Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.Glauben zu vermitteln. Im vorigen Sommer mochte ihm dies ganz VI s. Die eittsameu Gefängnisse. Die völlige Einsamkeit zu ertragen, sind nur hochstehende Gei¬ Glauben zu vermitteln. Im vorigen Sommer mochte ihm dies ganz VI s. Die eittsameu Gefängnisse. Die völlige Einsamkeit zu ertragen, sind nur hochstehende Gei¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0556" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270615"/> <p xml:id="ID_1530" prev="#ID_1529"> Glauben zu vermitteln. Im vorigen Sommer mochte ihm dies ganz<lb/> besonders gelungen sein: denn am Schlüsse des Semesters wollten ihm<lb/> seine Zuhörer einen Fackelzug bringen. Die Hallesche Polizei, welche<lb/> seit Jahr und Tag dergleichen wegen Feuersgefahr verboten hatte,<lb/> erklärte jedoch mit so unvorsichtiger Eile, daß sie zu einer Demonstra¬<lb/> tion für den hochverdienten Professor Erdmann sehr gern die Erlaub¬<lb/> niß ertheile, daß die meisten Studenten mißtrauisch wurden und sich<lb/> zurückzogen. — Da ich einmal über das Verhältniß der Halleschcn<lb/> Philosophie zur Polizei schreibe, so kann ich nicht umhin, auch fol¬<lb/> genden Vorfalles zu erwähnen. Dem-Pastor Wislicenus wurde im<lb/> Wittenberger Colloquium angezeigt, ein Professor der Philosophie habe<lb/> sich erboten, vor Gericht zu bezeugen, daß er eine Auslassung bei der<lb/> Taufsormcl sich habe zu Schulden kommen lassen. Professor Ulrici,<lb/> der sich getroffen fühlte, erklärt das in einem Localblatte für eine Un¬<lb/> wahrheit, und es ergibt sich, daß er nur privatim dem Professor Tho-<lb/> luck die Sache mittheilte. Gegen den Vorwurf der Denunciation hat<lb/> Ulrici sich nun freilich gerechtfertigt; allein ein Professor der Aesthetik<lb/><note type="byline"> ...</note> sollte doch auch nicht bei Tholuck zur Beichte gehn! </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> VI s.<lb/> Die eittsameu Gefängnisse.</head><lb/> <p xml:id="ID_1531" next="#ID_1532"> Die völlige Einsamkeit zu ertragen, sind nur hochstehende Gei¬<lb/> ster oder schwärmerische Naturen im Stande. Man weiß von tiefen<lb/> Denkern und emsigen Gelehrten, daß sie sich Jahre lang in Einsam¬<lb/> keit vergruben; sie thaten es freiwillig und hatten eine Beschäftigung,<lb/> die ihr Hetz und ihren Geist ausfüllte, dennoch rächte sich die Natur<lb/> an ihnen durch Krankheit, Menschenhaß und Lebensüberdruß; denn es<lb/> ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. Man weiß von Anachoreten,<lb/> von heiligen Einsiedlern, die ihr Leben fern von der Welt zubrachten;<lb/> sie waren dabei in Freiheit, verkehrten mit Gottes großer Natur und<lb/> mit allen Ereaturen; aber sie hatten in Folge ihrer Einsamkeit Visi¬<lb/> onen, krankhafte Phantasien, die als Wunder und Zeichen angesehen<lb/> wurden. Den ungebildeten, verwahrlosten Verbrecher aber, dessen Ge¬<lb/> müth keine Jehrung hat, als die Erinnerung an eine trostlose Ver¬<lb/> gangenheit, dessen Phantasie nur erfüllt ist von den wüsten Bildern<lb/> seiner Verirrungen und Vergehen, solch einen Unseligen in Einsamkeit<lb/> abzusperren, in eine Zelle zu stecken, deren künstlicher Bau sogar den<lb/> leisesten Schall und Ton der Außenwelt entfernt, ihm nichts als einen<lb/> Blick nach den Wolken durch ein Stückchen mattes Glas läßt, und<lb/> dies Alles in dem Wahn, ihn zu bessern, darauf konnte nur die<lb/> heuchlerische Sentimentalität und die stille Grausamkeit des Pietismus<lb/> kommen, der in seinen Auswüchsen eben so aberwitzige Verkehrtheiten<lb/> erzeugt, wie der Fanatismus des katholischen Mittelalters. Das pen-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0556]
