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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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zur Qual und Last daheim bleiben, eine alte Jungfrau, die bösartig
und bigott wird, die deS ganzen Hauses Freude stört? Nein, nein,
Ludwiga! Du hast mich zu einem starken Mädchen erzogen, und
heute will ich es zeigen, daß ich Deiner Mühe werth war. Ich
will werden, wie meine Mutter ist! -- Seid Ihr mit mir zufrieden?

Meine Augen schmerzen mich, denn ich schreibe ohne Licht,
darum schließe ich jetzt. Gute Nacht, Ludwiga! Gute Nacht!"




Sechstes Capitel.

Am nächsten Sonntage ging es im Hause des Buchbinders
Trappe recht hoch her, denn die ganze Verwandtschaft war eingela¬
den, damit man derselben das Brautpaar feierlich vorstellen konnte.
Bims hatte sich Anfangs etwas beengt und muthlos gefühlt, wenn
ihm die reizende Georgine gegenüber stand, allein täglich erschienen
ihm seine persönlichen Vorzüge im helleren Licht, und am Ende zwei¬
felte er sogar, wer ein größeres Glück mache, er selbst, oder seine
Braut. Als er sich die neuen Verhältnisse so mit größter Eigenliebe
zurecht gelegt, nahm er alles für einen wohlerworbenen Lohn seiner
Verdienste, und empfing nun die Glückwünsche der Muhmen und
Vettern voll vornehmer Sicherheit.

Während im Trappeschen Hause bereits die silbernen Löffel in
den Kaffeetassen klirrten, während noch immer buntgeputzte Gäste dort
ankamen, fuhr gegenüber ein leichter Reisewagen vor. Ein schöner,
hoch und schlank gewachsener Mann sprang heraus!, und als er sich
nach dem Postillon umwendete, zeigte er ein feines, offenes Gesicht,
zu dessen blühenden Farben daS dunkle Haar und der schwarze Bart
vortrefflich paßten. Der Fremde mochte etwa sechs und zwanzig
Jahre alt sein, er trug einen grünen Jagdrock, hohe Lederstiefeln
und einen leichten Hut. Wenige Worte richtete er an den Rosse¬
lenker, ging dann ins Haus und die Treppe hinauf. Sein Herz
klopfte laut, seine Wangen brannten, als er oben im Vorzimmer
stand und die Thür öffnen wollte. Man wußte nicht, ob ihn der
schnelle Lauf so erhitzt hatte, oder ob eine ungestüme Erwartung sein
Blut in Wallung brachte. Noch zögerte seine Hand einen Moment,
das Schloß aufzudrücken, da trat hinter ihm eine ältliche Kammer¬
zofe ein, und fragte ihn mit dem Hochmuth, welcher Dienerinnen
avelsstvlzer Familien oftmals eigen ist, nach seinem Begehr.


zur Qual und Last daheim bleiben, eine alte Jungfrau, die bösartig
und bigott wird, die deS ganzen Hauses Freude stört? Nein, nein,
Ludwiga! Du hast mich zu einem starken Mädchen erzogen, und
heute will ich es zeigen, daß ich Deiner Mühe werth war. Ich
will werden, wie meine Mutter ist! — Seid Ihr mit mir zufrieden?

Meine Augen schmerzen mich, denn ich schreibe ohne Licht,
darum schließe ich jetzt. Gute Nacht, Ludwiga! Gute Nacht!"




Sechstes Capitel.

Am nächsten Sonntage ging es im Hause des Buchbinders
Trappe recht hoch her, denn die ganze Verwandtschaft war eingela¬
den, damit man derselben das Brautpaar feierlich vorstellen konnte.
Bims hatte sich Anfangs etwas beengt und muthlos gefühlt, wenn
ihm die reizende Georgine gegenüber stand, allein täglich erschienen
ihm seine persönlichen Vorzüge im helleren Licht, und am Ende zwei¬
felte er sogar, wer ein größeres Glück mache, er selbst, oder seine
Braut. Als er sich die neuen Verhältnisse so mit größter Eigenliebe
zurecht gelegt, nahm er alles für einen wohlerworbenen Lohn seiner
Verdienste, und empfing nun die Glückwünsche der Muhmen und
Vettern voll vornehmer Sicherheit.

