Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tige hinweggetragen werden mußten und einzelne Sperrsitzbillete um
1Ü Gulden verkauft wurden. In den nächsten Monaten erwartet
man den Kapellmeister Wagner aus Dresden, der eine seiner Opern
hieselbst zur Aufführung bringen will. Auch Balfe aus Paris ist ge¬
sonnen, angelockt von dem Erfolg der Haimonskinder, Hieher zu kom¬
men und sein Glück mit einem jüngeren Werke zu versuchen. Jenny
Lind ist mit WO si. für jeden Abend auf eine Reihe von Gastrollen
gewonnen, und Meyerbeer wird sie persönlich begleiten. Der Inten¬
dant des Hoftheaters in Oldenburg, Herr von Gall, hat in einer be¬
sonderen Schrift den Vorschlag gethan zur Stiftung eines deutschen
Theatercartells, und es wäre dem Werke der gedeihlichste Fortgang
zu wünschen. In Wien jedoch wurde das von Herrn von Gall in
Vorschlag gebrachte Verfahren gegen Ausreißer des dramaturgischen
Heeres schon lange in stillschweigender Uebereinkunst beobachtet, wie
dies erst jüngst wieder der Tenorist Gehrer aus Pesth erfuhr, der
seine Bühne heimlich verließ und nach Wien huschte, um auf den
dortigen Brettern zu glänzen. Der ehrgeizige Sänger, dem der Ruhm
magyarischer Kranze nicht mehr genügen wollte, sah sich indeß in sei¬
nen berauschenden Hoffnungen schmerzlich betrogen, da die Polizeibe¬
hörde ihm jedes öffentliche Austreten untersagte und ihn "derbem auf¬
forderte, entweder seine contractlichen Pflichten zu erfüllen oder die
vertragsmäßig stipulirte Neugeldsumme zu bezahlen. Es ist nicht
gut, wenn die Herren von der Kunst allen bürgerlichen Rechtsbegriffen
enthoben werden und der Künstlerfreiheit jedwedes zu Gute geschrie¬
ben wird; die Dichter sind auch Kunstjünger, aber Niemand räumt
ihnen diese Künstlerfreiheit ein, ja man hat sie wohl in einem ande¬
ren Sinne des Rechtszustandes entkleidet, doch zu ihren Ungunsten.


l!^.. ^ N
Aus I um sy r u et.

ZMigiöse Presse. -- Die Jubelfeier des Tridentincr Concils. -- Straßen¬
bau. -- Wünschenswerthe Anlagen. -- Geschichtliche Werke.,

Fast jede Nachricht, welche aus unsern Thalern in die deutsche
Journalistik dringt, trägt eine religiöse Färbung, und seit der un¬
seligen Sectngeschichte im Merthale bis zur Aufnahme der aus der
Schweiz vertriebenen Mönche von Muri in ein tyrolisches Kloster¬
gebäude, ist man gewohnt, die geistlichen Angelegenheiten als die
eigentlichen Landesangelegenheiten behandelt zu sehen, wozu indeß
auch der Umstand beitragen mag, da die meisten Schriftsteller Tyrols
dem geistlichen Stande angehören, und deßhalb über die Vorgänge
deS religiösen Lebens in der Provinz am Besten unterrichtet sein
mögen. Auch ich kann diese Region nicht gänzlich umschiffen, und


Grcnztottii, I"4<!. I. II

tige hinweggetragen werden mußten und einzelne Sperrsitzbillete um
1Ü Gulden verkauft wurden. In den nächsten Monaten erwartet
man den Kapellmeister Wagner aus Dresden, der eine seiner Opern
hieselbst zur Aufführung bringen will. Auch Balfe aus Paris ist ge¬
sonnen, angelockt von dem Erfolg der Haimonskinder, Hieher zu kom¬
men und sein Glück mit einem jüngeren Werke zu versuchen. Jenny
Lind ist mit WO si. für jeden Abend auf eine Reihe von Gastrollen
gewonnen, und Meyerbeer wird sie persönlich begleiten. Der Inten¬
dant des Hoftheaters in Oldenburg, Herr von Gall, hat in einer be¬
sonderen Schrift den Vorschlag gethan zur Stiftung eines deutschen
Theatercartells, und es wäre dem Werke der gedeihlichste Fortgang
zu wünschen. In Wien jedoch wurde das von Herrn von Gall in
Vorschlag gebrachte Verfahren gegen Ausreißer des dramaturgischen
Heeres schon lange in stillschweigender Uebereinkunst beobachtet, wie
dies erst jüngst wieder der Tenorist Gehrer aus Pesth erfuhr, der
seine Bühne heimlich verließ und nach Wien huschte, um auf den
dortigen Brettern zu glänzen. Der ehrgeizige Sänger, dem der Ruhm
magyarischer Kranze nicht mehr genügen wollte, sah sich indeß in sei¬
nen berauschenden Hoffnungen schmerzlich betrogen, da die Polizeibe¬
hörde ihm jedes öffentliche Austreten untersagte und ihn «derbem auf¬
forderte, entweder seine contractlichen Pflichten zu erfüllen oder die
vertragsmäßig stipulirte Neugeldsumme zu bezahlen. Es ist nicht
gut, wenn die Herren von der Kunst allen bürgerlichen Rechtsbegriffen
enthoben werden und der Künstlerfreiheit jedwedes zu Gute geschrie¬
ben wird; die Dichter sind auch Kunstjünger, aber Niemand räumt
ihnen diese Künstlerfreiheit ein, ja man hat sie wohl in einem ande¬
ren Sinne des Rechtszustandes entkleidet, doch zu ihren Ungunsten.


