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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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eigentlich am Platze, Ihnen die Schüler zu schildern, die aus einer
solchen Schule hervorgehen, aber das würde mich hier zu weit hiehin,
auch ist es ein zu trauriges Thema. Diese Caricatunn von Er¬
ziehern geißelt man gerne und leicht; denkt man aber an die armen
Kinderseelen, die ebenfalls zu Caricaturen gemacht werden und viel¬
leicht schöne Menschenbilder werden könnten, so blutet einem das
Herz. Das Aergste bei der Sache ist, daß die Wiener das Uebel
nicht erkennen und dergleichen Klagen ihnen lächerlich oder übertrieben
vorkommen müssen, weil sie kein anderes, besseres Beispiel kennen, das
ihnen den Contrast lebhaft hervorheben könnte. Ich verweise Sie nur
noch auf mehrere Artikel, welche die Wiener "Sonntagsblatter" schon
vor mehreren Jahren brachten und die über denselben Gegenstand
klagten. Aber sie wurden eben so wenig beachtet, als dieser berück¬
sichtigt werden wird. Das Uebel wurzelt zu tief, eben so wohl im
Leichtsinn der Wiener, als in gewissen politischen und administrativen
Institutionen. So lange der Wiener aus seinen Kindern nichts
besseres machen will, als recht nett ausgeputzte Salonspuppen, und
so lange ein Vater, der das Bessere will, in den öffentlichen
Schulen nicht die Mittel zum Zwecke findet, so lange wird das Uebel
nicht gehoben, und eine Generation nach der andern wird leer, par¬
fümier, einbalsamirt vorübergehn. Wann werden wir Schulen haben,
X. wie Norddeutschland?


IV.
A u s H a in b u r g.

Neue Dampfschifffahrt zwischen Hamburg und Hull. -- Hamburger Unter-
scheidungsgabe. -- Hamburg und Mona. -- Die Austern- und Gcmüsefurcht.
-- Der Schauspieler in der Wache.

Im Mai d. I. tritt ein neues Dampsschifffahrts-Unternehmen
in's Leben. Es ist eine zwischen Hull und Hamburg etablirte Linie,
welche mit der schon seit geraumer Zeit bestehenden Hanseatischen
Dampfschifffahrs-Gesellschaft concurrirt. Die neue Compagnie läßt ge¬
genwärtig in England ihre Schiffe bauen, welche Schraubendampf-
böte sind und 8V Pferdekraft haben werden. Die früheren hohen
Krachten werden durch diese jüngere Linie bedeutend ermäßigt, was
auch Hauptzweck der Unternehmer, eines Bereines reicher Manufactur-
hauser, gewesen sein soll. Man hat wenigstens bis jetzt keine ge¬
rechte Ursache, in die gegebenen Versicherungen Zweifel zu setzen, wie
heftig auch anfangs gegen das Project von Seiten der Concurrenten
geeifert wurde. Es ist übrigens ein löblicher und oft beobachteter
Charakterzug der Hamburger, daß sie die Parteiäußerungen von der un¬
befangenen Darstellung und einer lauteren Motiven entstammenden
Besprechung, sei es welcher Sache immer, mit klugem, geübtem


eigentlich am Platze, Ihnen die Schüler zu schildern, die aus einer
solchen Schule hervorgehen, aber das würde mich hier zu weit hiehin,
auch ist es ein zu trauriges Thema. Diese Caricatunn von Er¬
ziehern geißelt man gerne und leicht; denkt man aber an die armen
Kinderseelen, die ebenfalls zu Caricaturen gemacht werden und viel¬
leicht schöne Menschenbilder werden könnten, so blutet einem das
Herz. Das Aergste bei der Sache ist, daß die Wiener das Uebel
nicht erkennen und dergleichen Klagen ihnen lächerlich oder übertrieben
vorkommen müssen, weil sie kein anderes, besseres Beispiel kennen, das
ihnen den Contrast lebhaft hervorheben könnte. Ich verweise Sie nur
noch auf mehrere Artikel, welche die Wiener „Sonntagsblatter" schon
vor mehreren Jahren brachten und die über denselben Gegenstand
klagten. Aber sie wurden eben so wenig beachtet, als dieser berück¬
sichtigt werden wird. Das Uebel wurzelt zu tief, eben so wohl im
Leichtsinn der Wiener, als in gewissen politischen und administrativen
Institutionen. So lange der Wiener aus seinen Kindern nichts
besseres machen will, als recht nett ausgeputzte Salonspuppen, und
so lange ein Vater, der das Bessere will, in den öffentlichen
Schulen nicht die Mittel zum Zwecke findet, so lange wird das Uebel
nicht gehoben, und eine Generation nach der andern wird leer, par¬
fümier, einbalsamirt vorübergehn. Wann werden wir Schulen haben,
X. wie Norddeutschland?


