Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Dame möchte ich aber' rathen, daß sie ihrem Schwiegersöhne den
Austrag gebe, er solle in Zukunft bei kritischen Familicndiensten die
Ehre anderer Schriftsteller unbeschmutzt lassen und diese nicht zwingen,
alle Schonung und Galanterie bei Seile zu setzen und durch nähere
Enthüllungen die Frau Schwiegermutter dem Gelächter und den Herrn
Schwiegersohn der Verachtung Preis zu geben. Ki^ionü "ne.


I. Kuranda,
VI.
N o t i z.
Verschiedene Aufnahme der polnischen Jnsurrcctionöversuchc.

Wie verschieden ist die Aufnahme, welche die polnischen Jnsur-
rcctionsversuche in England und in Frankreich fanden. England, wel¬
ches so eben die Eroberung eines neuen Reiches in Hinterasien be¬
gonnen hat, welches sich zu einem friedlichen Krieg auf Tod und
Leben mit dem Zollvereine rüstet und auf einen Seekrieg mit seinem
Riesensohn Amerika gefaßt macht, England empfing die Nachricht
von den Bewegungen im slawischen Osten wie ein Geschäftsmann,
dem man in der heißesten Comptoirstunde von einem tollen Studen¬
tenstreich erzählt. Die polnischen Berichte wurden so lange nicht ge¬
glaubt oder ignorirt, bis mit der Bestätigung des Anfangs zugleich
die Nachricht vom Ende einlief. Uebrigens ermahnte Peel, als im
Unterhause die Minsker Verfolgungsgeschichte aufs Tapet kam, die
ehrenwerthen Mitglieder, sich nicht in "die innern Angelegenheiten"
fremder Reiche "einzumischen," damit sich nicht einmal auch Fran¬
zosen oder Russen in die innern Angelegenheiten Großbrittaniens (z.
B. Irlands) einmischen könnten. -- Frankreich dagegen, das heißt
das Volk, war gleich zum Krieg bereit, um die Insurgenten zu un¬
terstützen. Der National, der Siecle, die Gazette de France, die
Organe aller Parteien, wetteiferten in Enthusiasmus, obgleich
man nicht so sanguinisch war, sich den Sieg Polens leicht zu denken,
oder alles zu glauben, was die Fama berichtete. Der Courier Fran¬
cs ging mit Courierfchritten auf die Weichsel los, und die schwan¬
kende Haltung, die Preußen anfangs zu beobachten schien, wurde all¬
gemein auf das günstigste ausgelegt. Die Franzosen muthen uns
überhaupt manchmal Eigenschaften zu, die wir nicht besitzen. Die
stille beschauliche Polensympathie des deutschen Publicums wurde in
Paris eine "drohende Gährung" genannt, und ein Blatt rief: Wenn
Preußen mit uns geht, so garantiren wir ihm Sachsen und die Ost-
seeprovinzen. -- Man braucht deshalb in Dresden nicht besorgt
zu sein.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andr ä.

Dame möchte ich aber' rathen, daß sie ihrem Schwiegersöhne den
Austrag gebe, er solle in Zukunft bei kritischen Familicndiensten die
Ehre anderer Schriftsteller unbeschmutzt lassen und diese nicht zwingen,
alle Schonung und Galanterie bei Seile zu setzen und durch nähere
Enthüllungen die Frau Schwiegermutter dem Gelächter und den Herrn
Schwiegersohn der Verachtung Preis zu geben. Ki^ionü «ne.


