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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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ihre Intriguen und Manöver den Verein untergruben, auf dessen
Trümmern sie dann die sogenannte Moskitogesellschaft zu Stande
brachten. Ob der Verein, wenn er ins Leben getreten wäre, sich sei¬
ner Aufgabe gewachsen gezeigt haben würde, kann man natürlich
nicht wissen; aber des Versuches wäre es doch immer werth gewesen,
und es ist schon zu beklagen, daß es unter den Gründern desselben
keinen Mann von hinlänglicher Energie gab, um die Keime zusam¬
menzuhalten und den Machinationen der andern Partei Trotz zu bie¬
ten. Möchte der Versuch erneuert werden! Unterdessen wäre es aber
hohe Zeit, daß von Regierungswegen nachdrückliche Maßregeln in Be¬
treff der immer stärker anschwellenden Auswanderungen ergriffen und
Mittel gefunden würden, die Auswanderer vor Irreleitung, Betrug
und Mißhandlung so mannichfaltiger Art zu schützen.

Was in dieser Hinsicht Gesetzgebung, Unterhandlung mit den
überseeischen Regierungen (denen von Deutschland aus ja kaum irgend
eine Art Nachdruck gegeben werden kann) und polizeiliche Aufsicht
vermögen werden, steht freilich auch noch dahin. Jedenfalls, gesetzt
auch es gelange das Beste was irgend zu hoffen ist, wird der offi-
ciellen Fürsorge die Thätigkeit philanthropischer Vereine über Lang
oder Kurz zu Hülfe kommen müssen, wenn unseren Auswanderern
ein leidliches Loos geschaffen werden soll.


V.
Aus Dresden.
Julius Mosers Don Johann von Oesterreich.

Nach althergebrachter Sitte bringt unsere Bühne am Neujahrs¬
tage ein neues Stück; dieses Mal war die Wahl auf Mosers jüng¬
stes Trauerspiel gefallen. Obwohl der Dichter von seinem früheren
Verweilen in Dresden her gar manchen Freund hier zählt, so fanden
doch seine dramatischen Dichtungen im Allgemeinen auf unsrer Bühne
ebensowenig als anderwärts -- höchstens etwa den oldenburgischen
officiellen Beifall ausgenommen -- etwas mehr als einen, oft sogar
zweifelhaften sueno8 ä'vstime; es ist dies natürlich, da Mosers dra¬
matische Figuren nichts als Träger sentenzenreicher Phrasen sind, ihr
Pathos der Lebenswahrheit entbehrt und sein Shakespearisiren nachge¬
rade langweilig wird. Hiernach war dann eine gewisse Voreingenom¬
menheit gegen das Stück vorhanden; doch wurde sie bei der Darstel¬
lung überwunden -- ein Erfolg, den wir auch keineswegs auf allei¬
nige Rechnung jener stellen mögen. Das Stück ist allerdings das Beste,
was Mosen bis jetzt producirt hat; es bietet fortschreitende Handlung
und durch sie bedingte Entwickelung der Charaktere; die zu Grunde
liegende tragische Idee wird ohne allzu große Anstrengung für den


12*

ihre Intriguen und Manöver den Verein untergruben, auf dessen
Trümmern sie dann die sogenannte Moskitogesellschaft zu Stande
brachten. Ob der Verein, wenn er ins Leben getreten wäre, sich sei¬
ner Aufgabe gewachsen gezeigt haben würde, kann man natürlich
nicht wissen; aber des Versuches wäre es doch immer werth gewesen,
und es ist schon zu beklagen, daß es unter den Gründern desselben
keinen Mann von hinlänglicher Energie gab, um die Keime zusam¬
menzuhalten und den Machinationen der andern Partei Trotz zu bie¬
ten. Möchte der Versuch erneuert werden! Unterdessen wäre es aber
hohe Zeit, daß von Regierungswegen nachdrückliche Maßregeln in Be¬
treff der immer stärker anschwellenden Auswanderungen ergriffen und
Mittel gefunden würden, die Auswanderer vor Irreleitung, Betrug
und Mißhandlung so mannichfaltiger Art zu schützen.

Was in dieser Hinsicht Gesetzgebung, Unterhandlung mit den
überseeischen Regierungen (denen von Deutschland aus ja kaum irgend
eine Art Nachdruck gegeben werden kann) und polizeiliche Aufsicht
vermögen werden, steht freilich auch noch dahin. Jedenfalls, gesetzt
auch es gelange das Beste was irgend zu hoffen ist, wird der offi-
ciellen Fürsorge die Thätigkeit philanthropischer Vereine über Lang
oder Kurz zu Hülfe kommen müssen, wenn unseren Auswanderern
ein leidliches Loos geschaffen werden soll.


