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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Thale liegen, und sie nahm sich bei dieser Beleuchtung sehr gut aus.
Die vier Thürme deö Ortes schwammen im Dufte, die Scheiben der
Kirchen, deö Schlosses und deö gothischen Rathhauses flammten wie
Feuer, und der Strom, der drüben mir vielfachen Krümmungen eine
saftgrüne Bruchgegend durchschnitt und unter einer Brücke an der
Stadt vorübersloß, schien aus der feuerrothen Masse eines geschmol¬
zenen Metalls zu bestehen. Der Anblick war freundlich lockend, und
die Gesellen verdoppelten ihre Schritte.

Wie nahe aber Seebrück auch ausgesehen hatte, so mußten sie
doch noch ein gutes Stück zuschreiten, und als sie die Vorstadt er¬
reichten, lag schon Abenddunkel zwischen den Bäumen und Häusern.
Der Cöpenicker trennte sich hier von seinen Reisegefährten, und die
Maurer gingen, wie der Haktdwerksgebrauch es forderte, nicht seit¬
wärts auf dem Fußsteige, sondern mitten in der Straße, zogen die
Handschuhe aus, drückten den Hut fest in die Stirn und tropften
drei Knöpfe an ihren Ueberröcken zu. Als sie ans Thor kamen,
kosten sie den rechten Riemen deö Ränzels auf, und nahmen ihn auf
die linke Schulter, so daß das Felleisen auf dieser Seite hing. Beim
Thorschreiber erkundigten sie sich, wo die Maurerherberge sei, und
verfolgten dann geradewegs die beschriebenen Straßen, ohne sich
irgendwo zu verweilen.

-- Wo wirst Du denn bleiben, Buchbinder? fragte Balling.

Ich weiß es nicht, denn ich bin hier ganz unbekannt, ent-
gegnete der Angeredete zaghaft.

-- So komm nur mit, beruhigte ihn der gutmüthige Regens-
burger, und warte vor der Thür, bis unsere Auswanderung vorüber
ist. In den Handwerkssaal darfst Du freilich nicht eintreten, aber
der Herbergsvater wird sich wohl willig finden lassen, Dir für die
Nacht ein Lager aufzumachen.

Man hatte jetzt das Haus erreicht, an welchem ein schwebendes
Schild mit vergoldeter Kelle und Hammer verrieth, daß hier die
Einkehr der Maurer sei, und diese traten also in den dunklen Flur.
Obgleich die Fensterläden des Erdgeschosses verschlossen waren, so
konnte man durch die Spalten doch bemerken, daß es erleuchtet war,
und innen hörte man lautes Stimmengewirr. Dreimal klopfte der
Regensburger mit seinem Stock an die Stubenthür, worauf die Her¬
bergsmutter, eine muntere alte Frau, heraustrat.


Thale liegen, und sie nahm sich bei dieser Beleuchtung sehr gut aus.
Die vier Thürme deö Ortes schwammen im Dufte, die Scheiben der
Kirchen, deö Schlosses und deö gothischen Rathhauses flammten wie
Feuer, und der Strom, der drüben mir vielfachen Krümmungen eine
saftgrüne Bruchgegend durchschnitt und unter einer Brücke an der
Stadt vorübersloß, schien aus der feuerrothen Masse eines geschmol¬
zenen Metalls zu bestehen. Der Anblick war freundlich lockend, und
die Gesellen verdoppelten ihre Schritte.

Wie nahe aber Seebrück auch ausgesehen hatte, so mußten sie
doch noch ein gutes Stück zuschreiten, und als sie die Vorstadt er¬
reichten, lag schon Abenddunkel zwischen den Bäumen und Häusern.
Der Cöpenicker trennte sich hier von seinen Reisegefährten, und die
Maurer gingen, wie der Haktdwerksgebrauch es forderte, nicht seit¬
wärts auf dem Fußsteige, sondern mitten in der Straße, zogen die
Handschuhe aus, drückten den Hut fest in die Stirn und tropften
drei Knöpfe an ihren Ueberröcken zu. Als sie ans Thor kamen,
kosten sie den rechten Riemen deö Ränzels auf, und nahmen ihn auf
die linke Schulter, so daß das Felleisen auf dieser Seite hing. Beim
Thorschreiber erkundigten sie sich, wo die Maurerherberge sei, und
verfolgten dann geradewegs die beschriebenen Straßen, ohne sich
irgendwo zu verweilen.

— Wo wirst Du denn bleiben, Buchbinder? fragte Balling.

Ich weiß es nicht, denn ich bin hier ganz unbekannt, ent-
gegnete der Angeredete zaghaft.

— So komm nur mit, beruhigte ihn der gutmüthige Regens-
burger, und warte vor der Thür, bis unsere Auswanderung vorüber
ist. In den Handwerkssaal darfst Du freilich nicht eintreten, aber
der Herbergsvater wird sich wohl willig finden lassen, Dir für die
Nacht ein Lager aufzumachen.

Man hatte jetzt das Haus erreicht, an welchem ein schwebendes
Schild mit vergoldeter Kelle und Hammer verrieth, daß hier die
Einkehr der Maurer sei, und diese traten also in den dunklen Flur.
Obgleich die Fensterläden des Erdgeschosses verschlossen waren, so
konnte man durch die Spalten doch bemerken, daß es erleuchtet war,
und innen hörte man lautes Stimmengewirr. Dreimal klopfte der
Regensburger mit seinem Stock an die Stubenthür, worauf die Her¬
bergsmutter, eine muntere alte Frau, heraustrat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/340>, abgerufen am 09.05.2024.