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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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damit sie überhaupt nur besprochen werden können. Den der Unter¬
haltungsliteratur gewidmeten Raum füllt er mit Nachdrucker und
Uebersetzungen, gibt sodann eine Art Polizeichronik, wie sich dort Einer
betrunken, hier ein Paar Eheleute sich geprügelt haben, und das Alles
mit entsetzlich haben Witzeleien. Seine sonstigen Hamburger Berichte
sind in der letzten Zeit etwas besser und ausführlicher geworden, die
besten, die man in Hamburger Blattern selbst lesen kann. Zum Schluß
kommen Theater-Recensionen und in althergebrachter Weise Charaden
und Räthsel. Im Ganzen hat das Blatt keinen besondern Werth.
Noch weniger laßt sich das vom Beobachter sagen, der fast dieselbe in¬
nere Eintheilung hat, nur noch mehr nachdruckt und in jeder Hinsicht un¬
bedeutender ist. Sodann gibt es einen Tagwächtcr und einen Er¬
zähler. Beide Blätter könnten zwar darum streiten, wem von ihnen
die Palme der Jämmerlichkeit gebühre, dennoch ist es mir ungreiflich,
wie namentlich letzteres noch eristirt. Freilich erscheint es auch nur
alle Woche auf einem halben Bogen elenden Papiers und noch schlech¬
tem Drucks. -- Bei weitem anständiger ist das "neue Hambur¬
ger Wochenblatt," das erst seit Anfang diesrs Jahres besteht.
Es füllt seinen Raum zum größten Theil wenigstens mit eigenen Ar¬
tikeln aus, hat auch schon manchen guten Aufsatz gegeben, im Allge¬
meinen jedoch noch nichts Besonderes geleistet. Eigenthümlich sind die
"neuen Hamburgischen Blatter" deren Raum erclusiv innern
Angelegenheiten, wenn gleich ziemlich planlos gewidmet ist. In neue¬
rer Zeit ist es fast einzig zu einem gedruckten Protocoll der sogenann¬
ten patriotischen Gesellschaft geworden, eines zur Förderung des Ge¬
meinwohls gestifteten Privatvereins, an dem übrigens die tüchtigsten
Kräfte Hamburgs theilnehmen.

Hier haben Sie nun ein möglichst vollständiges, wenn gleich we¬
nig erfreuliches Bild unserer gesammten Journalistik; hier und da sind
freilich Keime zum Bessern vorhanden, und ich glaube wohl, daß sie
bei vermindertem Censurdruck sich entwickeln könnten. Uebrigens ist
es vielleicht nicht ganz unzweckmäßig, wenn ich hiermit feierlich erkläre,
daß ich mit keinem Hamburgischen Blatte oder Redacteur eines Ham¬
burgischen Blattes in irgend welcher Verbindung stehe oder gestanden
habe, daß mir also jedes persönliche Motiv fehlt, das auf mein Urtheil
Einfluß ausüben könnte.


Des Weilchens Grab.
IV.
Notizen.
'

Gedichte eines Oesterreichers. -- Schramms Album. -- Geistlichkeit der deut¬
schen Polizei. -- Militärische Heldenthat im Frieden. -- Neue Art von Büh¬
nenkrankheit. -- Herr von Lämel und Herr von Lämmerl.-- Der Schriftstel-
erstand. -- Hamburger Theatralia. -- Nationalgeschichten und Dorfgeschich¬
ten. -- Napoleon und Marie Louise.

Ein ganz liebenswürdiges lyrisches Talent verrathen die bei
Brockhaus erschienenen "Gedichte eines Oesterreichers" (von Albert


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damit sie überhaupt nur besprochen werden können. Den der Unter¬
haltungsliteratur gewidmeten Raum füllt er mit Nachdrucker und
Uebersetzungen, gibt sodann eine Art Polizeichronik, wie sich dort Einer
betrunken, hier ein Paar Eheleute sich geprügelt haben, und das Alles
mit entsetzlich haben Witzeleien. Seine sonstigen Hamburger Berichte
sind in der letzten Zeit etwas besser und ausführlicher geworden, die
besten, die man in Hamburger Blattern selbst lesen kann. Zum Schluß
kommen Theater-Recensionen und in althergebrachter Weise Charaden
und Räthsel. Im Ganzen hat das Blatt keinen besondern Werth.
Noch weniger laßt sich das vom Beobachter sagen, der fast dieselbe in¬
nere Eintheilung hat, nur noch mehr nachdruckt und in jeder Hinsicht un¬
bedeutender ist. Sodann gibt es einen Tagwächtcr und einen Er¬
zähler. Beide Blätter könnten zwar darum streiten, wem von ihnen
die Palme der Jämmerlichkeit gebühre, dennoch ist es mir ungreiflich,
wie namentlich letzteres noch eristirt. Freilich erscheint es auch nur
alle Woche auf einem halben Bogen elenden Papiers und noch schlech¬
tem Drucks. — Bei weitem anständiger ist das „neue Hambur¬
ger Wochenblatt," das erst seit Anfang diesrs Jahres besteht.
Es füllt seinen Raum zum größten Theil wenigstens mit eigenen Ar¬
tikeln aus, hat auch schon manchen guten Aufsatz gegeben, im Allge¬
meinen jedoch noch nichts Besonderes geleistet. Eigenthümlich sind die
„neuen Hamburgischen Blatter" deren Raum erclusiv innern
Angelegenheiten, wenn gleich ziemlich planlos gewidmet ist. In neue¬
rer Zeit ist es fast einzig zu einem gedruckten Protocoll der sogenann¬
ten patriotischen Gesellschaft geworden, eines zur Förderung des Ge¬
meinwohls gestifteten Privatvereins, an dem übrigens die tüchtigsten
Kräfte Hamburgs theilnehmen.

