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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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halten, die bei Brockhaus im Druck erschienen sind, ^) und er fand es
für nöthig, dieser Meinung mit einer öffentlichen Erklärung in den
Zeitungen entgegenzutreten. Auch Gutzkow ist fort und hat sich über
Ischl, das der schlechten, kalten Witterung wegen noch ziemlich öde
ist, nach Frankfurt zurückbegeben. -- Eben so verließ uns Demoiselle
Hagen, deren Gastspiel unglücklich ausgefallen ist. --


II.
Aus Berlin.

Itzstein und Hecker. -- Der landwirthschaftliche Berein. -- Entsittlichung oben
und unten. -- Eriminulgeschichten. -- Schorn's Wiedertäufer. -- Theater.

Ein Bericht aus Berlin kann gegenwartig nur mit der polizei¬
lichen Ausweisung der badenschen Abgeordneten Itzstein und Hecker
aus Preußen beginnen. Nachdem dieselbe bereits am 23. Mai gesche¬
hen war, trieb sie sich noch Tage lang als Gerücht in Berlin umher.
Mir würd" sie zuerst am 25., ebenfalls nur gerüchtweise, mitgetheilt.
Und welche andere Verbreitung war möglich, da die Regierung über
den wichtigen Vorfall schwieg, und unsere Zeitungen, welche die Nach¬
richt erst am 27., als Abdruck aus der Deutschen Allgemeinen brach¬
ten, schweigen mußten? Noch jetzt ist von Seiten der Regierung das
Stillschweigen nicht gebrochen worden. -- Welche allgemeine Erregung
und Beunruhigung der Gemüther, welches Aufsehen dadurch bewirkt
wurde, kann sich Jeder leicht vorstellen. Als ich die Sache zuerst er¬
fuhr, geschah es in Form einer Frage, und an demselben Tage wurde
ich noch vielfach von ähnlichen Fragen bestürmt. Man schüttelte die
Köpfe, man wollte an die Wahrheit der Sache nicht glauben. Am
Abend des 25. sagte mir ein bedeutender Berliner Banquier, am 24.
hätten in der Börse alle Geschäfte gestockt, nur von der Ausweisung
Itzstein' s und Hecker' s sei die Rede gewesen. Der Minister A r -
nim solle, gestützt auf eine nach der letzten hiesigen Anwesenheit
Welcker's erfolgte Cabinetsordre, selbstständig den Befehl erlassen
haben, jedoch noch in derselben Nacht nach Potsdam gefahren sein,
um dem Könige die Mittheilung zu machen. Man meint, sie hätten
nach Königsberg gehen wollen, und die preußische Negierung hätte sich,
in Betrachtung der dortigen Zustande"), veranlaßt gefühlt, dies zu
verhindern. Dann aber hieß es wieder, Itzstein sei nur als Taus-




*) Die Grenzboten haben das Nähere über den Verfasser dieser Gedichte
und die Arr, wie sie zur Oeffentlichkeit gelangten, bereits (in Ur. 20) gemel¬
det. Der junge Dichter A. Knoll soll zu Rede und Antwort gezogen worden
sein; ist aber durch die Darstellung des wahren Sachverhalts glücklich dvon
a
D. Red. gekommen.
**) Das Verbot der Königsberger Bürgerversammlungen ist vom Könige
so eben bestätigt, die Jmmediatbeschwerde zurückgewiesen worden.

halten, die bei Brockhaus im Druck erschienen sind, ^) und er fand es
für nöthig, dieser Meinung mit einer öffentlichen Erklärung in den
Zeitungen entgegenzutreten. Auch Gutzkow ist fort und hat sich über
Ischl, das der schlechten, kalten Witterung wegen noch ziemlich öde
ist, nach Frankfurt zurückbegeben. — Eben so verließ uns Demoiselle
Hagen, deren Gastspiel unglücklich ausgefallen ist. —


II.
Aus Berlin.

Itzstein und Hecker. — Der landwirthschaftliche Berein. — Entsittlichung oben
und unten. — Eriminulgeschichten. — Schorn's Wiedertäufer. — Theater.

Ein Bericht aus Berlin kann gegenwartig nur mit der polizei¬
lichen Ausweisung der badenschen Abgeordneten Itzstein und Hecker
aus Preußen beginnen. Nachdem dieselbe bereits am 23. Mai gesche¬
hen war, trieb sie sich noch Tage lang als Gerücht in Berlin umher.
Mir würd» sie zuerst am 25., ebenfalls nur gerüchtweise, mitgetheilt.
Und welche andere Verbreitung war möglich, da die Regierung über
den wichtigen Vorfall schwieg, und unsere Zeitungen, welche die Nach¬
richt erst am 27., als Abdruck aus der Deutschen Allgemeinen brach¬
ten, schweigen mußten? Noch jetzt ist von Seiten der Regierung das
Stillschweigen nicht gebrochen worden. — Welche allgemeine Erregung
und Beunruhigung der Gemüther, welches Aufsehen dadurch bewirkt
wurde, kann sich Jeder leicht vorstellen. Als ich die Sache zuerst er¬
fuhr, geschah es in Form einer Frage, und an demselben Tage wurde
ich noch vielfach von ähnlichen Fragen bestürmt. Man schüttelte die
Köpfe, man wollte an die Wahrheit der Sache nicht glauben. Am
Abend des 25. sagte mir ein bedeutender Berliner Banquier, am 24.
hätten in der Börse alle Geschäfte gestockt, nur von der Ausweisung
Itzstein' s und Hecker' s sei die Rede gewesen. Der Minister A r -
nim solle, gestützt auf eine nach der letzten hiesigen Anwesenheit
Welcker's erfolgte Cabinetsordre, selbstständig den Befehl erlassen
haben, jedoch noch in derselben Nacht nach Potsdam gefahren sein,
um dem Könige die Mittheilung zu machen. Man meint, sie hätten
nach Königsberg gehen wollen, und die preußische Negierung hätte sich,
in Betrachtung der dortigen Zustande"), veranlaßt gefühlt, dies zu
verhindern. Dann aber hieß es wieder, Itzstein sei nur als Taus-




*) Die Grenzboten haben das Nähere über den Verfasser dieser Gedichte
und die Arr, wie sie zur Oeffentlichkeit gelangten, bereits (in Ur. 20) gemel¬
det. Der junge Dichter A. Knoll soll zu Rede und Antwort gezogen worden
sein; ist aber durch die Darstellung des wahren Sachverhalts glücklich dvon
a
D. Red. gekommen.
**) Das Verbot der Königsberger Bürgerversammlungen ist vom Könige
so eben bestätigt, die Jmmediatbeschwerde zurückgewiesen worden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/508>, abgerufen am 27.04.2024.