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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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nicht mehr hin, sie gehörig zu ernähren, da er sich in so viele Ab¬
theilungen spaltet. Die Folgen sind, Ausverkauf, Licitationen oder
-- sah -- Banquerotte.


II.

Ich schrieb Ihnen vor Kurzem, daß sich gegen die Einführung der
Gewerbefreiheit bei uns Hindernisse aus der Mitte der Gewerbtreibenden er¬
heben würden, und leider bestätigt sich dieses nur allzu sehr. Deputationen
über Deputationen wurden abgeschickt und angenommen und das Pa-
tent, das schon zur Mittheilung an die betreffenden Behörden bereit
lag, das schon an einem bestimmten Tage hätte publicirt werden sol¬
len -- ist nun zurückgelegt, und wird, wenn auch nicht in Trieft, das
als Freihafen besondere Berücksichtigung verdient, so doch in Klagen¬
furt, der einzigen Provinzialhauptstadt, wo es vorläufig veröffentlicht
worden, zurückgenommen werden. Welche Glossen hier allgemein
darüber gemacht werden, können Sie denken, leider aber ist das Fac¬
tum an und für sich ein höchst betrübendes. Man muß nur dabei
im Auge behalten: die Regierung nimmt nicht eine schädliche Ma߬
regel zurück, sondern man könnte sagen, sie ist gezwungen (?) eine
der folgenreichsten und für einen großen Theil der Bevölkerung se¬
genvollen zurückzulegen, weil das Volk*) sich dagegen stemmt. Klar
tritt da wieder unser großes Unglück in den Vordergrund -- der Man¬
gel einer durchgreifenden Bildung, einer Volkserziehung, der Mangel all'
jener geistigen Errungenschaft, wodurch ein Volk daran gewöhnt wird,
wahr und unparteiisch überfeine eigenen Interessen nachzudenken. Würde
bei uns nicht jede Veränderung, selbst die beste, so lange in den dichte¬
sten Schleier des Geheimnisses gehüllt, bis es bereits zu spät ist, bis es
bereits vollendet dasteht, würde es bei uns entweder eine Presse geben,
wo man solche tief in das innerste Volksleben eingreifende Fragen er¬
örtern könnte, oder würde man solche Vorschläge, wo voraussichtlich
das Privatinteresse von Tausenden dabei Betheiligten berücksichtigt wer¬
den muß, den Fähigsten aus den Betheiligten selbst zur Entscheidung,
zur Beurtheilung mitgetheilt werden, so wäre man wenigstens auf ei¬
nen festen Standpunkt gelangt, um darnach entscheiden zu können; ist



Nicht das Volk! Die Sache des Volkes und die Sache egoistischer Zünfte
D. R. sind zwei ganz verschiedene Dinge.

nicht mehr hin, sie gehörig zu ernähren, da er sich in so viele Ab¬
theilungen spaltet. Die Folgen sind, Ausverkauf, Licitationen oder
— sah — Banquerotte.


II.