I. Kuranda,
VI.
N o t i z.
Verschiedene Aufnahme der polnischen Jnsurrcctionöversuchc.

Wie verschieden ist die Aufnahme, welche die polnischen Jnsur-
rcctionsversuche in England und in Frankreich fanden. England, wel¬
ches so eben die Eroberung eines neuen Reiches in Hinterasien be¬
gonnen hat, welches sich zu einem friedlichen Krieg auf Tod und
Leben mit dem Zollvereine rüstet und auf einen Seekrieg mit seinem
Riesensohn Amerika gefaßt macht, England empfing die Nachricht
von den Bewegungen im slawischen Osten wie ein Geschäftsmann,
dem man in der heißesten Comptoirstunde von einem tollen Studen¬
tenstreich erzählt. Die polnischen Berichte wurden so lange nicht ge¬
glaubt oder ignorirt, bis mit der Bestätigung des Anfangs zugleich
die Nachricht vom Ende einlief. Uebrigens ermahnte Peel, als im
Unterhause die Minsker Verfolgungsgeschichte aufs Tapet kam, die
ehrenwerthen Mitglieder, sich nicht in „die innern Angelegenheiten"
fremder Reiche „einzumischen," damit sich nicht einmal auch Fran¬
zosen oder Russen in die innern Angelegenheiten Großbrittaniens (z.
B. Irlands) einmischen könnten. — Frankreich dagegen, das heißt
das Volk, war gleich zum Krieg bereit, um die Insurgenten zu un¬
terstützen. Der National, der Siecle, die Gazette de France, die
Organe aller Parteien, wetteiferten in Enthusiasmus, obgleich
man nicht so sanguinisch war, sich den Sieg Polens leicht zu denken,
oder alles zu glauben, was die Fama berichtete. Der Courier Fran¬
cs ging mit Courierfchritten auf die Weichsel los, und die schwan¬
kende Haltung, die Preußen anfangs zu beobachten schien, wurde all¬
gemein auf das günstigste ausgelegt. Die Franzosen muthen uns
überhaupt manchmal Eigenschaften zu, die wir nicht besitzen. Die
stille beschauliche Polensympathie des deutschen Publicums wurde in
Paris eine „drohende Gährung" genannt, und ein Blatt rief: Wenn
Preußen mit uns geht, so garantiren wir ihm Sachsen und die Ost-
seeprovinzen. — Man braucht deshalb in Dresden nicht besorgt
zu sein.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andr ä.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0572" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182382"/>
            <p xml:id="ID_1362" prev="#ID_1361"> Dame möchte ich aber' rathen, daß sie ihrem Schwiegersöhne den<lb/>
Austrag gebe, er solle in Zukunft bei kritischen Familicndiensten die<lb/>
Ehre anderer Schriftsteller unbeschmutzt lassen und diese nicht zwingen,<lb/>
alle Schonung und Galanterie bei Seile zu setzen und durch nähere<lb/>
Enthüllungen die Frau Schwiegermutter dem Gelächter und den Herrn<lb/>
Schwiegersohn der Verachtung Preis zu geben.  Ki^ionü «ne.</p><lb/>
            <note type="byline"> I. Kuranda,</note><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> VI.<lb/>
N o t i z.</head><lb/>
            <div n="3">
              <head> Verschiedene Aufnahme der polnischen Jnsurrcctionöversuchc.</head><lb/>
              <p xml:id="ID_1363"> Wie verschieden ist die Aufnahme, welche die polnischen Jnsur-<lb/>
rcctionsversuche in England und in Frankreich fanden. England, wel¬<lb/>
ches so eben die Eroberung eines neuen Reiches in Hinterasien be¬<lb/>
gonnen hat, welches sich zu einem friedlichen Krieg auf Tod und<lb/>
Leben mit dem Zollvereine rüstet und auf einen Seekrieg mit seinem<lb/>
Riesensohn Amerika gefaßt macht, England empfing die Nachricht<lb/>
von den Bewegungen im slawischen Osten wie ein Geschäftsmann,<lb/>
dem man in der heißesten Comptoirstunde von einem tollen Studen¬<lb/>
tenstreich erzählt. Die polnischen Berichte wurden so lange nicht ge¬<lb/>
glaubt oder ignorirt, bis mit der Bestätigung des Anfangs zugleich<lb/>
die Nachricht vom Ende einlief. Uebrigens ermahnte Peel, als im<lb/>
Unterhause die Minsker Verfolgungsgeschichte aufs Tapet kam, die<lb/>
ehrenwerthen Mitglieder, sich nicht in &#x201E;die innern Angelegenheiten"<lb/>
fremder Reiche &#x201E;einzumischen," damit sich nicht einmal auch Fran¬<lb/>
