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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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erbot, ihn für Aufgabe desselben zu entschädigen, damit er sich erholen
könne. Der mit Hamburg abgeschlossene Contract entschuldigt dies
Verfahren des Herrn Hendrichs, wenn es auch nicht für sein Zartge¬
fühl spricht, daß er in Hamburg auf dem Thaliathcater so kurze Zeit
nach seinem ungesetzlichen Abgange vom Stadttheater auftritt. Aber
er nimmt auch noch ein zweites Gastspiel in Hannover an, begibt
sich hierauf zu Ende seines Urlaubs nach dem Bade Soden bei Frank¬
furt a. M. und schreibt hierher, er könne nicht kommen, er müsse zu¬
vor seine angegriffene Gesundheit im Bade wiederherstellen. Zeugt
dies schon von unverantwortlicher Rücksichtslosigkeit, so muß es end¬
lich jedes rechtliche Gefühl im höchsten Grade empören, daß Herr Hend¬
richs es wagt, als Gast die Frankfurter Bühne zu betreten, wahrend
er einer vorgeschützten Krankheit halber seinen Urlaub willkürlich ver¬
längerte. Ich überlasse es jedem Unbefangenen, zu beurtheilen, ob
ein solches Verfahren sich mit der Ehre des Mannes und Künstlers
verträgt. Es ist hohe Zeit, daß dergleichen Anmaßungen öffentlich
auf das schonungsloseste gezüchtigt werden. -- Herr Baison hatte
für die in Verlegenheit gesetzte hiesige Intendanz die Gefälligkeit, auf
vierzehn Tage von Hamburg herüberzukommen, und begann mit einer
meisterhaften Darstellung des Stephan in "Gebrüder Fester" am
12. Juni sein Gastspiel, ehrend empfangen und mit Beifall belohnt.


A. Gtz.
IV.
Aus Brüssel.

Belgien und das Rheinland. -- Guelphen und Ghibellinen. -- Haumann. --
Das Stichwort zur Colonisationsaeschichte von Guatemala. -- Deutsche in
Belgien. -- Adam Gurowsky und seine Tour.

Ich bin überzeugt, der größte Theil der deutschen Leser hat die
Berichte über unsere am 1t). Juni stattgefundenen Kammerwahlen flüch¬
tig überschlagen. Was kann dieser Misere Großes begegnen? denkt
man sich in Deutschland, und schaut von der Höhe seiner eignen Misere
vornehm herab auf das kleine Nachbarland. Die Wenigsten verstehen
den Ausammenhang unserer Verhältnisse mit den deutschen. Belgien
und die Rheinlands aber sind leibliche Schwestern, wenn auch jede einem
andern Gatten angetraut ist. Unser .Sinn-nul "Jo !jnix"IIe8 und die
Rhein- und Moselzeitung sind leibliche Vettern, die bei einem und
demselben Herrn dienen, obschon das Gesinde in Coblenz deutsch und
hier französisch spricht.

Trennung des Staats von der Kirche -- das ist leicht gesagt.
Allein wo findet diese Trennung wirklich Statt? Weder in Frankreich,
noch in Deutschland, weder in Oesterreich, noch in England. Wehe
dem Staate, der sich Alles aus den Händen spielen läßt. Hier in
Belgien hat die Constitution dem Staate auch jenen Grad von Ober-


erbot, ihn für Aufgabe desselben zu entschädigen, damit er sich erholen
könne. Der mit Hamburg abgeschlossene Contract entschuldigt dies
Verfahren des Herrn Hendrichs, wenn es auch nicht für sein Zartge¬
fühl spricht, daß er in Hamburg auf dem Thaliathcater so kurze Zeit
nach seinem ungesetzlichen Abgange vom Stadttheater auftritt. Aber
er nimmt auch noch ein zweites Gastspiel in Hannover an, begibt
sich hierauf zu Ende seines Urlaubs nach dem Bade Soden bei Frank¬
furt a. M. und schreibt hierher, er könne nicht kommen, er müsse zu¬
vor seine angegriffene Gesundheit im Bade wiederherstellen. Zeugt
dies schon von unverantwortlicher Rücksichtslosigkeit, so muß es end¬
lich jedes rechtliche Gefühl im höchsten Grade empören, daß Herr Hend¬
richs es wagt, als Gast die Frankfurter Bühne zu betreten, wahrend
er einer vorgeschützten Krankheit halber seinen Urlaub willkürlich ver¬
längerte. Ich überlasse es jedem Unbefangenen, zu beurtheilen, ob
ein solches Verfahren sich mit der Ehre des Mannes und Künstlers
verträgt. Es ist hohe Zeit, daß dergleichen Anmaßungen öffentlich
auf das schonungsloseste gezüchtigt werden. — Herr Baison hatte
für die in Verlegenheit gesetzte hiesige Intendanz die Gefälligkeit, auf
vierzehn Tage von Hamburg herüberzukommen, und begann mit einer
meisterhaften Darstellung des Stephan in „Gebrüder Fester" am
12. Juni sein Gastspiel, ehrend empfangen und mit Beifall belohnt.


A. Gtz.
IV.
Aus Brüssel.

Belgien und das Rheinland. — Guelphen und Ghibellinen. — Haumann. —
Das Stichwort zur Colonisationsaeschichte von Guatemala. — Deutsche in
Belgien. — Adam Gurowsky und seine Tour.

Ich bin überzeugt, der größte Theil der deutschen Leser hat die
Berichte über unsere am 1t). Juni stattgefundenen Kammerwahlen flüch¬
tig überschlagen. Was kann dieser Misere Großes begegnen? denkt
man sich in Deutschland, und schaut von der Höhe seiner eignen Misere
vornehm herab auf das kleine Nachbarland. Die Wenigsten verstehen
den Ausammenhang unserer Verhältnisse mit den deutschen. Belgien
und die Rheinlands aber sind leibliche Schwestern, wenn auch jede einem
andern Gatten angetraut ist. Unser .Sinn-nul «Jo !jnix«IIe8 und die
Rhein- und Moselzeitung sind leibliche Vettern, die bei einem und
demselben Herrn dienen, obschon das Gesinde in Coblenz deutsch und
hier französisch spricht.

Trennung des Staats von der Kirche — das ist leicht gesagt.
Allein wo findet diese Trennung wirklich Statt? Weder in Frankreich,
noch in Deutschland, weder in Oesterreich, noch in England. Wehe
dem Staate, der sich Alles aus den Händen spielen läßt. Hier in
Belgien hat die Constitution dem Staate auch jenen Grad von Ober-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/592>, abgerufen am 27.04.2024.