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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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paßt! zu. Sich ein recht würdiges Ansehen gebend, begann er end¬
lich den langen Sermon, der aus Scherz und Frömmigkeit recht naiv
zusammengesetzt war. Am Schlüsse desselben ließ er den Bauherrn
sammt seinem Ehegespiel, alle künstigen Besitzer des Hauses und alle
diejenigen leben, die darin ein-und ausgehen würden. Dann brachte
er dem Meister, der ganzen Zunft, sämmtlichen schönen Jungfern und
den Zuhörern ein kräftiges Hoch! wobei Nichnke niemals verfehlte,
die Flasche an den Mund zu führen und ihren Inhalt über die
Lippen glucksen zu lassen. Staunend sahen ihm die Andern zu, und
Peter Balling rief:

-- Verflirte Kerls sind'S, die Zimmergesellen! Sie bringen nur
darum so viele Gesundheiten aus, um öfter eiuen Schluck nehmen
zu können.

-- Sehre wahr, Rejenschpurjer! stimmte der Sachse bei. Doch
wundr' ich mich nur, daß se sich nich krank trinken bei den vielen
Gesundheeten.

Schallendes Gelächter folgte diesem Witz, indeß Niehnke ließ
sich durchaus nicht stören. Er brachte die Slrohflasche zum Schluß
noch einmal an den Mund, allein -- ob er das Haupt auch immer
tiefer in den Nacken überbog -- kein Tropfen benetzte ihm die Lip¬
pen... der schone Quell war versiegt. Nachdem er, um ganz sicher
zu sein, das Gefäß tüchtig geschüttelt hatte, gab er es dem Buchbin¬
der zurück, und stieg vom Steinhaufen herunter. Der Regensburger
reichte ihm sogleich die Hand. Er gestand sein Unrecht, lobte den
Spruch des Gesellen, und sprach: Maurer und Zimmerleute gehören
zusammen, als die beiden ersten Zünfte, und es gebührt sich, daß sie
gute Freundschaft halten.

Peter Balling und der Cöpcnicker umarmten sich; sie küßten sich
rechts und links den Mund. Nächstdem geschah dasselbe zwischen
dem Letztern und Fritz Leese, und endlich mußte auch der Parchwitzer
daran, der sich nur ungern dem brüderlichen Dank des Erhitzten zu
überlassen schien.




Drittes Capitel.

Im Glanz der Abendsonne sahen unsere Wunderer, als sie den
Gipfel eines Berges erreicht hatten, die Stadt Scebrück unten im
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paßt! zu. Sich ein recht würdiges Ansehen gebend, begann er end¬
lich den langen Sermon, der aus Scherz und Frömmigkeit recht naiv
zusammengesetzt war. Am Schlüsse desselben ließ er den Bauherrn
sammt seinem Ehegespiel, alle künstigen Besitzer des Hauses und alle
diejenigen leben, die darin ein-und ausgehen würden. Dann brachte
er dem Meister, der ganzen Zunft, sämmtlichen schönen Jungfern und
den Zuhörern ein kräftiges Hoch! wobei Nichnke niemals verfehlte,
die Flasche an den Mund zu führen und ihren Inhalt über die
Lippen glucksen zu lassen. Staunend sahen ihm die Andern zu, und
Peter Balling rief:

— Verflirte Kerls sind'S, die Zimmergesellen! Sie bringen nur
darum so viele Gesundheiten aus, um öfter eiuen Schluck nehmen
zu können.

— Sehre wahr, Rejenschpurjer! stimmte der Sachse bei. Doch
wundr' ich mich nur, daß se sich nich krank trinken bei den vielen
Gesundheeten.

Schallendes Gelächter folgte diesem Witz, indeß Niehnke ließ
sich durchaus nicht stören. Er brachte die Slrohflasche zum Schluß
noch einmal an den Mund, allein — ob er das Haupt auch immer
tiefer in den Nacken überbog — kein Tropfen benetzte ihm die Lip¬
pen... der schone Quell war versiegt. Nachdem er, um ganz sicher
zu sein, das Gefäß tüchtig geschüttelt hatte, gab er es dem Buchbin¬
der zurück, und stieg vom Steinhaufen herunter. Der Regensburger
reichte ihm sogleich die Hand. Er gestand sein Unrecht, lobte den
Spruch des Gesellen, und sprach: Maurer und Zimmerleute gehören
zusammen, als die beiden ersten Zünfte, und es gebührt sich, daß sie
gute Freundschaft halten.

Peter Balling und der Cöpcnicker umarmten sich; sie küßten sich
rechts und links den Mund. Nächstdem geschah dasselbe zwischen
dem Letztern und Fritz Leese, und endlich mußte auch der Parchwitzer
daran, der sich nur ungern dem brüderlichen Dank des Erhitzten zu
überlassen schien.




Drittes Capitel.

Im Glanz der Abendsonne sahen unsere Wunderer, als sie den
Gipfel eines Berges erreicht hatten, die Stadt Scebrück unten im
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[0339] paßt! zu. Sich ein recht würdiges Ansehen gebend, begann er end¬ lich den langen Sermon, der aus Scherz und Frömmigkeit recht naiv zusammengesetzt war. Am Schlüsse desselben ließ er den Bauherrn sammt seinem Ehegespiel, alle künstigen Besitzer des Hauses und alle diejenigen leben, die darin ein-und ausgehen würden. Dann brachte er dem Meister, der ganzen Zunft, sämmtlichen schönen Jungfern und den Zuhörern ein kräftiges Hoch! wobei Nichnke niemals verfehlte, die Flasche an den Mund zu führen und ihren Inhalt über die Lippen glucksen zu lassen. Staunend sahen ihm die Andern zu, und Peter Balling rief: — Verflirte Kerls sind'S, die Zimmergesellen! Sie bringen nur darum so viele Gesundheiten aus, um öfter eiuen Schluck nehmen zu können. — Sehre wahr, Rejenschpurjer! stimmte der Sachse bei. Doch wundr' ich mich nur, daß se sich nich krank trinken bei den vielen Gesundheeten. Schallendes Gelächter folgte diesem Witz, indeß Niehnke ließ sich durchaus nicht stören. Er brachte die Slrohflasche zum Schluß noch einmal an den Mund, allein — ob er das Haupt auch immer tiefer in den Nacken überbog — kein Tropfen benetzte ihm die Lip¬ pen... der schone Quell war versiegt. Nachdem er, um ganz sicher zu sein, das Gefäß tüchtig geschüttelt hatte, gab er es dem Buchbin¬ der zurück, und stieg vom Steinhaufen herunter. Der Regensburger reichte ihm sogleich die Hand. Er gestand sein Unrecht, lobte den Spruch des Gesellen, und sprach: Maurer und Zimmerleute gehören zusammen, als die beiden ersten Zünfte, und es gebührt sich, daß sie gute Freundschaft halten. Peter Balling und der Cöpcnicker umarmten sich; sie küßten sich rechts und links den Mund. Nächstdem geschah dasselbe zwischen dem Letztern und Fritz Leese, und endlich mußte auch der Parchwitzer daran, der sich nur ungern dem brüderlichen Dank des Erhitzten zu überlassen schien. Drittes Capitel. Im Glanz der Abendsonne sahen unsere Wunderer, als sie den Gipfel eines Berges erreicht hatten, die Stadt Scebrück unten im * 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/339>, abgerufen am 27.04.2024.