Glauben zu vermitteln. Im vorigen Sommer mochte ihm dies ganz
besonders gelungen sein: denn am Schlüsse des Semesters wollten ihm
seine Zuhörer einen Fackelzug bringen. Die Hallesche Polizei, welche
seit Jahr und Tag dergleichen wegen Feuersgefahr verboten hatte,
erklärte jedoch mit so unvorsichtiger Eile, daß sie zu einer Demonstra¬
tion für den hochverdienten Professor Erdmann sehr gern die Erlaub¬
niß ertheile, daß die meisten Studenten mißtrauisch wurden und sich
zurückzogen. — Da ich einmal über das Verhältniß der Halleschcn
Philosophie zur Polizei schreibe, so kann ich nicht umhin, auch fol¬
genden Vorfalles zu erwähnen. Dem-Pastor Wislicenus wurde im
Wittenberger Colloquium angezeigt, ein Professor der Philosophie habe
sich erboten, vor Gericht zu bezeugen, daß er eine Auslassung bei der
Taufsormcl sich habe zu Schulden kommen lassen. Professor Ulrici,
der sich getroffen fühlte, erklärt das in einem Localblatte für eine Un¬
wahrheit, und es ergibt sich, daß er nur privatim dem Professor Tho-
luck die Sache mittheilte. Gegen den Vorwurf der Denunciation hat
Ulrici sich nun freilich gerechtfertigt; allein ein Professor der Aesthetik
... sollte doch auch nicht bei Tholuck zur Beichte gehn!
VI s.
Die eittsameu Gefängnisse.
Die völlige Einsamkeit zu ertragen, sind nur hochstehende Gei¬
ster oder schwärmerische Naturen im Stande. Man weiß von tiefen
Denkern und emsigen Gelehrten, daß sie sich Jahre lang in Einsam¬
keit vergruben; sie thaten es freiwillig und hatten eine Beschäftigung,
die ihr Hetz und ihren Geist ausfüllte, dennoch rächte sich die Natur
an ihnen durch Krankheit, Menschenhaß und Lebensüberdruß; denn es
ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. Man weiß von Anachoreten,
von heiligen Einsiedlern, die ihr Leben fern von der Welt zubrachten;
sie waren dabei in Freiheit, verkehrten mit Gottes großer Natur und
mit allen Ereaturen; aber sie hatten in Folge ihrer Einsamkeit Visi¬
onen, krankhafte Phantasien, die als Wunder und Zeichen angesehen
wurden. Den ungebildeten, verwahrlosten Verbrecher aber, dessen Ge¬
müth keine Jehrung hat, als die Erinnerung an eine trostlose Ver¬
gangenheit, dessen Phantasie nur erfüllt ist von den wüsten Bildern
seiner Verirrungen und Vergehen, solch einen Unseligen in Einsamkeit
abzusperren, in eine Zelle zu stecken, deren künstlicher Bau sogar den
leisesten Schall und Ton der Außenwelt entfernt, ihm nichts als einen
Blick nach den Wolken durch ein Stückchen mattes Glas läßt, und
dies Alles in dem Wahn, ihn zu bessern, darauf konnte nur die
heuchlerische Sentimentalität und die stille Grausamkeit des Pietismus
kommen, der in seinen Auswüchsen eben so aberwitzige Verkehrtheiten
erzeugt, wie der Fanatismus des katholischen Mittelalters. Das pen-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |