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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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"Huß," wo die Gegensatz? ebenfalls nicht durch äußernde Handlung mar-
kirr, sondern geistiger Natur sind: wie ganz anders regt sich da das
geistige Leben in den Köpfen und Stellungen! Erinnert man sich dann
der Belgischen Bilder von Gallait und de Biefre, wie war in
ihnen der Mittelpunkt des historischen Moments erfaßt! Bei man¬
gelnder Handlung muß nothwendig stets das Geistige, Innere um so
scharfer, kräftiger herausgearbeitet werden, allein dies ist dem Maler
Schorn nur theilweise gelungen. In der Technik, namentlich in der
Färbung bemerkt man ein erfreuendes Studium der Belgier, obwohl
die nivellirende Idealität der Düsseldorfer noch mitfpi.le. Die Stosse,
Gewänder u. f w. sind meisterhaft ausgeführt.

Im Theater hatten wir neu ein zweiactiges Original-Lustspiel
von W. Adel, betitelt: "Fatalitäten eines Hochzeittages," ein
Erstlingsproduct, wie es scheint. Das Gedankliche dieses Stückes in
Anlage wie Ausführung ist sehr unbedeutend, doch zeigt sich, bei aller
Unwahrscheinlichkeit der in Bewegung gesetzten Motive, durch das Fest¬
halten des Fadens in der bunt verwickelten Intrigue, so wie durch
wirksames Ausbeuten derselben wenigstens zu einigen drastischen Si¬
tuationen ein gewisses Geschick für Lustspielformen, das in Zukunft,
wenn es höheren geistigen Inhalt in sich aufnimmt, Gelungeneres zu
bieten vermag. Auch Streben nach Charakteristik, freilich in bekann¬
ten Theaterfiguren sich ergebend, macht sich in dem Lustspiel geltend.
Außerdem bringt uns ein officieller Theaterbericht in der Bossischen
Zeitung Versprechungen über Versprechungen von neuen Stücken und
Gästen. Im Versprechen ist man wahrhaft groß in Berlin, allein
die Erfüllung der auf einen Punkt zusammengedrängten Versprechun¬
gen wird gewöhnlich dermaßen in die Länge gezogen, daß ihr Eindruck
sich gänzlich verflüchtigt. Döring wird im Juli, August, Septem¬
ber hier gastiren und im November als engagirtes Mitglied eintreten.
Auch Hoppe ist nach Zahlung eines Reugeldes von Thlrn.
an die Braunschweiger Intendanz nunmehr hier fest angestellt mit
MW Thlrn. Gage. Dies Kapital künstlerisch zu verzinsen, wird ihm
A. Gtz. eine schwere Ausgabe sein.


III.
Aus Cöln am Nhei".

Schwarz und Weiß. ^_ Berliner umgekehrte Propaganda. -- Babylonische
Verwirrung. -- Der Rheinische Beobachter. -- v>. Ändrö und die Kölnische
Zeitung. -- Deutschkatholicismus. -- Herr von Schoper und die Censur. ^
Max von LoL. -- Demoiselle Prudence. -- Dombaufest.

Schwarz und weiß sind die preußischen Farben am Rhein wie
in den alten Provinzen; nur in verschiedenem Sinn. Da steht auf
dem schwarzen Felde die Kirche, aus dem lichten die Politik; dort ist
es umgekehrt. Wer will sagen, was von Beiden das Schlimmere?

Die Liebschaft zwischen Ultramontanismus und Liberalismus ist


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„Huß," wo die Gegensatz? ebenfalls nicht durch äußernde Handlung mar-
kirr, sondern geistiger Natur sind: wie ganz anders regt sich da das
geistige Leben in den Köpfen und Stellungen! Erinnert man sich dann
der Belgischen Bilder von Gallait und de Biefre, wie war in
ihnen der Mittelpunkt des historischen Moments erfaßt! Bei man¬
gelnder Handlung muß nothwendig stets das Geistige, Innere um so
scharfer, kräftiger herausgearbeitet werden, allein dies ist dem Maler
Schorn nur theilweise gelungen. In der Technik, namentlich in der
Färbung bemerkt man ein erfreuendes Studium der Belgier, obwohl
die nivellirende Idealität der Düsseldorfer noch mitfpi.le. Die Stosse,
Gewänder u. f w. sind meisterhaft ausgeführt.