zosen oder Russen in die innern Angelegenheiten Großbrittaniens (z.<lb/>
B. Irlands) einmischen könnten. &#x2014; Frankreich dagegen, das heißt<lb/>
das Volk, war gleich zum Krieg bereit, um die Insurgenten zu un¬<lb/>
terstützen. Der National, der Siecle, die Gazette de France, die<lb/>
Organe aller Parteien, wetteiferten in Enthusiasmus, obgleich<lb/>
man nicht so sanguinisch war, sich den Sieg Polens leicht zu denken,<lb/>
oder alles zu glauben, was die Fama berichtete. Der Courier Fran¬<lb/>
cs ging mit Courierfchritten auf die Weichsel los, und die schwan¬<lb/>
kende Haltung, die Preußen anfangs zu beobachten schien, wurde all¬<lb/>
gemein auf das günstigste ausgelegt. Die Franzosen muthen uns<lb/>
überhaupt manchmal Eigenschaften zu, die wir nicht besitzen. Die<lb/>
stille beschauliche Polensympathie des deutschen Publicums wurde in<lb/>
Paris eine &#x201E;drohende Gährung" genannt, und ein Blatt rief: Wenn<lb/>
Preußen mit uns geht, so garantiren wir ihm Sachsen und die Ost-<lb/>
seeprovinzen. &#x2014; Man braucht deshalb in Dresden nicht besorgt<lb/>
zu sein.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <note type="byline"> Verlag von Fr. Ludw. Herbig. &#x2014; Redacteur I. Kuranda.<lb/>
Druck von Friedrich Andr ä.</note><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0572] Dame möchte ich aber' rathen, daß sie ihrem Schwiegersöhne den Austrag gebe, er solle in Zukunft bei kritischen Familicndiensten die Ehre anderer Schriftsteller unbeschmutzt lassen und diese nicht zwingen, alle Schonung und Galanterie bei Seile zu setzen und durch nähere Enthüllungen die Frau Schwiegermutter dem Gelächter und den Herrn Schwiegersohn der Verachtung Preis zu geben. Ki^ionü «ne. I. Kuranda, VI. N o t i z. Verschiedene Aufnahme der polnischen Jnsurrcctionöversuchc. Wie verschieden ist die Aufnahme, welche die polnischen Jnsur- rcctionsversuche in England und in Frankreich fanden. England, wel¬ ches so eben die Eroberung eines neuen Reiches in Hinterasien be¬ gonnen hat, welches sich zu einem friedlichen Krieg auf Tod und Leben mit dem Zollvereine rüstet und auf einen Seekrieg mit seinem Riesensohn Amerika gefaßt macht, England empfing die Nachricht von den Bewegungen im slawischen Osten wie ein Geschäftsmann, dem man in der heißesten Comptoirstunde von einem tollen Studen¬ tenstreich erzählt. Die polnischen Berichte wurden so lange nicht ge¬ glaubt oder ignorirt, bis mit der Bestätigung des Anfangs zugleich die Nachricht vom Ende einlief. Uebrigens ermahnte Peel, als im Unterhause die Minsker Verfolgungsgeschichte aufs Tapet kam, die ehrenwerthen Mitglieder, sich nicht in „die innern Angelegenheiten" fremder Reiche „einzumischen," damit sich nicht einmal auch Fran¬ zosen oder Russen in die innern Angelegenheiten Großbrittaniens (z. B. Irlands) einmischen könnten. — Frankreich dagegen, das heißt das Volk, war gleich zum Krieg bereit, um die Insurgenten zu un¬ terstützen. Der National, der Siecle, die Gazette de France, die Organe aller Parteien, wetteiferten in Enthusiasmus, obgleich man nicht so sanguinisch war, sich den Sieg Polens leicht zu denken, oder alles zu glauben, was die Fama berichtete. Der Courier Fran¬ cs ging mit Courierfchritten auf die Weichsel los, und die schwan¬ kende Haltung, die Preußen anfangs zu beobachten schien, wurde all¬ gemein auf das günstigste ausgelegt. Die Franzosen muthen uns überhaupt manchmal Eigenschaften zu, die wir nicht besitzen. Die stille beschauliche Polensympathie des deutschen Publicums wurde in Paris eine „drohende Gährung" genannt, und ein Blatt rief: Wenn Preußen mit uns geht, so garantiren wir ihm Sachsen und die Ost- seeprovinzen. — Man braucht deshalb in Dresden nicht besorgt zu sein. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andr ä.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/572
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/572>, abgerufen am 28.04.2024.