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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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rung in dieser Angelegenheit als Advocat des steuerbaren Bürger¬
und Bauernstandes auf, indeß der Adel diesmal die früher der Ne¬
gierung zugefallene Rolle durchspielen muß. Da sich die Interessen
vertauscht haben, so mußte auch ein Tausch der Sympathien stattfin¬
den, und in diesem ganz natürlichen Wechsel der Meinungen liegt
das Näthselwort der gegenwärtigen öffentlichen Stimmung in Ungarn.
Man begreift also auch, wie die günstige Lage der Regierung dem op¬
positionellen Lager gegenüber keineswegs eine gesicherte genannt wer¬
den kann, sondern lediglich von dem Verhalten der Regierung sowohl,
als der Liberalen bedingt erscheint; welche von beiden Seitensich liberaler
zeigen wird, das heißt patriotischer in der Aufopferung historischer
Rechte zu Gunsten der materiellen Emporbnngung und innern Blüte
des Landes, die wird auch die Meinung der Nation für sich haben,
denn am Ende kann es der Nation vollkommen gleichgültig sein, ob
es die Conservativen sind, denen sie ihren Ausschwung verdankt, oder
die Liberalen, da es sich einzig um die Erlangung einer gleichmäßigen
Besteuerung handelt, ohne welche kein materieller Fortschritt möglich ist.
Der Parteienkampf muß also nothwendigerweise ein Wettkampf des
Edelmuthes werden, und wer bei dieser Auction der Volksgunst den Sieg
davon trägt, der hat für die nächste Zukunft das Heft der politischen
Macht in Händen. Wir können ruhig als Kampfrichter zuschauen,
denn wie die Würfel der Entscheidung auch fallen mögen, wir kön¬
nen dabei blos gewinnen und werden dem Sieger am Schlüsse den
Dank gewiß nicht vorenthalten.


II
Aus Berlin.

Herr Dönniges. -- Eine diplomatische Schwenkung. -- Verrälherische An¬
führungszeichen und verrätherische Anführungen. -- Auch eine Kritik. -- Der
Sturzsche Handel. -- Persönlichkeiten die Grund haben. -- Gleiche Waffen.
-- Die Horatiertaktik. -- Schwindeleien. -- Berliner Witz. -- Bescheidener
Prosit K I'unKl-us. -- Verbot der Verleitung zu Auswanderungen.

Eben da ich an die Fortsetzung meiner Rückschau gehen will,
erhalte ich die Allgemeine Zeitung und finde in der Beilage den vier¬
ten Artikel eines Aufsatzes von Herrn Prof.Dönniges "über die preu--
ßische Bankfrage." Da ich in meinem vorigen Schreiben diese strei¬
tige Angelegenheit berührt habe, so will ich auch die Dönnigessche
Betheiligung bei derselben nicht unerwähnt lassen. Die drei früheren
Artikel enthielten mehr eine Aufhäufung von Notizen, durch welche
man sich nur mit Mühe hindurcharbeiten konnte, als eine klare Ent¬
wicklung der Frage und lieferten zur Lösung derselben keinen erhebli¬
chen neuen Beitrag. Es schien aber in diesen Artikeln, als ob Herr
Dönniges sich ganz zu Gunsten einer Regierungsbank für Preußen
erklärt hätte; in dem vierten Artikel kehrt er plötzlich den Spieß um.


rung in dieser Angelegenheit als Advocat des steuerbaren Bürger¬
und Bauernstandes auf, indeß der Adel diesmal die früher der Ne¬
gierung zugefallene Rolle durchspielen muß. Da sich die Interessen
vertauscht haben, so mußte auch ein Tausch der Sympathien stattfin¬
den, und in diesem ganz natürlichen Wechsel der Meinungen liegt
das Näthselwort der gegenwärtigen öffentlichen Stimmung in Ungarn.
Man begreift also auch, wie die günstige Lage der Regierung dem op¬
positionellen Lager gegenüber keineswegs eine gesicherte genannt wer¬
den kann, sondern lediglich von dem Verhalten der Regierung sowohl,
als der Liberalen bedingt erscheint; welche von beiden Seitensich liberaler
zeigen wird, das heißt patriotischer in der Aufopferung historischer
Rechte zu Gunsten der materiellen Emporbnngung und innern Blüte
des Landes, die wird auch die Meinung der Nation für sich haben,
denn am Ende kann es der Nation vollkommen gleichgültig sein, ob
es die Conservativen sind, denen sie ihren Ausschwung verdankt, oder
die Liberalen, da es sich einzig um die Erlangung einer gleichmäßigen
Besteuerung handelt, ohne welche kein materieller Fortschritt möglich ist.
Der Parteienkampf muß also nothwendigerweise ein Wettkampf des
Edelmuthes werden, und wer bei dieser Auction der Volksgunst den Sieg
davon trägt, der hat für die nächste Zukunft das Heft der politischen
Macht in Händen. Wir können ruhig als Kampfrichter zuschauen,
denn wie die Würfel der Entscheidung auch fallen mögen, wir kön¬
nen dabei blos gewinnen und werden dem Sieger am Schlüsse den
Dank gewiß nicht vorenthalten.


II
Aus Berlin.

Herr Dönniges. — Eine diplomatische Schwenkung. — Verrälherische An¬
führungszeichen und verrätherische Anführungen. — Auch eine Kritik. — Der
Sturzsche Handel. — Persönlichkeiten die Grund haben. — Gleiche Waffen.
— Die Horatiertaktik. — Schwindeleien. — Berliner Witz. — Bescheidener
Prosit K I'unKl-us. — Verbot der Verleitung zu Auswanderungen.

Eben da ich an die Fortsetzung meiner Rückschau gehen will,
erhalte ich die Allgemeine Zeitung und finde in der Beilage den vier¬
ten Artikel eines Aufsatzes von Herrn Prof.Dönniges „über die preu--
ßische Bankfrage." Da ich in meinem vorigen Schreiben diese strei¬
tige Angelegenheit berührt habe, so will ich auch die Dönnigessche
Betheiligung bei derselben nicht unerwähnt lassen. Die drei früheren
Artikel enthielten mehr eine Aufhäufung von Notizen, durch welche
man sich nur mit Mühe hindurcharbeiten konnte, als eine klare Ent¬
wicklung der Frage und lieferten zur Lösung derselben keinen erhebli¬
chen neuen Beitrag. Es schien aber in diesen Artikeln, als ob Herr
Dönniges sich ganz zu Gunsten einer Regierungsbank für Preußen
erklärt hätte; in dem vierten Artikel kehrt er plötzlich den Spieß um.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/516>, abgerufen am 28.04.2024.