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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Gabe das Naturpoeten gleichmäßiger vertheilt unter allen Arbeiter¬
klassen und die Bötticher und Haarkräusler, die Schreiner und Ju-
veliere sind von dem Himmel nicht weniger gesegnet mit der Ambrosia
des Gesanges, als die Helden von der Ahle, ja in dem freundlichen
Parma lebt sogar ein Naturdichter, welcher -- Wurstmacher ist!

Wenn ich zuletzt noch von der Journalistik spreche, so geschieht
es sicher nicht, weil man von Mailand nicht reden kann, ohne unsere
Tagespreise zu berühren, denn diese ist zwar quantitativ bedeutend,
aber desto unbedeutender in Bezug auf den Inhalt. Es erscheinen hier
39 periodische Blätter, in Wien nur 24, aber außer der Lik^liotKec"
italiiuia ist kaum ein einziges der Empfehlung werth. Nichtssagendes
Kunstgeschwätz und überschwänglicher Theaterklatsch bildet den fast
ausschließlichen Inhalt unserer Tagespresse. Man kann nicht sagen,
das sei lediglich Schuld der Eensurverhältnisse, denn können diese den
Nachdruck französischer Romane nicht verhindern, so werden sie wohl
auch den Aufschwung irgend eines epischen Talents der Heimat
nicht verhindern können. II I>irg,tu, hat sich um das Doppelte ver¬
größert und liefert seither noch weitschweifigere Theaterkritiken, Fi¬
garo wirft sich auf den Holzschnitt, die Fama sieht gar nichts als die
Kunst, der Bazar nährt sich ganz und gar vom Nachdruck und ist ein
wahrer Bazar für gestohlene Geistesproducte.


IV.
Gzechen und Deutsche in Prag.

(Ein Wort der Redaction.)
Wir müssen auf zwei kleine Artikel zurückkommen welche die
Grenzboten in letzterer Zeit aus Prag brachten und welche aus den
entgegengesetztesten Lagern herrührten. Der eine (ein Wort zur "Ver¬
ständigung" Heft 52 v. Jahrg.) kam aus dem czechischen Lager und
munterte die Deutschen in gnädiger Herablassung auf, sich unter den
Schutz der Slawen zu begeben: "O möchte Deutschland erkennen,"
ruft der Einsender aus -- "daß es nicht eher zur Einheit gelangen
kann und wird, bevor sich nicht die Süd- und Westslawen frei von
aller Despotie zu einem großen und mächtigen Bunde vereinigt ha¬
ben (!!!!)..... Lasset die Slawen sich die Brüderbande reichen
zu einem mächtigen und festen Bunde, und Deutschland wird groß
und mächtig werden, geschützt (!) von M Mill. Slawen, die wie
ein mächtiger undurchdringlicher Phalanx Deutschlands wunde Stellen
zu decken bereit sind, lasset die West- und Südslawen sich zu einem
Förderativstaat vereinen und sie rufen Europa in die Schranken."
Diese Worte kann man buchstäblich in den Grenzboten nachlesen. Es
hat uns interessant geschienen eine Stimme aus der slawischen Mitte
und die Hoffnungen und die Logik dieser Partei unsern Lesern vor¬
zuführen, Aber eben so bedeutsam schien es uns, demgegenüber in die Logik
und das Raisoynement der Ultrasaus dem deutschen Lager in Prag unsere


Gabe das Naturpoeten gleichmäßiger vertheilt unter allen Arbeiter¬
klassen und die Bötticher und Haarkräusler, die Schreiner und Ju-
veliere sind von dem Himmel nicht weniger gesegnet mit der Ambrosia
des Gesanges, als die Helden von der Ahle, ja in dem freundlichen
Parma lebt sogar ein Naturdichter, welcher — Wurstmacher ist!

Wenn ich zuletzt noch von der Journalistik spreche, so geschieht
es sicher nicht, weil man von Mailand nicht reden kann, ohne unsere
Tagespreise zu berühren, denn diese ist zwar quantitativ bedeutend,
aber desto unbedeutender in Bezug auf den Inhalt. Es erscheinen hier
39 periodische Blätter, in Wien nur 24, aber außer der Lik^liotKec»
italiiuia ist kaum ein einziges der Empfehlung werth. Nichtssagendes
Kunstgeschwätz und überschwänglicher Theaterklatsch bildet den fast
ausschließlichen Inhalt unserer Tagespresse. Man kann nicht sagen,
das sei lediglich Schuld der Eensurverhältnisse, denn können diese den
Nachdruck französischer Romane nicht verhindern, so werden sie wohl
auch den Aufschwung irgend eines epischen Talents der Heimat
nicht verhindern können. II I>irg,tu, hat sich um das Doppelte ver¬
größert und liefert seither noch weitschweifigere Theaterkritiken, Fi¬
garo wirft sich auf den Holzschnitt, die Fama sieht gar nichts als die
Kunst, der Bazar nährt sich ganz und gar vom Nachdruck und ist ein
wahrer Bazar für gestohlene Geistesproducte.