Ich schrieb Ihnen vor Kurzem, daß sich gegen die Einführung der
Gewerbefreiheit bei uns Hindernisse aus der Mitte der Gewerbtreibenden er¬
heben würden, und leider bestätigt sich dieses nur allzu sehr. Deputationen
über Deputationen wurden abgeschickt und angenommen und das Pa-
tent, das schon zur Mittheilung an die betreffenden Behörden bereit
lag, das schon an einem bestimmten Tage hätte publicirt werden sol¬
len — ist nun zurückgelegt, und wird, wenn auch nicht in Trieft, das
als Freihafen besondere Berücksichtigung verdient, so doch in Klagen¬
furt, der einzigen Provinzialhauptstadt, wo es vorläufig veröffentlicht
worden, zurückgenommen werden. Welche Glossen hier allgemein
darüber gemacht werden, können Sie denken, leider aber ist das Fac¬
tum an und für sich ein höchst betrübendes. Man muß nur dabei
im Auge behalten: die Regierung nimmt nicht eine schädliche Ma߬
regel zurück, sondern man könnte sagen, sie ist gezwungen (?) eine
der folgenreichsten und für einen großen Theil der Bevölkerung se¬
genvollen zurückzulegen, weil das Volk*) sich dagegen stemmt. Klar
tritt da wieder unser großes Unglück in den Vordergrund — der Man¬
gel einer durchgreifenden Bildung, einer Volkserziehung, der Mangel all'
jener geistigen Errungenschaft, wodurch ein Volk daran gewöhnt wird,
wahr und unparteiisch überfeine eigenen Interessen nachzudenken. Würde
bei uns nicht jede Veränderung, selbst die beste, so lange in den dichte¬
sten Schleier des Geheimnisses gehüllt, bis es bereits zu spät ist, bis es
bereits vollendet dasteht, würde es bei uns entweder eine Presse geben,
wo man solche tief in das innerste Volksleben eingreifende Fragen er¬
örtern könnte, oder würde man solche Vorschläge, wo voraussichtlich
das Privatinteresse von Tausenden dabei Betheiligten berücksichtigt wer¬
den muß, den Fähigsten aus den Betheiligten selbst zur Entscheidung,
zur Beurtheilung mitgetheilt werden, so wäre man wenigstens auf ei¬
nen festen Standpunkt gelangt, um darnach entscheiden zu können; ist



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D. R. sind zwei ganz verschiedene Dinge.
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[0266] nicht mehr hin, sie gehörig zu ernähren, da er sich in so viele Ab¬ theilungen spaltet. Die Folgen sind, Ausverkauf, Licitationen oder — sah — Banquerotte. II. Ich schrieb Ihnen vor Kurzem, daß sich gegen die Einführung der Gewerbefreiheit bei uns Hindernisse aus der Mitte der Gewerbtreibenden er¬ heben würden, und leider bestätigt sich dieses nur allzu sehr. Deputationen über Deputationen wurden abgeschickt und angenommen und das Pa- tent, das schon zur Mittheilung an die betreffenden Behörden bereit lag, das schon an einem bestimmten Tage hätte publicirt werden sol¬ len — ist nun zurückgelegt, und wird, wenn auch nicht in Trieft, das als Freihafen besondere Berücksichtigung verdient, so doch in Klagen¬ furt, der einzigen Provinzialhauptstadt, wo es vorläufig veröffentlicht worden, zurückgenommen werden. Welche Glossen hier allgemein darüber gemacht werden, können Sie denken, leider aber ist das Fac¬ tum an und für sich ein höchst betrübendes. Man muß nur dabei im Auge behalten: die Regierung nimmt nicht eine schädliche Ma߬ regel zurück, sondern man könnte sagen, sie ist gezwungen (?) eine der folgenreichsten und für einen großen Theil der Bevölkerung se¬ genvollen zurückzulegen, weil das Volk*) sich dagegen stemmt. Klar tritt da wieder unser großes Unglück in den Vordergrund — der Man¬ gel einer durchgreifenden Bildung, einer Volkserziehung, der Mangel all' jener geistigen Errungenschaft, wodurch ein Volk daran gewöhnt wird, wahr und unparteiisch überfeine eigenen Interessen nachzudenken. Würde bei uns nicht jede Veränderung, selbst die beste, so lange in den dichte¬ sten Schleier des Geheimnisses gehüllt, bis es bereits zu spät ist, bis es bereits vollendet dasteht, würde es bei uns entweder eine Presse geben, wo man solche tief in das innerste Volksleben eingreifende Fragen er¬ örtern könnte, oder würde man solche Vorschläge, wo voraussichtlich das Privatinteresse von Tausenden dabei Betheiligten berücksichtigt wer¬ den muß, den Fähigsten aus den Betheiligten selbst zur Entscheidung, zur Beurtheilung mitgetheilt werden, so wäre man wenigstens auf ei¬ nen festen Standpunkt gelangt, um darnach entscheiden zu können; ist Nicht das Volk! Die Sache des Volkes und die Sache egoistischer Zünfte D. R. sind zwei ganz verschiedene Dinge.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/266>, abgerufen am 04.05.2024.