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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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indem Deutschland leicht durch Herrn Adam Gurowskv zu einer Re¬
volution verführt werden und den Czaar zum Kaiser von Deutschland
L.....es. proclamiren könnte. --


V.
Heinrich von Bttlow.

Unter den Schriftstellern des vorigen Jahrhunderts, die man jetzt
bisweilen sehr überflüssig in neuen Ausgaben aus ihrem Grabe wieder
erstehen laßt, hören wir auch von der Resurrccrion eines merkwürdigen
Autors, des sowohlwegen seines ungewöhnlichen, wahrhaft revolutionären
Styls, als seiner wunderbaren Abenteuer halber interessanten Heinrich Frei¬
herrn von Bülow. Er war bekanntlich ein Bruder des Feldherrn Vü-
low-Dennewitz. Der Vater dieser beiden merkwürdigen Brüder war
eine der classischesten Figuren des vielbelobten deutschen Rcichsadels.
Es liegen Briefe vor, worin dieser Alte seinen beiden Söhnen Vor¬
würfe macht, daß sie nicht liederlich genug seien. Einst ließ dieser
alte Freiherr einen Gerichtsbeamten, der auf seinem Schlosse sich
präsentirte, von seinem Bedienten fassen, rücklings auf einen Esel
setzen und so durch's Dorf zum großen Gaudium der unterthänigsten
Bauernschaft führen. -- Der Beamte ertrug dies mit so viel Würde,
als seine komische Position zuließ, aber zurückgekehrt, machte er Sr.
Hochgeboren einen Proceß, der diesem die Hälfte seines Vermögens
kostete. Dieser alte Reichsfreiherr hatte Friedrich dem Großen hundert¬
tausend Thaler zu seiner Ausrüstung für den siebenjährigen Krieg ge¬
liehen (die Familie processirt um die Rückzahlung dieser Summe noch
jetzt). Als Gläubiger des Königs glaubte er jede Forderung machen
zu dürfen, und eines schönen Morgens schrieb er diesem aus seinem
Schlosse Falkenberg in der Altmark einen Brief,, worin er plötzlich und
ohne alle staatsdicnstliche Vorbereitung eine Ernennung zum Minister ver¬
langte. Friedrich schrieb nach seiner lakonischer Weise ihm zurück: "Mein
lieber Bülow! Das geht nicht. Zhr wohlassectionirter in.-c." Dieses
nahm der alte Mann sich so zu Herzen, daß er von der Stunde an trüb¬
sinnig wurde, kein Wort mehr sprach, seine Burg nicht verließ, sich
den Bart wachsen ließ und in diesem Zustande noch zwanzig Jahre
lebte. Unter der Leitung eines solchen Vaters mußte der Charakter
seiner Söhne eine eigenthümliche Entwickelung erhalten. Die Persön¬
lichkeit des Generals und Musikcompositeurs Bülow-Dennewitz ist aller
Welt bekannt; weniger ist dies mit der Persönlichkeit seines jüngern
Bruders, des erwähnten Schriftstellers H einrieb v. B. (er hieß eigent¬
lich Dietrich, aber durch einen sonderbaren Druckfehler wurde er auf
dem Titel seiner Bücher zu einem Heinrich umgestempelt und mußte
diesen Taufnamen beibehalten). Sein leidenschaftlicher und unabhän¬
giger Geist machte ihn zum Abenteurer. Erst diente er in der In¬
fanterie, wo es ihm nicht gefiel, dann ging er zur Cavallerie, wo es


indem Deutschland leicht durch Herrn Adam Gurowskv zu einer Re¬
volution verführt werden und den Czaar zum Kaiser von Deutschland
L.....es. proclamiren könnte. —


V.
Heinrich von Bttlow.

Unter den Schriftstellern des vorigen Jahrhunderts, die man jetzt
bisweilen sehr überflüssig in neuen Ausgaben aus ihrem Grabe wieder
erstehen laßt, hören wir auch von der Resurrccrion eines merkwürdigen
Autors, des sowohlwegen seines ungewöhnlichen, wahrhaft revolutionären
Styls, als seiner wunderbaren Abenteuer halber interessanten Heinrich Frei¬
herrn von Bülow. Er war bekanntlich ein Bruder des Feldherrn Vü-
low-Dennewitz. Der Vater dieser beiden merkwürdigen Brüder war
eine der classischesten Figuren des vielbelobten deutschen Rcichsadels.
Es liegen Briefe vor, worin dieser Alte seinen beiden Söhnen Vor¬
würfe macht, daß sie nicht liederlich genug seien. Einst ließ dieser
alte Freiherr einen Gerichtsbeamten, der auf seinem Schlosse sich
präsentirte, von seinem Bedienten fassen, rücklings auf einen Esel
setzen und so durch's Dorf zum großen Gaudium der unterthänigsten
Bauernschaft führen. — Der Beamte ertrug dies mit so viel Würde,
als seine komische Position zuließ, aber zurückgekehrt, machte er Sr.
Hochgeboren einen Proceß, der diesem die Hälfte seines Vermögens
kostete. Dieser alte Reichsfreiherr hatte Friedrich dem Großen hundert¬
tausend Thaler zu seiner Ausrüstung für den siebenjährigen Krieg ge¬
liehen (die Familie processirt um die Rückzahlung dieser Summe noch
jetzt). Als Gläubiger des Königs glaubte er jede Forderung machen
zu dürfen, und eines schönen Morgens schrieb er diesem aus seinem
Schlosse Falkenberg in der Altmark einen Brief,, worin er plötzlich und
ohne alle staatsdicnstliche Vorbereitung eine Ernennung zum Minister ver¬
langte. Friedrich schrieb nach seiner lakonischer Weise ihm zurück: „Mein
lieber Bülow! Das geht nicht. Zhr wohlassectionirter in.-c." Dieses
nahm der alte Mann sich so zu Herzen, daß er von der Stunde an trüb¬
sinnig wurde, kein Wort mehr sprach, seine Burg nicht verließ, sich
den Bart wachsen ließ und in diesem Zustande noch zwanzig Jahre
lebte. Unter der Leitung eines solchen Vaters mußte der Charakter
seiner Söhne eine eigenthümliche Entwickelung erhalten. Die Persön¬
lichkeit des Generals und Musikcompositeurs Bülow-Dennewitz ist aller
Welt bekannt; weniger ist dies mit der Persönlichkeit seines jüngern
Bruders, des erwähnten Schriftstellers H einrieb v. B. (er hieß eigent¬
lich Dietrich, aber durch einen sonderbaren Druckfehler wurde er auf
dem Titel seiner Bücher zu einem Heinrich umgestempelt und mußte
diesen Taufnamen beibehalten). Sein leidenschaftlicher und unabhän¬
giger Geist machte ihn zum Abenteurer. Erst diente er in der In¬
fanterie, wo es ihm nicht gefiel, dann ging er zur Cavallerie, wo es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/596>, abgerufen am 27.04.2024.