V.
Aus Dresden.
Julius Mosers Don Johann von Oesterreich.

Nach althergebrachter Sitte bringt unsere Bühne am Neujahrs¬
tage ein neues Stück; dieses Mal war die Wahl auf Mosers jüng¬
stes Trauerspiel gefallen. Obwohl der Dichter von seinem früheren
Verweilen in Dresden her gar manchen Freund hier zählt, so fanden
doch seine dramatischen Dichtungen im Allgemeinen auf unsrer Bühne
ebensowenig als anderwärts — höchstens etwa den oldenburgischen
officiellen Beifall ausgenommen — etwas mehr als einen, oft sogar
zweifelhaften sueno8 ä'vstime; es ist dies natürlich, da Mosers dra¬
matische Figuren nichts als Träger sentenzenreicher Phrasen sind, ihr
Pathos der Lebenswahrheit entbehrt und sein Shakespearisiren nachge¬
rade langweilig wird. Hiernach war dann eine gewisse Voreingenom¬
menheit gegen das Stück vorhanden; doch wurde sie bei der Darstel¬
lung überwunden — ein Erfolg, den wir auch keineswegs auf allei¬
nige Rechnung jener stellen mögen. Das Stück ist allerdings das Beste,
was Mosen bis jetzt producirt hat; es bietet fortschreitende Handlung
und durch sie bedingte Entwickelung der Charaktere; die zu Grunde
liegende tragische Idee wird ohne allzu große Anstrengung für den


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[0099] ihre Intriguen und Manöver den Verein untergruben, auf dessen Trümmern sie dann die sogenannte Moskitogesellschaft zu Stande brachten. Ob der Verein, wenn er ins Leben getreten wäre, sich sei¬ ner Aufgabe gewachsen gezeigt haben würde, kann man natürlich nicht wissen; aber des Versuches wäre es doch immer werth gewesen, und es ist schon zu beklagen, daß es unter den Gründern desselben keinen Mann von hinlänglicher Energie gab, um die Keime zusam¬ menzuhalten und den Machinationen der andern Partei Trotz zu bie¬ ten. Möchte der Versuch erneuert werden! Unterdessen wäre es aber hohe Zeit, daß von Regierungswegen nachdrückliche Maßregeln in Be¬ treff der immer stärker anschwellenden Auswanderungen ergriffen und Mittel gefunden würden, die Auswanderer vor Irreleitung, Betrug und Mißhandlung so mannichfaltiger Art zu schützen. Was in dieser Hinsicht Gesetzgebung, Unterhandlung mit den überseeischen Regierungen (denen von Deutschland aus ja kaum irgend eine Art Nachdruck gegeben werden kann) und polizeiliche Aufsicht vermögen werden, steht freilich auch noch dahin. Jedenfalls, gesetzt auch es gelange das Beste was irgend zu hoffen ist, wird der offi- ciellen Fürsorge die Thätigkeit philanthropischer Vereine über Lang oder Kurz zu Hülfe kommen müssen, wenn unseren Auswanderern ein leidliches Loos geschaffen werden soll. V. Aus Dresden. Julius Mosers Don Johann von Oesterreich. Nach althergebrachter Sitte bringt unsere Bühne am Neujahrs¬ tage ein neues Stück; dieses Mal war die Wahl auf Mosers jüng¬ stes Trauerspiel gefallen. Obwohl der Dichter von seinem früheren Verweilen in Dresden her gar manchen Freund hier zählt, so fanden doch seine dramatischen Dichtungen im Allgemeinen auf unsrer Bühne ebensowenig als anderwärts — höchstens etwa den oldenburgischen officiellen Beifall ausgenommen — etwas mehr als einen, oft sogar zweifelhaften sueno8 ä'vstime; es ist dies natürlich, da Mosers dra¬ matische Figuren nichts als Träger sentenzenreicher Phrasen sind, ihr Pathos der Lebenswahrheit entbehrt und sein Shakespearisiren nachge¬ rade langweilig wird. Hiernach war dann eine gewisse Voreingenom¬ menheit gegen das Stück vorhanden; doch wurde sie bei der Darstel¬ lung überwunden — ein Erfolg, den wir auch keineswegs auf allei¬ nige Rechnung jener stellen mögen. Das Stück ist allerdings das Beste, was Mosen bis jetzt producirt hat; es bietet fortschreitende Handlung und durch sie bedingte Entwickelung der Charaktere; die zu Grunde liegende tragische Idee wird ohne allzu große Anstrengung für den 12*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/99>, abgerufen am 29.04.2024.