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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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blutigste Strenge die auf die Spitze gestellte Sicherheit zu retten ver¬
möge. Wenn wir aber hören, gegen wen dieser schonungslose Ge¬
brauch der Waffen von Seilen der Schildwachen gemacht wird, so
müssen wir wahrlich erröthen über die Sinnlosigkeit einer Härte, der
selbst jeder vernünftige Vorwand fehlt. So wurde erst gestern Abends
von dem beim Kärnthnerthore stehenden Wachtposten auf einen Vor¬
übergehenden geschossen, weil -- weil -- nun ich schäme mich es
auszusprechen, -- weil derselbe eine Cigarre rauchte und sie nicht auf
das Geheiß des Soldaten wegwerfen wollte!!! Die Kugel des wak-
Lern Schützen flog seitwärts und verwundete einen am Arm seiner
Frau gehenden Herrn an der Schulter. Dieser Vorfall hat die all¬
gemeinste Erbitterung hervorgerufen, und selbst in dem nahen Opern¬
theater war die Aufregung außerordentlich. Bei der bekannten Mäßi¬
gung der österreichischen Regierung ist mit Zuversicht zu erwarten, daß
jugendliche Extravaganzen, die zu nichts Gutem führen können, für
die Zukunft unschädlich gemacht werden.


II.
Aus Berlin.

<?-">>tatio I>snvvolsnti->o. -- Die neue Asträa und die großen Kinder. -- Ein
Stern am preußischen Himmel. -- Die Politik der Zukunft. -- Eine königliche
Concession. -- Der Herr Beobachter. -- Zur Geschichte der "guten" Presse.
-- Die Landtagsabschiede über die Presse.

Leser Ihrer Zeitschrift, die nicht mit dem übernatürlichen Ver,
stände des "Rheinischen Beobachters," sondern mit gewöhnlichem
Menschenverstande begabt sind, haben es gewiß schon längst gemerkt,
daß Ihr Berliner Correspondent von dem "Correspondiren" nicht Ge¬
werbe macht, sondern nur gelegentlich seine Bemerkungen über daS
was sich ihm aufgedrängt hat, dem Leser zur Prüfung und weitern
Betrachtung vorlegt. Um Neuigkeiten, um eine Art Zeitungsbericht
kann es dabei nicht zu thun sein, und ich schmeichle mir, daß es dein
Leser nicht unangenehm sein wird, wenn ich mitunter auch auf Dinge
die schon vor Wochen geschehen sind, zurückgehe, besonders, wenn die
Reihe ihrer Wirkungen noch nicht erschöpft ist. Diesmal will ich
versuchen, die meiner Ansicht nach hervorragendsten Ereignisse, welche
während der letzten sechs Wochen entweder von hier ausgingen oder
die Stadt selbst näher berührten, vorüberzuführen.

Dem Himmel gebührt der Vorrang. Also zuerst ein Wort über
die an unserm Himmel gegen Ende des vorigen Jahres gemachte
Entdeckung eine" neuen Planeten, des zwölften im ganzen Systeme
und des fünften unter den sogenannten Asteroiden, deren Entdeckung
im zweiten Jahre des gegenwärtigen Jahrhunderts begann. Die vier
ersten, Ceres, Pallas, Juno und Vesta wurden rasch nacheinander von


blutigste Strenge die auf die Spitze gestellte Sicherheit zu retten ver¬
möge. Wenn wir aber hören, gegen wen dieser schonungslose Ge¬
brauch der Waffen von Seilen der Schildwachen gemacht wird, so
müssen wir wahrlich erröthen über die Sinnlosigkeit einer Härte, der
selbst jeder vernünftige Vorwand fehlt. So wurde erst gestern Abends
von dem beim Kärnthnerthore stehenden Wachtposten auf einen Vor¬
übergehenden geschossen, weil — weil — nun ich schäme mich es
auszusprechen, — weil derselbe eine Cigarre rauchte und sie nicht auf
das Geheiß des Soldaten wegwerfen wollte!!! Die Kugel des wak-
Lern Schützen flog seitwärts und verwundete einen am Arm seiner
Frau gehenden Herrn an der Schulter. Dieser Vorfall hat die all¬
gemeinste Erbitterung hervorgerufen, und selbst in dem nahen Opern¬
theater war die Aufregung außerordentlich. Bei der bekannten Mäßi¬
gung der österreichischen Regierung ist mit Zuversicht zu erwarten, daß
jugendliche Extravaganzen, die zu nichts Gutem führen können, für
die Zukunft unschädlich gemacht werden.


II.
Aus Berlin.

<?-»>>tatio I>snvvolsnti->o. — Die neue Asträa und die großen Kinder. — Ein
Stern am preußischen Himmel. — Die Politik der Zukunft. — Eine königliche
Concession. — Der Herr Beobachter. — Zur Geschichte der „guten" Presse.
— Die Landtagsabschiede über die Presse.

Leser Ihrer Zeitschrift, die nicht mit dem übernatürlichen Ver,
stände des „Rheinischen Beobachters," sondern mit gewöhnlichem
Menschenverstande begabt sind, haben es gewiß schon längst gemerkt,
daß Ihr Berliner Correspondent von dem „Correspondiren" nicht Ge¬
werbe macht, sondern nur gelegentlich seine Bemerkungen über daS
was sich ihm aufgedrängt hat, dem Leser zur Prüfung und weitern
Betrachtung vorlegt. Um Neuigkeiten, um eine Art Zeitungsbericht
kann es dabei nicht zu thun sein, und ich schmeichle mir, daß es dein
Leser nicht unangenehm sein wird, wenn ich mitunter auch auf Dinge
die schon vor Wochen geschehen sind, zurückgehe, besonders, wenn die
Reihe ihrer Wirkungen noch nicht erschöpft ist. Diesmal will ich
versuchen, die meiner Ansicht nach hervorragendsten Ereignisse, welche
während der letzten sechs Wochen entweder von hier ausgingen oder
die Stadt selbst näher berührten, vorüberzuführen.

Dem Himmel gebührt der Vorrang. Also zuerst ein Wort über
die an unserm Himmel gegen Ende des vorigen Jahres gemachte
Entdeckung eine« neuen Planeten, des zwölften im ganzen Systeme
und des fünften unter den sogenannten Asteroiden, deren Entdeckung
im zweiten Jahre des gegenwärtigen Jahrhunderts begann. Die vier
ersten, Ceres, Pallas, Juno und Vesta wurden rasch nacheinander von


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[0376] blutigste Strenge die auf die Spitze gestellte Sicherheit zu retten ver¬ möge. Wenn wir aber hören, gegen wen dieser schonungslose Ge¬ brauch der Waffen von Seilen der Schildwachen gemacht wird, so müssen wir wahrlich erröthen über die Sinnlosigkeit einer Härte, der selbst jeder vernünftige Vorwand fehlt. So wurde erst gestern Abends von dem beim Kärnthnerthore stehenden Wachtposten auf einen Vor¬ übergehenden geschossen, weil — weil — nun ich schäme mich es auszusprechen, — weil derselbe eine Cigarre rauchte und sie nicht auf das Geheiß des Soldaten wegwerfen wollte!!! Die Kugel des wak- Lern Schützen flog seitwärts und verwundete einen am Arm seiner Frau gehenden Herrn an der Schulter. Dieser Vorfall hat die all¬ gemeinste Erbitterung hervorgerufen, und selbst in dem nahen Opern¬ theater war die Aufregung außerordentlich. Bei der bekannten Mäßi¬ gung der österreichischen Regierung ist mit Zuversicht zu erwarten, daß jugendliche Extravaganzen, die zu nichts Gutem führen können, für die Zukunft unschädlich gemacht werden. II. Aus Berlin. <?-»>>tatio I>snvvolsnti->o. — Die neue Asträa und die großen Kinder. — Ein Stern am preußischen Himmel. — Die Politik der Zukunft. — Eine königliche Concession. — Der Herr Beobachter. — Zur Geschichte der „guten" Presse. — Die Landtagsabschiede über die Presse. Leser Ihrer Zeitschrift, die nicht mit dem übernatürlichen Ver, stände des „Rheinischen Beobachters," sondern mit gewöhnlichem Menschenverstande begabt sind, haben es gewiß schon längst gemerkt, daß Ihr Berliner Correspondent von dem „Correspondiren" nicht Ge¬ werbe macht, sondern nur gelegentlich seine Bemerkungen über daS was sich ihm aufgedrängt hat, dem Leser zur Prüfung und weitern Betrachtung vorlegt. Um Neuigkeiten, um eine Art Zeitungsbericht kann es dabei nicht zu thun sein, und ich schmeichle mir, daß es dein Leser nicht unangenehm sein wird, wenn ich mitunter auch auf Dinge die schon vor Wochen geschehen sind, zurückgehe, besonders, wenn die Reihe ihrer Wirkungen noch nicht erschöpft ist. Diesmal will ich versuchen, die meiner Ansicht nach hervorragendsten Ereignisse, welche während der letzten sechs Wochen entweder von hier ausgingen oder die Stadt selbst näher berührten, vorüberzuführen. Dem Himmel gebührt der Vorrang. Also zuerst ein Wort über die an unserm Himmel gegen Ende des vorigen Jahres gemachte Entdeckung eine« neuen Planeten, des zwölften im ganzen Systeme und des fünften unter den sogenannten Asteroiden, deren Entdeckung im zweiten Jahre des gegenwärtigen Jahrhunderts begann. Die vier ersten, Ceres, Pallas, Juno und Vesta wurden rasch nacheinander von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/376>, abgerufen am 29.04.2024.