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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Adolph Brvta -- ein Menschenleben.



Erleuchten könnten meines Seins Gebäude
Genüsse, die da steh'n als dunkle Kerzen,
Und nur den Funken brauchten inn'rer Freude.

Heinrich Landesmann

Wir haben auch in Deutschland eine Stadt wie Paris, wo in
den Wogen der Freuden oder der Leiden manches schöne Juwel zu
Grunde geht, lind diese Stadt ist Wien; aber wir haben noch nicht
die liebevollen Taucher, wie Se. Beuve einer ist, der hinabsteigt in
die Tiefen des Elends und die verlorenen, vergessenen Kleinode wie¬
der hervorsucht und in ihrem reinsten Glänze dem Gedächtniß der
Nachwelt aufbewahrt. -- Es ist wahrhaft rührend, wie Se. Beuve,
Masson, selbst Victor Hugo und viele Andere, sich alle mögliche
Mühe geben, an den Todten, Verlorenen, wieder gut zu machen,
was das Leben an ihnen verschuldete, einen Strahl zu retten von
dem, was vielleicht hätte eine Sonne werden können; ich meine ihre
Erinnerungen an verschiedene, theils in Elend, theils in übersprudeln¬
den Leidenschaften früh hingegangene Dichterseelen. -- Sie fragen
nicht Militärisch: Welche Werke hat er geschaffen, wie und wann hat
er Einfluß geübt auf die Literatur u. s. w., sie fragen nur: War sein
Geist ein so edler, war seine Seele, wenn wir den schmutzigen Man¬
tel, den ihm das Leben umwarf, wegnehmen, eine so schöne, daß
sich unsere Kinder an dem gereinigten Bilde, das wir im Pantheon
aufhängen, erfreuen und erheben können? Sie fragen nicht: War
er ein Dichter? sie fragen: War er selbst ein Gedicht, ein Gedicht
des Weltgeistes?

Auch ich weiß einen jungen Todten, der es wie Andere Gallois,
oder wie Hegesippe Moreau, oder wie Elise Mercoeur, verdient,
daß man über'ö Grab hinaus seinen Namen rufe, denn sein Geist
war ein Dichter, und sein Leben bald ein wildwehmüthiges Zigeu-


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Adolph Brvta — ein Menschenleben.



Erleuchten könnten meines Seins Gebäude
Genüsse, die da steh'n als dunkle Kerzen,
Und nur den Funken brauchten inn'rer Freude.

Heinrich Landesmann

Wir haben auch in Deutschland eine Stadt wie Paris, wo in
den Wogen der Freuden oder der Leiden manches schöne Juwel zu
Grunde geht, lind diese Stadt ist Wien; aber wir haben noch nicht
die liebevollen Taucher, wie Se. Beuve einer ist, der hinabsteigt in
die Tiefen des Elends und die verlorenen, vergessenen Kleinode wie¬
der hervorsucht und in ihrem reinsten Glänze dem Gedächtniß der
Nachwelt aufbewahrt. — Es ist wahrhaft rührend, wie Se. Beuve,
Masson, selbst Victor Hugo und viele Andere, sich alle mögliche
Mühe geben, an den Todten, Verlorenen, wieder gut zu machen,
was das Leben an ihnen verschuldete, einen Strahl zu retten von
dem, was vielleicht hätte eine Sonne werden können; ich meine ihre
Erinnerungen an verschiedene, theils in Elend, theils in übersprudeln¬
den Leidenschaften früh hingegangene Dichterseelen. — Sie fragen
nicht Militärisch: Welche Werke hat er geschaffen, wie und wann hat
er Einfluß geübt auf die Literatur u. s. w., sie fragen nur: War sein
Geist ein so edler, war seine Seele, wenn wir den schmutzigen Man¬
tel, den ihm das Leben umwarf, wegnehmen, eine so schöne, daß
sich unsere Kinder an dem gereinigten Bilde, das wir im Pantheon
aufhängen, erfreuen und erheben können? Sie fragen nicht: War
er ein Dichter? sie fragen: War er selbst ein Gedicht, ein Gedicht
des Weltgeistes?

Auch ich weiß einen jungen Todten, der es wie Andere Gallois,
oder wie Hegesippe Moreau, oder wie Elise Mercoeur, verdient,
daß man über'ö Grab hinaus seinen Namen rufe, denn sein Geist
war ein Dichter, und sein Leben bald ein wildwehmüthiges Zigeu-


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[0527] Adolph Brvta — ein Menschenleben. Erleuchten könnten meines Seins Gebäude Genüsse, die da steh'n als dunkle Kerzen, Und nur den Funken brauchten inn'rer Freude. Heinrich Landesmann Wir haben auch in Deutschland eine Stadt wie Paris, wo in den Wogen der Freuden oder der Leiden manches schöne Juwel zu Grunde geht, lind diese Stadt ist Wien; aber wir haben noch nicht die liebevollen Taucher, wie Se. Beuve einer ist, der hinabsteigt in die Tiefen des Elends und die verlorenen, vergessenen Kleinode wie¬ der hervorsucht und in ihrem reinsten Glänze dem Gedächtniß der Nachwelt aufbewahrt. — Es ist wahrhaft rührend, wie Se. Beuve, Masson, selbst Victor Hugo und viele Andere, sich alle mögliche Mühe geben, an den Todten, Verlorenen, wieder gut zu machen, was das Leben an ihnen verschuldete, einen Strahl zu retten von dem, was vielleicht hätte eine Sonne werden können; ich meine ihre Erinnerungen an verschiedene, theils in Elend, theils in übersprudeln¬ den Leidenschaften früh hingegangene Dichterseelen. — Sie fragen nicht Militärisch: Welche Werke hat er geschaffen, wie und wann hat er Einfluß geübt auf die Literatur u. s. w., sie fragen nur: War sein Geist ein so edler, war seine Seele, wenn wir den schmutzigen Man¬ tel, den ihm das Leben umwarf, wegnehmen, eine so schöne, daß sich unsere Kinder an dem gereinigten Bilde, das wir im Pantheon aufhängen, erfreuen und erheben können? Sie fragen nicht: War er ein Dichter? sie fragen: War er selbst ein Gedicht, ein Gedicht des Weltgeistes? Auch ich weiß einen jungen Todten, der es wie Andere Gallois, oder wie Hegesippe Moreau, oder wie Elise Mercoeur, verdient, daß man über'ö Grab hinaus seinen Namen rufe, denn sein Geist war ein Dichter, und sein Leben bald ein wildwehmüthiges Zigeu- 67'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/527>, abgerufen am 27.04.2024.