l!^.. ^ N
Aus I um sy r u et.

ZMigiöse Presse. — Die Jubelfeier des Tridentincr Concils. — Straßen¬
bau. — Wünschenswerthe Anlagen. — Geschichtliche Werke.,

Fast jede Nachricht, welche aus unsern Thalern in die deutsche
Journalistik dringt, trägt eine religiöse Färbung, und seit der un¬
seligen Sectngeschichte im Merthale bis zur Aufnahme der aus der
Schweiz vertriebenen Mönche von Muri in ein tyrolisches Kloster¬
gebäude, ist man gewohnt, die geistlichen Angelegenheiten als die
eigentlichen Landesangelegenheiten behandelt zu sehen, wozu indeß
auch der Umstand beitragen mag, da die meisten Schriftsteller Tyrols
dem geistlichen Stande angehören, und deßhalb über die Vorgänge
deS religiösen Lebens in der Provinz am Besten unterrichtet sein
mögen. Auch ich kann diese Region nicht gänzlich umschiffen, und


Grcnztottii, I»4<!. I. II
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181899"/>
            <p xml:id="ID_159" prev="#ID_158"> tige hinweggetragen werden mußten und einzelne Sperrsitzbillete um<lb/>
1Ü Gulden verkauft wurden. In den nächsten Monaten erwartet<lb/>
man den Kapellmeister Wagner aus Dresden, der eine seiner Opern<lb/>
hieselbst zur Aufführung bringen will. Auch Balfe aus Paris ist ge¬<lb/>
sonnen, angelockt von dem Erfolg der Haimonskinder, Hieher zu kom¬<lb/>
men und sein Glück mit einem jüngeren Werke zu versuchen. Jenny<lb/>
Lind ist mit WO si. für jeden Abend auf eine Reihe von Gastrollen<lb/>
gewonnen, und Meyerbeer wird sie persönlich begleiten. Der Inten¬<lb/>
dant des Hoftheaters in Oldenburg, Herr von Gall, hat in einer be¬<lb/>
sonderen Schrift den Vorschlag gethan zur Stiftung eines deutschen<lb/>
Theatercartells, und es wäre dem Werke der gedeihlichste Fortgang<lb/>
zu wünschen. In Wien jedoch wurde das von Herrn von Gall in<lb/>
Vorschlag gebrachte Verfahren gegen Ausreißer des dramaturgischen<lb/>
Heeres schon lange in stillschweigender Uebereinkunst beobachtet, wie<lb/>
dies erst jüngst wieder der Tenorist Gehrer aus Pesth erfuhr, der<lb/>
seine Bühne heimlich verließ und nach Wien huschte, um auf den<lb/>
dortigen Brettern zu glänzen. Der ehrgeizige Sänger, dem der Ruhm<lb/>
magyarischer Kranze nicht mehr genügen wollte, sah sich indeß in sei¬<lb/>
nen berauschenden Hoffnungen schmerzlich betrogen, da die Polizeibe¬<lb/>
hörde ihm jedes öffentliche Austreten untersagte und ihn «derbem auf¬<lb/>
forderte, entweder seine contractlichen Pflichten zu erfüllen oder die<lb/>
vertragsmäßig stipulirte Neugeldsumme zu bezahlen. Es ist nicht<lb/>
gut, wenn die Herren von der Kunst allen bürgerlichen Rechtsbegriffen<lb/>
enthoben werden und der Künstlerfreiheit jedwedes zu Gute geschrie¬<lb/>
ben wird; die Dichter sind auch Kunstjünger, aber Niemand räumt<lb/>
ihnen diese Künstlerfreiheit ein, ja man hat sie wohl in einem ande¬<lb/>
ren Sinne des Rechtszustandes entkleidet, doch zu ihren Ungunsten.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> l!^..  ^  N<lb/>
Aus  I um sy r u et.</head><lb/>
            <note type="argument"> ZMigiöse Presse. &#x2014; Die Jubelfeier des Tridentincr Concils. &#x2014; Straßen¬<lb/>
bau. &#x2014; Wünschenswerthe Anlagen. &#x2014;  Geschichtliche Werke.,</note><lb/>
            <p xml:id="ID_160" next="#ID_161"> Fast jede Nachricht, welche aus unsern Thalern in die deutsche<lb/>
Journalistik dringt, trägt eine religiöse Färbung, und seit der un¬<lb/>