IV.
A u s H a in b u r g.

Neue Dampfschifffahrt zwischen Hamburg und Hull. — Hamburger Unter-
scheidungsgabe. — Hamburg und Mona. — Die Austern- und Gcmüsefurcht.
— Der Schauspieler in der Wache.

Im Mai d. I. tritt ein neues Dampsschifffahrts-Unternehmen
in's Leben. Es ist eine zwischen Hull und Hamburg etablirte Linie,
welche mit der schon seit geraumer Zeit bestehenden Hanseatischen
Dampfschifffahrs-Gesellschaft concurrirt. Die neue Compagnie läßt ge¬
genwärtig in England ihre Schiffe bauen, welche Schraubendampf-
böte sind und 8V Pferdekraft haben werden. Die früheren hohen
Krachten werden durch diese jüngere Linie bedeutend ermäßigt, was
auch Hauptzweck der Unternehmer, eines Bereines reicher Manufactur-
hauser, gewesen sein soll. Man hat wenigstens bis jetzt keine ge¬
rechte Ursache, in die gegebenen Versicherungen Zweifel zu setzen, wie
heftig auch anfangs gegen das Project von Seiten der Concurrenten
geeifert wurde. Es ist übrigens ein löblicher und oft beobachteter
Charakterzug der Hamburger, daß sie die Parteiäußerungen von der un¬
befangenen Darstellung und einer lauteren Motiven entstammenden
Besprechung, sei es welcher Sache immer, mit klugem, geübtem


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[0566] eigentlich am Platze, Ihnen die Schüler zu schildern, die aus einer solchen Schule hervorgehen, aber das würde mich hier zu weit hiehin, auch ist es ein zu trauriges Thema. Diese Caricatunn von Er¬ ziehern geißelt man gerne und leicht; denkt man aber an die armen Kinderseelen, die ebenfalls zu Caricaturen gemacht werden und viel¬ leicht schöne Menschenbilder werden könnten, so blutet einem das Herz. Das Aergste bei der Sache ist, daß die Wiener das Uebel nicht erkennen und dergleichen Klagen ihnen lächerlich oder übertrieben vorkommen müssen, weil sie kein anderes, besseres Beispiel kennen, das ihnen den Contrast lebhaft hervorheben könnte. Ich verweise Sie nur noch auf mehrere Artikel, welche die Wiener „Sonntagsblatter" schon vor mehreren Jahren brachten und die über denselben Gegenstand klagten. Aber sie wurden eben so wenig beachtet, als dieser berück¬ sichtigt werden wird. Das Uebel wurzelt zu tief, eben so wohl im Leichtsinn der Wiener, als in gewissen politischen und administrativen Institutionen. So lange der Wiener aus seinen Kindern nichts besseres machen will, als recht nett ausgeputzte Salonspuppen, und so lange ein Vater, der das Bessere will, in den öffentlichen Schulen nicht die Mittel zum Zwecke findet, so lange wird das Uebel nicht gehoben, und eine Generation nach der andern wird leer, par¬ fümier, einbalsamirt vorübergehn. Wann werden wir Schulen haben, X. wie Norddeutschland? IV. A u s H a in b u r g. Neue Dampfschifffahrt zwischen Hamburg und Hull. — Hamburger Unter- scheidungsgabe. — Hamburg und Mona. — Die Austern- und Gcmüsefurcht. — Der Schauspieler in der Wache. Im Mai d. I. tritt ein neues Dampsschifffahrts-Unternehmen in's Leben. Es ist eine zwischen Hull und Hamburg etablirte Linie, welche mit der schon seit geraumer Zeit bestehenden Hanseatischen Dampfschifffahrs-Gesellschaft concurrirt. Die neue Compagnie läßt ge¬ genwärtig in England ihre Schiffe bauen, welche Schraubendampf- böte sind und 8V Pferdekraft haben werden. Die früheren hohen Krachten werden durch diese jüngere Linie bedeutend ermäßigt, was auch Hauptzweck der Unternehmer, eines Bereines reicher Manufactur- hauser, gewesen sein soll. Man hat wenigstens bis jetzt keine ge¬ rechte Ursache, in die gegebenen Versicherungen Zweifel zu setzen, wie heftig auch anfangs gegen das Project von Seiten der Concurrenten geeifert wurde. Es ist übrigens ein löblicher und oft beobachteter Charakterzug der Hamburger, daß sie die Parteiäußerungen von der un¬ befangenen Darstellung und einer lauteren Motiven entstammenden Besprechung, sei es welcher Sache immer, mit klugem, geübtem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/566>, abgerufen am 29.04.2024.