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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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fliegende Fähren aufgestellt, es ist eine Pontonbrücke geschlagen wor¬
den, außerdem sind Dampfboot und Gondeln ununterbrochen mit
Uebersetzen beschäftigt, aber dennoch ist die Hemmung des Verkehrs
bedeutend und drückend fühlbar. Das Dampfboot hatte wahrend fünf
und eines halben Tages die runde Summe von vierzigtausend Passa¬
gieren befördert, trotz dem, daß nur wahrend eines jener Tage die
Pontonbrücke noch nicht vollendet war. Es laßt sich hieraus ein nu¬
merischer Maßstab für die Frequenz des ungehemmten Verkehrs über
die Elbbrücke bilden. Bei der in den letzten Tagen erfolgten Unter¬
suchung des beschädigten Bogens soll dessen gänzliche Abtragung oder
Sprengung als unerläßlich sich herausgestellt haben, und gleiche Noth¬
wendigkeit befürchtet man noch für andere Theile der Brücke. Hierbei
rächt sich wieder einmal die Saumseligkeit unserer städtischen Behörden
auf eine freilich in ihrer Empfindlichkeit hauptsächlich nur auf die Ein¬
wohnerschaft zurückfallende Weise; denn bei dem seit Menschengeden-
ken niedrigsten Wasserstande im Jahre 1842 waren starke Beschädi¬
gungen und namentlich Unterwaschungen mehrerer Pfeiler wahrgenom¬
men und zur officiellen Kenntniß der betreffenden städtischen Behörde
gebracht worden, nichts destoroeniger aber war etwas Ernstliches in
jener zu einem Wasserbau günstigen Zeit nicht geschehen.

Diese leidige Brückencalamitat hat in der letzten Zeit alle ande¬
ren Interessen unserer Stadt gedämpft; man streitet sich nicht mehr
über die Stelle des böhmischen Eisenbahnhofes; die Begeisterung für
Norge ist stiller geworden. Die Journale hatten diesen letzteren Stoff
in der That nein umoro ausgebeutet, ja die Vaterlandsblätter sind
gegenwärtig fast ausschließlich deutsch-katholisch. Uebrigens ist die con-
fessionelle Spannung keineswegs gelöst oder geschwächt, man harrt be¬
gierigst des bevorstehenden Landtags, von welchem man die gesetzliche
Anerkennung der neuen Kirche erwartet; wird diese ausgesprochen, dann
dürfte vielleicht namentlich aus den Reihen der Staatsdiener gar man¬
cher bis jetzt noch zurückgehaltene Uebertritt erfolgen. Auch der Bun¬
destag, erzählt man sich, wolle die deutsch-katholische Frage einer sorg¬
fältigen Prüfung unterwerfen, doch kann man dabei nicht umhin,
achselzuckend hinzuzufügen: ^"1 Citlüncl.'is tZrirecits! Die Neise des
Prinzen Johann nach München, von wo die Hochverrathserklarung
gegen die katholischen Separatisten erschollen ist, wird gleichfalls mit
der Kirchenfrage in Verbindung gebracht.

Wir selbst hatten vor einigen Wochen in unserer Residenz den
Besuch des Königs von Preußen. Er machte gleich bei seiner Ankunft
den Grundsatz! 1>rire"5N8 lexe sulutus oft geltend, indem er im schar¬
fen Trabe über die beschädigte Brücke fuhr, während sich selbst unser
König der bestehenden polizeilichen Anordnung, daß alles Fuhrwerk
nur im Schritte passiren durfte, unterworfen hatte. Der Wunsch
des königlichen Gastes, Gutzkow's "Zopf und Schwert" auf unserer


fliegende Fähren aufgestellt, es ist eine Pontonbrücke geschlagen wor¬
den, außerdem sind Dampfboot und Gondeln ununterbrochen mit
Uebersetzen beschäftigt, aber dennoch ist die Hemmung des Verkehrs
bedeutend und drückend fühlbar. Das Dampfboot hatte wahrend fünf
und eines halben Tages die runde Summe von vierzigtausend Passa¬
gieren befördert, trotz dem, daß nur wahrend eines jener Tage die
Pontonbrücke noch nicht vollendet war. Es laßt sich hieraus ein nu¬
merischer Maßstab für die Frequenz des ungehemmten Verkehrs über
die Elbbrücke bilden. Bei der in den letzten Tagen erfolgten Unter¬
suchung des beschädigten Bogens soll dessen gänzliche Abtragung oder
Sprengung als unerläßlich sich herausgestellt haben, und gleiche Noth¬
wendigkeit befürchtet man noch für andere Theile der Brücke. Hierbei
rächt sich wieder einmal die Saumseligkeit unserer städtischen Behörden
auf eine freilich in ihrer Empfindlichkeit hauptsächlich nur auf die Ein¬
wohnerschaft zurückfallende Weise; denn bei dem seit Menschengeden-
ken niedrigsten Wasserstande im Jahre 1842 waren starke Beschädi¬
gungen und namentlich Unterwaschungen mehrerer Pfeiler wahrgenom¬
men und zur officiellen Kenntniß der betreffenden städtischen Behörde
gebracht worden, nichts destoroeniger aber war etwas Ernstliches in
jener zu einem Wasserbau günstigen Zeit nicht geschehen.