seligen Sectngeschichte im Merthale bis zur Aufnahme der aus der<lb/>
Schweiz vertriebenen Mönche von Muri in ein tyrolisches Kloster¬<lb/>
gebäude, ist man gewohnt, die geistlichen Angelegenheiten als die<lb/>
eigentlichen Landesangelegenheiten behandelt zu sehen, wozu indeß<lb/>
auch der Umstand beitragen mag, da die meisten Schriftsteller Tyrols<lb/>
dem geistlichen Stande angehören, und deßhalb über die Vorgänge<lb/>
deS religiösen Lebens in der Provinz am Besten unterrichtet sein<lb/>
mögen.  Auch ich kann diese Region nicht gänzlich umschiffen, und</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grcnztottii, I»4&lt;!. I. II</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] tige hinweggetragen werden mußten und einzelne Sperrsitzbillete um 1Ü Gulden verkauft wurden. In den nächsten Monaten erwartet man den Kapellmeister Wagner aus Dresden, der eine seiner Opern hieselbst zur Aufführung bringen will. Auch Balfe aus Paris ist ge¬ sonnen, angelockt von dem Erfolg der Haimonskinder, Hieher zu kom¬ men und sein Glück mit einem jüngeren Werke zu versuchen. Jenny Lind ist mit WO si. für jeden Abend auf eine Reihe von Gastrollen gewonnen, und Meyerbeer wird sie persönlich begleiten. Der Inten¬ dant des Hoftheaters in Oldenburg, Herr von Gall, hat in einer be¬ sonderen Schrift den Vorschlag gethan zur Stiftung eines deutschen Theatercartells, und es wäre dem Werke der gedeihlichste Fortgang zu wünschen. In Wien jedoch wurde das von Herrn von Gall in Vorschlag gebrachte Verfahren gegen Ausreißer des dramaturgischen Heeres schon lange in stillschweigender Uebereinkunst beobachtet, wie dies erst jüngst wieder der Tenorist Gehrer aus Pesth erfuhr, der seine Bühne heimlich verließ und nach Wien huschte, um auf den dortigen Brettern zu glänzen. Der ehrgeizige Sänger, dem der Ruhm magyarischer Kranze nicht mehr genügen wollte, sah sich indeß in sei¬ nen berauschenden Hoffnungen schmerzlich betrogen, da die Polizeibe¬ hörde ihm jedes öffentliche Austreten untersagte und ihn «derbem auf¬ forderte, entweder seine contractlichen Pflichten zu erfüllen oder die vertragsmäßig stipulirte Neugeldsumme zu bezahlen. Es ist nicht gut, wenn die Herren von der Kunst allen bürgerlichen Rechtsbegriffen enthoben werden und der Künstlerfreiheit jedwedes zu Gute geschrie¬ ben wird; die Dichter sind auch Kunstjünger, aber Niemand räumt ihnen diese Künstlerfreiheit ein, ja man hat sie wohl in einem ande¬ ren Sinne des Rechtszustandes entkleidet, doch zu ihren Ungunsten. l!^.. ^ N Aus I um sy r u et. ZMigiöse Presse. — Die Jubelfeier des Tridentincr Concils. — Straßen¬ bau. — Wünschenswerthe Anlagen. — Geschichtliche Werke., Fast jede Nachricht, welche aus unsern Thalern in die deutsche Journalistik dringt, trägt eine religiöse Färbung, und seit der un¬ seligen Sectngeschichte im Merthale bis zur Aufnahme der aus der Schweiz vertriebenen Mönche von Muri in ein tyrolisches Kloster¬ gebäude, ist man gewohnt, die geistlichen Angelegenheiten als die eigentlichen Landesangelegenheiten behandelt zu sehen, wozu indeß auch der Umstand beitragen mag, da die meisten Schriftsteller Tyrols dem geistlichen Stande angehören, und deßhalb über die Vorgänge deS religiösen Lebens in der Provinz am Besten unterrichtet sein mögen. Auch ich kann diese Region nicht gänzlich umschiffen, und Grcnztottii, I»4<!. I. II

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/89>, abgerufen am 29.04.2024.