bei dieser glänzen¬
den Vorstellung gedrückt voll; man wollte den berühmten König sehen;
dock) ließ sich spater mehrfach die Aeußerung hören, der König von
Preußen habe nicht so ausgeschaut, wie unser neben ihm sitzender Kö¬
nig; nun, das sind wohl nur patriotische Ansichten?!

Für den noch in diesem Jahre bevorstehenden Landtag interessirt
uns zunächst die Wahl eines Stellvertreters für unsern Abgeordneten
Eisenstück. Wenn auch dieser, soweit es ihm nur irgend möglich ist,
seinen Stellvertreter nicht zur Wirksamkeit kommen läßt, so ist doch
dessen Wahl immerhin bedeutungsvoll, da sie die Richtung des öffent¬
lichen Zutrauens kennen lehrt. Es fallen in den Journalen bereits
kritische und antikritifche Artikel über die Befähigung der wahrschein¬
lichen Wahlcandidaten, die zumeist dem Stande der Sachwalter an¬
gehören; nach unsrer persönlichen Kenntniß der vorzugsweise Genann¬
ten würde sich noch am ersten der kürzlich von einem hiesigen Corre-
spondenten der Vaterlandsblätter ziemlich injuriös persiflirte Steucr-
procurtor Fleck, gegenwärtig wohl der erste Sachwalter Dresdens, zu
der Vertretung unseres Landtagsdeputirten eignen.

Außerdem erwartet man für die Lebensfrage der Umgestaltung
unseres Strasprocesses nach dem Princip der Oeffentlichkeit und Münd-
lichkeit eine günstige Wendung aus der Anstellung des Geheimrath von
Langenn, zeitherigen Erziehers des Prinzen Albert, als Director im
Justizministerium. Er war bisher ein Freund jedes wissenschaftlichen
Fortschrittes, und da unser Justizminister nach seinem beim letzten
Landtage der Opposition geleisteten Widerstände nicht leicht nachgeben
kann, so ließe sich die Sache vielleicht so vermitteln, daß Herr von
Könneritz entweder ein höchst wahrscheinlich noch vor Eröffnung des
Landtags vacant werdendes andres Portefeuille übernimmt, oder doch
während des Landtags sich beurlaubt, so daß durch Herrn von Lan¬
genn der Seiten der Regierung dem so entschieden und unwiderlegbar
aufgetretenen Geiste des Fortschrittes kaum noch vorzuenthaltende Ent¬
wurf einer auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit basirten Strafproce߬
ordnung den Ständen vorgelegt werden könnte. Doch sind dies eben
nur Wünsche, Hoffnungen der Opposition; denn freilich ein Blick
hinter die mysteriösen Vorhänge der grünen Tische ist dem Laien nicht
vergönnt. *


III.
Hamburger Journalistik.

Es gibt vielleicht nicht sobald wieder einen Platz von der Be¬
deutung wie Hamburg, der literarischen Bestrebungen so wenig Auf-


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[0319] Bühne dargestellt zu sehen, konnte ihm wegen der Beurlaubung meh¬ rerer Schauspieler leider nicht erfüllt werden. Dafür nahm er Wag¬ ner's „Rienzi" in Augenschein, und bezeugte sein Wohlgefallen durch lebhaften eigenhändigen Beifall. Das Theater war bei dieser glänzen¬ den Vorstellung gedrückt voll; man wollte den berühmten König sehen; dock) ließ sich spater mehrfach die Aeußerung hören, der König von Preußen habe nicht so ausgeschaut, wie unser neben ihm sitzender Kö¬ nig; nun, das sind wohl nur patriotische Ansichten?! Für den noch in diesem Jahre bevorstehenden Landtag interessirt uns zunächst die Wahl eines Stellvertreters für unsern Abgeordneten Eisenstück. Wenn auch dieser, soweit es ihm nur irgend möglich ist, seinen Stellvertreter nicht zur Wirksamkeit kommen läßt, so ist doch dessen Wahl immerhin bedeutungsvoll, da sie die Richtung des öffent¬ lichen Zutrauens kennen lehrt. Es fallen in den Journalen bereits kritische und antikritifche Artikel über die Befähigung der wahrschein¬ lichen Wahlcandidaten, die zumeist dem Stande der Sachwalter an¬ gehören; nach unsrer persönlichen Kenntniß der vorzugsweise Genann¬ ten würde sich noch am ersten der kürzlich von einem hiesigen Corre- spondenten der Vaterlandsblätter ziemlich injuriös persiflirte Steucr- procurtor Fleck, gegenwärtig wohl der erste Sachwalter Dresdens, zu der Vertretung unseres Landtagsdeputirten eignen. Außerdem erwartet man für die Lebensfrage der Umgestaltung unseres Strasprocesses nach dem Princip der Oeffentlichkeit und Münd- lichkeit eine günstige Wendung aus der Anstellung des Geheimrath von Langenn, zeitherigen Erziehers des Prinzen Albert, als Director im Justizministerium. Er war bisher ein Freund jedes wissenschaftlichen Fortschrittes, und da unser Justizminister nach seinem beim letzten Landtage der Opposition geleisteten Widerstände nicht leicht nachgeben kann, so ließe sich die Sache vielleicht so vermitteln, daß Herr von Könneritz entweder ein höchst wahrscheinlich noch vor Eröffnung des Landtags vacant werdendes andres Portefeuille übernimmt, oder doch während des Landtags sich beurlaubt, so daß durch Herrn von Lan¬ genn der Seiten der Regierung dem so entschieden und unwiderlegbar aufgetretenen Geiste des Fortschrittes kaum noch vorzuenthaltende Ent¬ wurf einer auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit basirten Strafproce߬ ordnung den Ständen vorgelegt werden könnte. Doch sind dies eben nur Wünsche, Hoffnungen der Opposition; denn freilich ein Blick hinter die mysteriösen Vorhänge der grünen Tische ist dem Laien nicht vergönnt. * III. Hamburger Journalistik. Es gibt vielleicht nicht sobald wieder einen Platz von der Be¬ deutung wie Hamburg, der literarischen Bestrebungen so wenig Auf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/319>, abgerufen am 27.04.2024.