Diese leidige Brückencalamitat hat in der letzten Zeit alle ande¬
ren Interessen unserer Stadt gedämpft; man streitet sich nicht mehr
über die Stelle des böhmischen Eisenbahnhofes; die Begeisterung für
Norge ist stiller geworden. Die Journale hatten diesen letzteren Stoff
in der That nein umoro ausgebeutet, ja die Vaterlandsblätter sind
gegenwärtig fast ausschließlich deutsch-katholisch. Uebrigens ist die con-
fessionelle Spannung keineswegs gelöst oder geschwächt, man harrt be¬
gierigst des bevorstehenden Landtags, von welchem man die gesetzliche
Anerkennung der neuen Kirche erwartet; wird diese ausgesprochen, dann
dürfte vielleicht namentlich aus den Reihen der Staatsdiener gar man¬
cher bis jetzt noch zurückgehaltene Uebertritt erfolgen. Auch der Bun¬
destag, erzählt man sich, wolle die deutsch-katholische Frage einer sorg¬
fältigen Prüfung unterwerfen, doch kann man dabei nicht umhin,
achselzuckend hinzuzufügen: ^«1 Citlüncl.'is tZrirecits! Die Neise des
Prinzen Johann nach München, von wo die Hochverrathserklarung
gegen die katholischen Separatisten erschollen ist, wird gleichfalls mit
der Kirchenfrage in Verbindung gebracht.

Wir selbst hatten vor einigen Wochen in unserer Residenz den
Besuch des Königs von Preußen. Er machte gleich bei seiner Ankunft
den Grundsatz! 1>rire«5N8 lexe sulutus oft geltend, indem er im schar¬
fen Trabe über die beschädigte Brücke fuhr, während sich selbst unser
König der bestehenden polizeilichen Anordnung, daß alles Fuhrwerk
nur im Schritte passiren durfte, unterworfen hatte. Der Wunsch
des königlichen Gastes, Gutzkow's „Zopf und Schwert" auf unserer


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[0318] fliegende Fähren aufgestellt, es ist eine Pontonbrücke geschlagen wor¬ den, außerdem sind Dampfboot und Gondeln ununterbrochen mit Uebersetzen beschäftigt, aber dennoch ist die Hemmung des Verkehrs bedeutend und drückend fühlbar. Das Dampfboot hatte wahrend fünf und eines halben Tages die runde Summe von vierzigtausend Passa¬ gieren befördert, trotz dem, daß nur wahrend eines jener Tage die Pontonbrücke noch nicht vollendet war. Es laßt sich hieraus ein nu¬ merischer Maßstab für die Frequenz des ungehemmten Verkehrs über die Elbbrücke bilden. Bei der in den letzten Tagen erfolgten Unter¬ suchung des beschädigten Bogens soll dessen gänzliche Abtragung oder Sprengung als unerläßlich sich herausgestellt haben, und gleiche Noth¬ wendigkeit befürchtet man noch für andere Theile der Brücke. Hierbei rächt sich wieder einmal die Saumseligkeit unserer städtischen Behörden auf eine freilich in ihrer Empfindlichkeit hauptsächlich nur auf die Ein¬ wohnerschaft zurückfallende Weise; denn bei dem seit Menschengeden- ken niedrigsten Wasserstande im Jahre 1842 waren starke Beschädi¬ gungen und namentlich Unterwaschungen mehrerer Pfeiler wahrgenom¬ men und zur officiellen Kenntniß der betreffenden städtischen Behörde gebracht worden, nichts destoroeniger aber war etwas Ernstliches in jener zu einem Wasserbau günstigen Zeit nicht geschehen. Diese leidige Brückencalamitat hat in der letzten Zeit alle ande¬ ren Interessen unserer Stadt gedämpft; man streitet sich nicht mehr über die Stelle des böhmischen Eisenbahnhofes; die Begeisterung für Norge ist stiller geworden. Die Journale hatten diesen letzteren Stoff in der That nein umoro ausgebeutet, ja die Vaterlandsblätter sind gegenwärtig fast ausschließlich deutsch-katholisch. Uebrigens ist die con- fessionelle Spannung keineswegs gelöst oder geschwächt, man harrt be¬ gierigst des bevorstehenden Landtags, von welchem man die gesetzliche Anerkennung der neuen Kirche erwartet; wird diese ausgesprochen, dann dürfte vielleicht namentlich aus den Reihen der Staatsdiener gar man¬ cher bis jetzt noch zurückgehaltene Uebertritt erfolgen. Auch der Bun¬ destag, erzählt man sich, wolle die deutsch-katholische Frage einer sorg¬ fältigen Prüfung unterwerfen, doch kann man dabei nicht umhin, achselzuckend hinzuzufügen: ^«1 Citlüncl.'is tZrirecits! Die Neise des Prinzen Johann nach München, von wo die Hochverrathserklarung gegen die katholischen Separatisten erschollen ist, wird gleichfalls mit der Kirchenfrage in Verbindung gebracht. Wir selbst hatten vor einigen Wochen in unserer Residenz den Besuch des Königs von Preußen. Er machte gleich bei seiner Ankunft den Grundsatz! 1>rire«5N8 lexe sulutus oft geltend, indem er im schar¬ fen Trabe über die beschädigte Brücke fuhr, während sich selbst unser König der bestehenden polizeilichen Anordnung, daß alles Fuhrwerk nur im Schritte passiren durfte, unterworfen hatte. Der Wunsch des königlichen Gastes, Gutzkow's „Zopf und Schwert" auf unserer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/318>, abgerufen am 09.05.2024.