Während im Trappeschen Hause bereits die silbernen Löffel in
den Kaffeetassen klirrten, während noch immer buntgeputzte Gäste dort
ankamen, fuhr gegenüber ein leichter Reisewagen vor. Ein schöner,
hoch und schlank gewachsener Mann sprang heraus!, und als er sich
nach dem Postillon umwendete, zeigte er ein feines, offenes Gesicht,
zu dessen blühenden Farben daS dunkle Haar und der schwarze Bart
vortrefflich paßten. Der Fremde mochte etwa sechs und zwanzig
Jahre alt sein, er trug einen grünen Jagdrock, hohe Lederstiefeln
und einen leichten Hut. Wenige Worte richtete er an den Rosse¬
lenker, ging dann ins Haus und die Treppe hinauf. Sein Herz
klopfte laut, seine Wangen brannten, als er oben im Vorzimmer
stand und die Thür öffnen wollte. Man wußte nicht, ob ihn der
schnelle Lauf so erhitzt hatte, oder ob eine ungestüme Erwartung sein
Blut in Wallung brachte. Noch zögerte seine Hand einen Moment,
das Schloß aufzudrücken, da trat hinter ihm eine ältliche Kammer¬
zofe ein, und fragte ihn mit dem Hochmuth, welcher Dienerinnen
avelsstvlzer Familien oftmals eigen ist, nach seinem Begehr.


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[0389] zur Qual und Last daheim bleiben, eine alte Jungfrau, die bösartig und bigott wird, die deS ganzen Hauses Freude stört? Nein, nein, Ludwiga! Du hast mich zu einem starken Mädchen erzogen, und heute will ich es zeigen, daß ich Deiner Mühe werth war. Ich will werden, wie meine Mutter ist! — Seid Ihr mit mir zufrieden? Meine Augen schmerzen mich, denn ich schreibe ohne Licht, darum schließe ich jetzt. Gute Nacht, Ludwiga! Gute Nacht!" Sechstes Capitel. Am nächsten Sonntage ging es im Hause des Buchbinders Trappe recht hoch her, denn die ganze Verwandtschaft war eingela¬ den, damit man derselben das Brautpaar feierlich vorstellen konnte. Bims hatte sich Anfangs etwas beengt und muthlos gefühlt, wenn ihm die reizende Georgine gegenüber stand, allein täglich erschienen ihm seine persönlichen Vorzüge im helleren Licht, und am Ende zwei¬ felte er sogar, wer ein größeres Glück mache, er selbst, oder seine Braut. Als er sich die neuen Verhältnisse so mit größter Eigenliebe zurecht gelegt, nahm er alles für einen wohlerworbenen Lohn seiner Verdienste, und empfing nun die Glückwünsche der Muhmen und Vettern voll vornehmer Sicherheit. Während im Trappeschen Hause bereits die silbernen Löffel in den Kaffeetassen klirrten, während noch immer buntgeputzte Gäste dort ankamen, fuhr gegenüber ein leichter Reisewagen vor. Ein schöner, hoch und schlank gewachsener Mann sprang heraus!, und als er sich nach dem Postillon umwendete, zeigte er ein feines, offenes Gesicht, zu dessen blühenden Farben daS dunkle Haar und der schwarze Bart vortrefflich paßten. Der Fremde mochte etwa sechs und zwanzig Jahre alt sein, er trug einen grünen Jagdrock, hohe Lederstiefeln und einen leichten Hut. Wenige Worte richtete er an den Rosse¬ lenker, ging dann ins Haus und die Treppe hinauf. Sein Herz klopfte laut, seine Wangen brannten, als er oben im Vorzimmer stand und die Thür öffnen wollte. Man wußte nicht, ob ihn der schnelle Lauf so erhitzt hatte, oder ob eine ungestüme Erwartung sein Blut in Wallung brachte. Noch zögerte seine Hand einen Moment, das Schloß aufzudrücken, da trat hinter ihm eine ältliche Kammer¬ zofe ein, und fragte ihn mit dem Hochmuth, welcher Dienerinnen avelsstvlzer Familien oftmals eigen ist, nach seinem Begehr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/389>, abgerufen am 27.04.2024.