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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Bühne, hat endlich ihre Erledigung gesunde", und zwar nicht im
Sinne der Magvarisirungspartei, denn es wurde die Direktion dem
Schlossermeister Michel zugesprochen, der mit 80W Fi. Schuldforde-
rung bei dem bankerotten Direktor Huber vorgemerkt war. Jene,
welche gut unterrichtet sein wollen, behaupten indeß, daß das Ganze
eine bloße Komödie sei und der Schlossermeister Michel der Stroh¬
mann des Herrn Huber, der trotz Vergantung und allgemeiner Mi߬
achtung dennoch die Direktion gar so gern fortführen möchte und nun
wohl auch fortführen wird.

Unter den Walachen in Siebenbürgen und der angrenzenden Mi¬
litärgrenzbezirke bemerkt man seit einiger Zeit bedenkliche Bewegungen,
deren Heerd wohl jenseits des Pruth zu suchen sein dürfte; wenig¬
stens hat man gefunden, daß Emmissare griechische in Nußland ge¬
druckte Gebetbücher und konfessionelle Schriften unter das Volk ver¬
theilen, in welchen natürlich das Heil der Welt als einzig und allein
vom Osten herkommend bezeichnet wird, und die "Unterdrücker"
nicht gut wegzukommen pflegen. Unter den Unterdrückern der Wala¬
chen ist aber niemand Anderes als die Deutschen und Magyaren
verstanden, die in Siebenbürgen allein politische Rechte genießen, in¬
deß die eine Million starke walachische Bevölkerung rechtlos dasteht, diesen
Austand aber durch ihre Rohheit und sittliche Verwilderung zum Theil
verdient. In der Person der wilden Varga, eines entschlossenen Wei¬
bes von männlicher Thatkraft, hat die Propaganda ein vortreffliches
Werkzeug gewonnen, doch ist die demagogische Walachin bereits in
Haft und die Untersuchung beschlossen, so daß das Urtheil nächstens
von der siebenbürgischen Hofkanzlei in Wien zu erwarten steht.


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M a n n a!

Der Orient ist trotz der orientalischen Frage, trotz seiner stum¬
men Paschas und seiner listigen Raubthiere, immer noch schöner und
glücklicher als das kleine altkluge Europa. -- Europa ist die Hoch¬
schule, die Hauptstadt, der Regierungssitz des Erdballs, aber der
Orient hat noch einen Himmel. Wir haben den Baum der Erkennt¬
niß, der Orient hat das Paradies. Er ist die Wiege, Europa ist
der Großvaterstuhl der Menschheit. Wir haben uns von der Natur
emancipier, der Mensch hat sich bei uns gekleidet mit allen Schleiern
und Hüllen der Kunst, aber seine Mutter hat er dafür ausgezogen;
seine Mutter Erde wird immer nackter, dürftiger und kraftloser, sie
kann keine Wunder mehr wirken und nur die Leichen können noch
sorglos, in ihrem Schoße ruhen. Die geheimnißreichen Wälder ver¬
schwinden, die Quellen versiegen, die Ströme vertrocknen immer
mehr; die wilden Gärten der Urzeit wurden gezähmt, lange thaten
sie Frohndienst und bereicherten unsere Markte und Küchen; jetzt sind


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Bühne, hat endlich ihre Erledigung gesunde», und zwar nicht im
Sinne der Magvarisirungspartei, denn es wurde die Direktion dem
Schlossermeister Michel zugesprochen, der mit 80W Fi. Schuldforde-
rung bei dem bankerotten Direktor Huber vorgemerkt war. Jene,
welche gut unterrichtet sein wollen, behaupten indeß, daß das Ganze
eine bloße Komödie sei und der Schlossermeister Michel der Stroh¬
mann des Herrn Huber, der trotz Vergantung und allgemeiner Mi߬
achtung dennoch die Direktion gar so gern fortführen möchte und nun
wohl auch fortführen wird.

Unter den Walachen in Siebenbürgen und der angrenzenden Mi¬
litärgrenzbezirke bemerkt man seit einiger Zeit bedenkliche Bewegungen,
deren Heerd wohl jenseits des Pruth zu suchen sein dürfte; wenig¬
stens hat man gefunden, daß Emmissare griechische in Nußland ge¬
druckte Gebetbücher und konfessionelle Schriften unter das Volk ver¬
theilen, in welchen natürlich das Heil der Welt als einzig und allein
vom Osten herkommend bezeichnet wird, und die „Unterdrücker"
nicht gut wegzukommen pflegen. Unter den Unterdrückern der Wala¬
chen ist aber niemand Anderes als die Deutschen und Magyaren
verstanden, die in Siebenbürgen allein politische Rechte genießen, in¬
deß die eine Million starke walachische Bevölkerung rechtlos dasteht, diesen
Austand aber durch ihre Rohheit und sittliche Verwilderung zum Theil
verdient. In der Person der wilden Varga, eines entschlossenen Wei¬
bes von männlicher Thatkraft, hat die Propaganda ein vortreffliches
Werkzeug gewonnen, doch ist die demagogische Walachin bereits in
Haft und die Untersuchung beschlossen, so daß das Urtheil nächstens
von der siebenbürgischen Hofkanzlei in Wien zu erwarten steht.


V.
M a n n a!

Der Orient ist trotz der orientalischen Frage, trotz seiner stum¬
men Paschas und seiner listigen Raubthiere, immer noch schöner und
glücklicher als das kleine altkluge Europa. — Europa ist die Hoch¬
schule, die Hauptstadt, der Regierungssitz des Erdballs, aber der
Orient hat noch einen Himmel. Wir haben den Baum der Erkennt¬
niß, der Orient hat das Paradies. Er ist die Wiege, Europa ist
der Großvaterstuhl der Menschheit. Wir haben uns von der Natur
emancipier, der Mensch hat sich bei uns gekleidet mit allen Schleiern
und Hüllen der Kunst, aber seine Mutter hat er dafür ausgezogen;
seine Mutter Erde wird immer nackter, dürftiger und kraftloser, sie
kann keine Wunder mehr wirken und nur die Leichen können noch
sorglos, in ihrem Schoße ruhen. Die geheimnißreichen Wälder ver¬
schwinden, die Quellen versiegen, die Ströme vertrocknen immer
mehr; die wilden Gärten der Urzeit wurden gezähmt, lange thaten
sie Frohndienst und bereicherten unsere Markte und Küchen; jetzt sind


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[0475] Bühne, hat endlich ihre Erledigung gesunde», und zwar nicht im Sinne der Magvarisirungspartei, denn es wurde die Direktion dem Schlossermeister Michel zugesprochen, der mit 80W Fi. Schuldforde- rung bei dem bankerotten Direktor Huber vorgemerkt war. Jene, welche gut unterrichtet sein wollen, behaupten indeß, daß das Ganze eine bloße Komödie sei und der Schlossermeister Michel der Stroh¬ mann des Herrn Huber, der trotz Vergantung und allgemeiner Mi߬ achtung dennoch die Direktion gar so gern fortführen möchte und nun wohl auch fortführen wird. Unter den Walachen in Siebenbürgen und der angrenzenden Mi¬ litärgrenzbezirke bemerkt man seit einiger Zeit bedenkliche Bewegungen, deren Heerd wohl jenseits des Pruth zu suchen sein dürfte; wenig¬ stens hat man gefunden, daß Emmissare griechische in Nußland ge¬ druckte Gebetbücher und konfessionelle Schriften unter das Volk ver¬ theilen, in welchen natürlich das Heil der Welt als einzig und allein vom Osten herkommend bezeichnet wird, und die „Unterdrücker" nicht gut wegzukommen pflegen. Unter den Unterdrückern der Wala¬ chen ist aber niemand Anderes als die Deutschen und Magyaren verstanden, die in Siebenbürgen allein politische Rechte genießen, in¬ deß die eine Million starke walachische Bevölkerung rechtlos dasteht, diesen Austand aber durch ihre Rohheit und sittliche Verwilderung zum Theil verdient. In der Person der wilden Varga, eines entschlossenen Wei¬ bes von männlicher Thatkraft, hat die Propaganda ein vortreffliches Werkzeug gewonnen, doch ist die demagogische Walachin bereits in Haft und die Untersuchung beschlossen, so daß das Urtheil nächstens von der siebenbürgischen Hofkanzlei in Wien zu erwarten steht. V. M a n n a! Der Orient ist trotz der orientalischen Frage, trotz seiner stum¬ men Paschas und seiner listigen Raubthiere, immer noch schöner und glücklicher als das kleine altkluge Europa. — Europa ist die Hoch¬ schule, die Hauptstadt, der Regierungssitz des Erdballs, aber der Orient hat noch einen Himmel. Wir haben den Baum der Erkennt¬ niß, der Orient hat das Paradies. Er ist die Wiege, Europa ist der Großvaterstuhl der Menschheit. Wir haben uns von der Natur emancipier, der Mensch hat sich bei uns gekleidet mit allen Schleiern und Hüllen der Kunst, aber seine Mutter hat er dafür ausgezogen; seine Mutter Erde wird immer nackter, dürftiger und kraftloser, sie kann keine Wunder mehr wirken und nur die Leichen können noch sorglos, in ihrem Schoße ruhen. Die geheimnißreichen Wälder ver¬ schwinden, die Quellen versiegen, die Ströme vertrocknen immer mehr; die wilden Gärten der Urzeit wurden gezähmt, lange thaten sie Frohndienst und bereicherten unsere Markte und Küchen; jetzt sind 59/

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/475>, abgerufen am 28.04.2024.