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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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zu entfernen. Dank dem wackern Director Fickert, daß er sich diesem
Ansinnen nicht fügte.

Nächstens haben wir noch eine Ueberraschung ganz eigenthüm¬
licher Art zu erwarten: die Concession für eine dritte schlesische Zei¬
tung. Ich darf nicht erst erwähnen, welche Richtung dieses zu con-
cessionirende Blatt einschlagen wird; denn für gewisse Ideen gibts
bekanntlich in Preußen kein Planet. Der regenbogige Joel Jacoby
in Berlin soll sein Leiter und Führer werden, eine Wahl, die das
Kind schon mit Spuren der Verwesung auf die Welt kommen läßt.
Dieser Mann schreibt über jeden Gegenstand in einer Weise, wie es
bestellt wird. Wenn die Berliner "Ereignisse" von seiner gelbsüch¬
tigen Feder ausgebeutet sind, so setzt er sic" hin und läßt sich über
schlesische Zustände aus, als wenn er eben von einer Studienreise
zurückgekehrt sei. Die Bremer Zeitung war lange dazu verdammt,
seine publicistischen Nebelbilder, die er mit dem Gas der Lüge bereitet,
widerzustrahlen. Nebelbildert er auch in der neuen Zeitung auf diese
Art fort, so haben unsere beiden bestehenden Zeitungen von einer Con-
currenz nichts zu befürchten.

Wenn unsere Tagesliteratur nach dieser Seite hin bereichert wer¬
den soll, so steht uns in anderer Weise wieder ein Verlust bevor: der
Breslauer Theater-Figaro gibt, was er eigentlich nie gehabt, seinen
Geist auf. Der bisherige Redacteur Hermann Michaclson geht nach
Berlin, um dort ein neues Theaterblatt, für welches er bereits die
Concession besitzt, unter dem Namen "Deutscher Theaterhorizont" zu
redigiren. Ob sich eine der jüngeren literarischen Kräfte um die Fi-
garovacanz bewerben wird, ist noch sehr zweifelhaft.
'

Emil Devrients gegenwärtiges Gastspiel in Breslau bringt der
Theaterkasse bedeutende Einnahmen, denn der Künstler versteht sehr
wohl, vor seinen Ruf mächtige Hebel zu spannen, namentlich durch
die Wahl von Stücken, auf die unser Publicum bereits mit Ungeduld
wartete. "Das Urbild des Tartüffe" hat sich in letzter Beziehung ganz
besonders bewahrt. Devrient spielte darin die Rolle des Moliere.


Semra".
II.
Uns Wie".
I.

"Er muß auf's Land." -- Gutzkow. -- Die Concurrenten um die Dramatur¬
genstelle. -- Aristokratische Schauspieler. -- Beamtenhochmuth in Lemberg.

Im Hofburgtheater ging vor einigen Tagen das vielbesprochene
Lustspiel: "Er muß aufs Land" in die Scene und eroberte sich trotz
der zahlreichen Eingriffe der Censur, den Beifall des großen Publi-
cums, das zufrieden ist, wenn es lachen, herzlich lachen kann. Das


zu entfernen. Dank dem wackern Director Fickert, daß er sich diesem
Ansinnen nicht fügte.

Nächstens haben wir noch eine Ueberraschung ganz eigenthüm¬
licher Art zu erwarten: die Concession für eine dritte schlesische Zei¬
tung. Ich darf nicht erst erwähnen, welche Richtung dieses zu con-
cessionirende Blatt einschlagen wird; denn für gewisse Ideen gibts
bekanntlich in Preußen kein Planet. Der regenbogige Joel Jacoby
in Berlin soll sein Leiter und Führer werden, eine Wahl, die das
Kind schon mit Spuren der Verwesung auf die Welt kommen läßt.
Dieser Mann schreibt über jeden Gegenstand in einer Weise, wie es
bestellt wird. Wenn die Berliner „Ereignisse" von seiner gelbsüch¬
tigen Feder ausgebeutet sind, so setzt er sic» hin und läßt sich über
schlesische Zustände aus, als wenn er eben von einer Studienreise
zurückgekehrt sei. Die Bremer Zeitung war lange dazu verdammt,
seine publicistischen Nebelbilder, die er mit dem Gas der Lüge bereitet,
widerzustrahlen. Nebelbildert er auch in der neuen Zeitung auf diese
Art fort, so haben unsere beiden bestehenden Zeitungen von einer Con-
currenz nichts zu befürchten.