Hier haben Sie nun ein möglichst vollständiges, wenn gleich we¬
nig erfreuliches Bild unserer gesammten Journalistik; hier und da sind
freilich Keime zum Bessern vorhanden, und ich glaube wohl, daß sie
bei vermindertem Censurdruck sich entwickeln könnten. Uebrigens ist
es vielleicht nicht ganz unzweckmäßig, wenn ich hiermit feierlich erkläre,
daß ich mit keinem Hamburgischen Blatte oder Redacteur eines Ham¬
burgischen Blattes in irgend welcher Verbindung stehe oder gestanden
habe, daß mir also jedes persönliche Motiv fehlt, das auf mein Urtheil
Einfluß ausüben könnte.


Des Weilchens Grab.
IV.
Notizen.
'

Gedichte eines Oesterreichers. — Schramms Album. — Geistlichkeit der deut¬
schen Polizei. — Militärische Heldenthat im Frieden. — Neue Art von Büh¬
nenkrankheit. — Herr von Lämel und Herr von Lämmerl.— Der Schriftstel-
erstand. — Hamburger Theatralia. — Nationalgeschichten und Dorfgeschich¬
ten. — Napoleon und Marie Louise.

Ein ganz liebenswürdiges lyrisches Talent verrathen die bei
Brockhaus erschienenen „Gedichte eines Oesterreichers" (von Albert


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[0323] damit sie überhaupt nur besprochen werden können. Den der Unter¬ haltungsliteratur gewidmeten Raum füllt er mit Nachdrucker und Uebersetzungen, gibt sodann eine Art Polizeichronik, wie sich dort Einer betrunken, hier ein Paar Eheleute sich geprügelt haben, und das Alles mit entsetzlich haben Witzeleien. Seine sonstigen Hamburger Berichte sind in der letzten Zeit etwas besser und ausführlicher geworden, die besten, die man in Hamburger Blattern selbst lesen kann. Zum Schluß kommen Theater-Recensionen und in althergebrachter Weise Charaden und Räthsel. Im Ganzen hat das Blatt keinen besondern Werth. Noch weniger laßt sich das vom Beobachter sagen, der fast dieselbe in¬ nere Eintheilung hat, nur noch mehr nachdruckt und in jeder Hinsicht un¬ bedeutender ist. Sodann gibt es einen Tagwächtcr und einen Er¬ zähler. Beide Blätter könnten zwar darum streiten, wem von ihnen die Palme der Jämmerlichkeit gebühre, dennoch ist es mir ungreiflich, wie namentlich letzteres noch eristirt. Freilich erscheint es auch nur alle Woche auf einem halben Bogen elenden Papiers und noch schlech¬ tem Drucks. — Bei weitem anständiger ist das „neue Hambur¬ ger Wochenblatt," das erst seit Anfang diesrs Jahres besteht. Es füllt seinen Raum zum größten Theil wenigstens mit eigenen Ar¬ tikeln aus, hat auch schon manchen guten Aufsatz gegeben, im Allge¬ meinen jedoch noch nichts Besonderes geleistet. Eigenthümlich sind die „neuen Hamburgischen Blatter" deren Raum erclusiv innern Angelegenheiten, wenn gleich ziemlich planlos gewidmet ist. In neue¬ rer Zeit ist es fast einzig zu einem gedruckten Protocoll der sogenann¬ ten patriotischen Gesellschaft geworden, eines zur Förderung des Ge¬ meinwohls gestifteten Privatvereins, an dem übrigens die tüchtigsten Kräfte Hamburgs theilnehmen. Hier haben Sie nun ein möglichst vollständiges, wenn gleich we¬ nig erfreuliches Bild unserer gesammten Journalistik; hier und da sind freilich Keime zum Bessern vorhanden, und ich glaube wohl, daß sie bei vermindertem Censurdruck sich entwickeln könnten. Uebrigens ist es vielleicht nicht ganz unzweckmäßig, wenn ich hiermit feierlich erkläre, daß ich mit keinem Hamburgischen Blatte oder Redacteur eines Ham¬ burgischen Blattes in irgend welcher Verbindung stehe oder gestanden habe, daß mir also jedes persönliche Motiv fehlt, das auf mein Urtheil Einfluß ausüben könnte. Des Weilchens Grab. IV. Notizen. ' Gedichte eines Oesterreichers. — Schramms Album. — Geistlichkeit der deut¬ schen Polizei. — Militärische Heldenthat im Frieden. — Neue Art von Büh¬ nenkrankheit. — Herr von Lämel und Herr von Lämmerl.— Der Schriftstel- erstand. — Hamburger Theatralia. — Nationalgeschichten und Dorfgeschich¬ ten. — Napoleon und Marie Louise. Ein ganz liebenswürdiges lyrisches Talent verrathen die bei Brockhaus erschienenen „Gedichte eines Oesterreichers" (von Albert 41»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/323>, abgerufen am 27.04.2024.