IV.
Gzechen und Deutsche in Prag.

(Ein Wort der Redaction.)
Wir müssen auf zwei kleine Artikel zurückkommen welche die
Grenzboten in letzterer Zeit aus Prag brachten und welche aus den
entgegengesetztesten Lagern herrührten. Der eine (ein Wort zur „Ver¬
ständigung" Heft 52 v. Jahrg.) kam aus dem czechischen Lager und
munterte die Deutschen in gnädiger Herablassung auf, sich unter den
Schutz der Slawen zu begeben: „O möchte Deutschland erkennen,"
ruft der Einsender aus — „daß es nicht eher zur Einheit gelangen
kann und wird, bevor sich nicht die Süd- und Westslawen frei von
aller Despotie zu einem großen und mächtigen Bunde vereinigt ha¬
ben (!!!!)..... Lasset die Slawen sich die Brüderbande reichen
zu einem mächtigen und festen Bunde, und Deutschland wird groß
und mächtig werden, geschützt (!) von M Mill. Slawen, die wie
ein mächtiger undurchdringlicher Phalanx Deutschlands wunde Stellen
zu decken bereit sind, lasset die West- und Südslawen sich zu einem
Förderativstaat vereinen und sie rufen Europa in die Schranken."
Diese Worte kann man buchstäblich in den Grenzboten nachlesen. Es
hat uns interessant geschienen eine Stimme aus der slawischen Mitte
und die Hoffnungen und die Logik dieser Partei unsern Lesern vor¬
zuführen, Aber eben so bedeutsam schien es uns, demgegenüber in die Logik
und das Raisoynement der Ultrasaus dem deutschen Lager in Prag unsere


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[0523] Gabe das Naturpoeten gleichmäßiger vertheilt unter allen Arbeiter¬ klassen und die Bötticher und Haarkräusler, die Schreiner und Ju- veliere sind von dem Himmel nicht weniger gesegnet mit der Ambrosia des Gesanges, als die Helden von der Ahle, ja in dem freundlichen Parma lebt sogar ein Naturdichter, welcher — Wurstmacher ist! Wenn ich zuletzt noch von der Journalistik spreche, so geschieht es sicher nicht, weil man von Mailand nicht reden kann, ohne unsere Tagespreise zu berühren, denn diese ist zwar quantitativ bedeutend, aber desto unbedeutender in Bezug auf den Inhalt. Es erscheinen hier 39 periodische Blätter, in Wien nur 24, aber außer der Lik^liotKec» italiiuia ist kaum ein einziges der Empfehlung werth. Nichtssagendes Kunstgeschwätz und überschwänglicher Theaterklatsch bildet den fast ausschließlichen Inhalt unserer Tagespresse. Man kann nicht sagen, das sei lediglich Schuld der Eensurverhältnisse, denn können diese den Nachdruck französischer Romane nicht verhindern, so werden sie wohl auch den Aufschwung irgend eines epischen Talents der Heimat nicht verhindern können. II I>irg,tu, hat sich um das Doppelte ver¬ größert und liefert seither noch weitschweifigere Theaterkritiken, Fi¬ garo wirft sich auf den Holzschnitt, die Fama sieht gar nichts als die Kunst, der Bazar nährt sich ganz und gar vom Nachdruck und ist ein wahrer Bazar für gestohlene Geistesproducte. IV. Gzechen und Deutsche in Prag. (Ein Wort der Redaction.) Wir müssen auf zwei kleine Artikel zurückkommen welche die Grenzboten in letzterer Zeit aus Prag brachten und welche aus den entgegengesetztesten Lagern herrührten. Der eine (ein Wort zur „Ver¬ ständigung" Heft 52 v. Jahrg.) kam aus dem czechischen Lager und munterte die Deutschen in gnädiger Herablassung auf, sich unter den Schutz der Slawen zu begeben: „O möchte Deutschland erkennen," ruft der Einsender aus — „daß es nicht eher zur Einheit gelangen kann und wird, bevor sich nicht die Süd- und Westslawen frei von aller Despotie zu einem großen und mächtigen Bunde vereinigt ha¬ ben (!!!!)..... Lasset die Slawen sich die Brüderbande reichen zu einem mächtigen und festen Bunde, und Deutschland wird groß und mächtig werden, geschützt (!) von M Mill. Slawen, die wie ein mächtiger undurchdringlicher Phalanx Deutschlands wunde Stellen zu decken bereit sind, lasset die West- und Südslawen sich zu einem Förderativstaat vereinen und sie rufen Europa in die Schranken." Diese Worte kann man buchstäblich in den Grenzboten nachlesen. Es hat uns interessant geschienen eine Stimme aus der slawischen Mitte und die Hoffnungen und die Logik dieser Partei unsern Lesern vor¬ zuführen, Aber eben so bedeutsam schien es uns, demgegenüber in die Logik und das Raisoynement der Ultrasaus dem deutschen Lager in Prag unsere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/523>, abgerufen am 29.04.2024.