Wenn unsere Tagesliteratur nach dieser Seite hin bereichert wer¬
den soll, so steht uns in anderer Weise wieder ein Verlust bevor: der
Breslauer Theater-Figaro gibt, was er eigentlich nie gehabt, seinen
Geist auf. Der bisherige Redacteur Hermann Michaclson geht nach
Berlin, um dort ein neues Theaterblatt, für welches er bereits die
Concession besitzt, unter dem Namen „Deutscher Theaterhorizont" zu
redigiren. Ob sich eine der jüngeren literarischen Kräfte um die Fi-
garovacanz bewerben wird, ist noch sehr zweifelhaft.
'

Emil Devrients gegenwärtiges Gastspiel in Breslau bringt der
Theaterkasse bedeutende Einnahmen, denn der Künstler versteht sehr
wohl, vor seinen Ruf mächtige Hebel zu spannen, namentlich durch
die Wahl von Stücken, auf die unser Publicum bereits mit Ungeduld
wartete. „Das Urbild des Tartüffe" hat sich in letzter Beziehung ganz
besonders bewahrt. Devrient spielte darin die Rolle des Moliere.


Semra».
II.
Uns Wie».
I.

„Er muß auf's Land." — Gutzkow. — Die Concurrenten um die Dramatur¬
genstelle. — Aristokratische Schauspieler. — Beamtenhochmuth in Lemberg.

Im Hofburgtheater ging vor einigen Tagen das vielbesprochene
Lustspiel: „Er muß aufs Land" in die Scene und eroberte sich trotz
der zahlreichen Eingriffe der Censur, den Beifall des großen Publi-
cums, das zufrieden ist, wenn es lachen, herzlich lachen kann. Das


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[0418] zu entfernen. Dank dem wackern Director Fickert, daß er sich diesem Ansinnen nicht fügte. Nächstens haben wir noch eine Ueberraschung ganz eigenthüm¬ licher Art zu erwarten: die Concession für eine dritte schlesische Zei¬ tung. Ich darf nicht erst erwähnen, welche Richtung dieses zu con- cessionirende Blatt einschlagen wird; denn für gewisse Ideen gibts bekanntlich in Preußen kein Planet. Der regenbogige Joel Jacoby in Berlin soll sein Leiter und Führer werden, eine Wahl, die das Kind schon mit Spuren der Verwesung auf die Welt kommen läßt. Dieser Mann schreibt über jeden Gegenstand in einer Weise, wie es bestellt wird. Wenn die Berliner „Ereignisse" von seiner gelbsüch¬ tigen Feder ausgebeutet sind, so setzt er sic» hin und läßt sich über schlesische Zustände aus, als wenn er eben von einer Studienreise zurückgekehrt sei. Die Bremer Zeitung war lange dazu verdammt, seine publicistischen Nebelbilder, die er mit dem Gas der Lüge bereitet, widerzustrahlen. Nebelbildert er auch in der neuen Zeitung auf diese Art fort, so haben unsere beiden bestehenden Zeitungen von einer Con- currenz nichts zu befürchten. Wenn unsere Tagesliteratur nach dieser Seite hin bereichert wer¬ den soll, so steht uns in anderer Weise wieder ein Verlust bevor: der Breslauer Theater-Figaro gibt, was er eigentlich nie gehabt, seinen Geist auf. Der bisherige Redacteur Hermann Michaclson geht nach Berlin, um dort ein neues Theaterblatt, für welches er bereits die Concession besitzt, unter dem Namen „Deutscher Theaterhorizont" zu redigiren. Ob sich eine der jüngeren literarischen Kräfte um die Fi- garovacanz bewerben wird, ist noch sehr zweifelhaft. ' Emil Devrients gegenwärtiges Gastspiel in Breslau bringt der Theaterkasse bedeutende Einnahmen, denn der Künstler versteht sehr wohl, vor seinen Ruf mächtige Hebel zu spannen, namentlich durch die Wahl von Stücken, auf die unser Publicum bereits mit Ungeduld wartete. „Das Urbild des Tartüffe" hat sich in letzter Beziehung ganz besonders bewahrt. Devrient spielte darin die Rolle des Moliere. Semra». II. Uns Wie». I. „Er muß auf's Land." — Gutzkow. — Die Concurrenten um die Dramatur¬ genstelle. — Aristokratische Schauspieler. — Beamtenhochmuth in Lemberg. Im Hofburgtheater ging vor einigen Tagen das vielbesprochene Lustspiel: „Er muß aufs Land" in die Scene und eroberte sich trotz der zahlreichen Eingriffe der Censur, den Beifall des großen Publi- cums, das zufrieden ist, wenn es lachen, herzlich lachen kann. Das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/418>, abgerufen am 27.04.2024.