Im Theater hatten wir neu ein zweiactiges Original-Lustspiel
von W. Adel, betitelt: „Fatalitäten eines Hochzeittages," ein
Erstlingsproduct, wie es scheint. Das Gedankliche dieses Stückes in
Anlage wie Ausführung ist sehr unbedeutend, doch zeigt sich, bei aller
Unwahrscheinlichkeit der in Bewegung gesetzten Motive, durch das Fest¬
halten des Fadens in der bunt verwickelten Intrigue, so wie durch
wirksames Ausbeuten derselben wenigstens zu einigen drastischen Si¬
tuationen ein gewisses Geschick für Lustspielformen, das in Zukunft,
wenn es höheren geistigen Inhalt in sich aufnimmt, Gelungeneres zu
bieten vermag. Auch Streben nach Charakteristik, freilich in bekann¬
ten Theaterfiguren sich ergebend, macht sich in dem Lustspiel geltend.
Außerdem bringt uns ein officieller Theaterbericht in der Bossischen
Zeitung Versprechungen über Versprechungen von neuen Stücken und
Gästen. Im Versprechen ist man wahrhaft groß in Berlin, allein
die Erfüllung der auf einen Punkt zusammengedrängten Versprechun¬
gen wird gewöhnlich dermaßen in die Länge gezogen, daß ihr Eindruck
sich gänzlich verflüchtigt. Döring wird im Juli, August, Septem¬
ber hier gastiren und im November als engagirtes Mitglied eintreten.
Auch Hoppe ist nach Zahlung eines Reugeldes von Thlrn.
an die Braunschweiger Intendanz nunmehr hier fest angestellt mit
MW Thlrn. Gage. Dies Kapital künstlerisch zu verzinsen, wird ihm
A. Gtz. eine schwere Ausgabe sein.


III.
Aus Cöln am Nhei».

Schwarz und Weiß. ^_ Berliner umgekehrte Propaganda. — Babylonische
Verwirrung. — Der Rheinische Beobachter. — v>. Ändrö und die Kölnische
Zeitung. — Deutschkatholicismus. — Herr von Schoper und die Censur. ^
Max von LoL. — Demoiselle Prudence. — Dombaufest.

Schwarz und weiß sind die preußischen Farben am Rhein wie
in den alten Provinzen; nur in verschiedenem Sinn. Da steht auf
dem schwarzen Felde die Kirche, aus dem lichten die Politik; dort ist
es umgekehrt. Wer will sagen, was von Beiden das Schlimmere?

Die Liebschaft zwischen Ultramontanismus und Liberalismus ist


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[0511] „Huß," wo die Gegensatz? ebenfalls nicht durch äußernde Handlung mar- kirr, sondern geistiger Natur sind: wie ganz anders regt sich da das geistige Leben in den Köpfen und Stellungen! Erinnert man sich dann der Belgischen Bilder von Gallait und de Biefre, wie war in ihnen der Mittelpunkt des historischen Moments erfaßt! Bei man¬ gelnder Handlung muß nothwendig stets das Geistige, Innere um so scharfer, kräftiger herausgearbeitet werden, allein dies ist dem Maler Schorn nur theilweise gelungen. In der Technik, namentlich in der Färbung bemerkt man ein erfreuendes Studium der Belgier, obwohl die nivellirende Idealität der Düsseldorfer noch mitfpi.le. Die Stosse, Gewänder u. f w. sind meisterhaft ausgeführt. Im Theater hatten wir neu ein zweiactiges Original-Lustspiel von W. Adel, betitelt: „Fatalitäten eines Hochzeittages," ein Erstlingsproduct, wie es scheint. Das Gedankliche dieses Stückes in Anlage wie Ausführung ist sehr unbedeutend, doch zeigt sich, bei aller Unwahrscheinlichkeit der in Bewegung gesetzten Motive, durch das Fest¬ halten des Fadens in der bunt verwickelten Intrigue, so wie durch wirksames Ausbeuten derselben wenigstens zu einigen drastischen Si¬ tuationen ein gewisses Geschick für Lustspielformen, das in Zukunft, wenn es höheren geistigen Inhalt in sich aufnimmt, Gelungeneres zu bieten vermag. Auch Streben nach Charakteristik, freilich in bekann¬ ten Theaterfiguren sich ergebend, macht sich in dem Lustspiel geltend. Außerdem bringt uns ein officieller Theaterbericht in der Bossischen Zeitung Versprechungen über Versprechungen von neuen Stücken und Gästen. Im Versprechen ist man wahrhaft groß in Berlin, allein die Erfüllung der auf einen Punkt zusammengedrängten Versprechun¬ gen wird gewöhnlich dermaßen in die Länge gezogen, daß ihr Eindruck sich gänzlich verflüchtigt. Döring wird im Juli, August, Septem¬ ber hier gastiren und im November als engagirtes Mitglied eintreten. Auch Hoppe ist nach Zahlung eines Reugeldes von Thlrn. an die Braunschweiger Intendanz nunmehr hier fest angestellt mit MW Thlrn. Gage. Dies Kapital künstlerisch zu verzinsen, wird ihm A. Gtz. eine schwere Ausgabe sein. III. Aus Cöln am Nhei». Schwarz und Weiß. ^_ Berliner umgekehrte Propaganda. — Babylonische Verwirrung. — Der Rheinische Beobachter. — v>. Ändrö und die Kölnische Zeitung. — Deutschkatholicismus. — Herr von Schoper und die Censur. ^ Max von LoL. — Demoiselle Prudence. — Dombaufest. Schwarz und weiß sind die preußischen Farben am Rhein wie in den alten Provinzen; nur in verschiedenem Sinn. Da steht auf dem schwarzen Felde die Kirche, aus dem lichten die Politik; dort ist es umgekehrt. Wer will sagen, was von Beiden das Schlimmere? Die Liebschaft zwischen Ultramontanismus und Liberalismus ist 65*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/511>, abgerufen am 27.04.2024.