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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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etwas daran zu setzen, daß die Maßregel trotz aller Protestationen
durchgesetzt werde, oder ist sie unwichtig genug, um sie gleich im Vor¬
hinein fallen zu lassen? Man hat freilich schon lange hier und da
von einer endlichen Einführung der Gewerbefreiheit gesprochen, aber
hat man die so wichtigen, so einflußreichen, so wohlunterrichteten Ge¬
werbevereine in Wien und in den Provinzen dabei zu Rathe gezogen?
Freilich so etwas vermeidet der österreichische Beamtenstand, so lange
es nur immer möglich ist, es wird so selten als möglich bei admini¬
strativen Maßregeln ein Gutachten eines Vereins, als einer ja nicht
amtlichen Person gefordert -- denn gesteht dadurch der Beamte nicht
zu, jenes oder dieses Mitglied des Vereins, welches das Gutachten
ausstellen soll, verstehe mehr von dem Fache, als der Beamte selbst,
der darüber entscheiden, der darüber die höchste Stimme haben soll!
Wie viele unserer wichtigsten und iwthwendigstcn Maßregeln sind ent¬
weder verzögert worden, oder gar nicht zur Ausführung gekommen,
weil der Beamtenstand es unter seiner Würde fand, sich zuerst von
dem Gegenstande genau in allen seinen Details, in seinen zartesten
und wichtigsten Verzweigungen zu unterrichten. -- Daran nun, und
an dem Mangel einer bessern Presse, ist auch jetzt unsere Gewerbefrei¬
heit gescheitert, und wird und muß künftighin, so lange sich diese Ver¬
hältnisse nicht ändern, noch so Manches scheitern ; denn der Beamte
kennt nicht die Bedürfnisse des Volkes, das Volk kennt sich und seine
Zukunft und seine Zeit zu wenig, um den Nutzen so durchgreifender
Reformen einzusehen. Es weiß es nicht, wie sich anderswo aus den¬
selben Anfängen ein starkes Volksbewußtsein, eine kräftigere Nationali¬
tät-- und gehen wir auf das Materielle über, eine allgemeine Betrieb¬
samkeit, ein Drängen und Treiben nach Erwerb entwickelt hat, wel¬
ches immer der erste Grund zu einer größeren Ausdehnung des Volks¬
reichthums wird. Bei uns aber ist es anders. Der gemeine Ge-
werbsmann kennt nichts Höheres als -- zu leben; er denkt im Vor¬
hinein gar nicht daran, mehr zu thun, als sich nur grade durchzu¬
bringen, zu leben und seine Steuern zahlen zu können; was darüber
hinaus liegt, steht er für etwas Ungewöhnliches an, und strebt reich
zu werden -- nur durch das Lottospiel. Einzelne Ausnahmen. Jene,
welche sich in mehr fabrikartigen, größeren Geschäften bewegen, dür¬
fen wir nicht hierher rechnen, diese haben, wenn sie auch im Ganzen
genommen dasselbe Gewerbe wie so viele andere Mindere betreiben,
doch von diesen wesentlich verschiedene Interessen, die theils in den
vom Staate ausgegebenen Privilegien, theils in den Geschästsconjunc-


etwas daran zu setzen, daß die Maßregel trotz aller Protestationen
durchgesetzt werde, oder ist sie unwichtig genug, um sie gleich im Vor¬
hinein fallen zu lassen? Man hat freilich schon lange hier und da
von einer endlichen Einführung der Gewerbefreiheit gesprochen, aber
hat man die so wichtigen, so einflußreichen, so wohlunterrichteten Ge¬
werbevereine in Wien und in den Provinzen dabei zu Rathe gezogen?
Freilich so etwas vermeidet der österreichische Beamtenstand, so lange
es nur immer möglich ist, es wird so selten als möglich bei admini¬
strativen Maßregeln ein Gutachten eines Vereins, als einer ja nicht
amtlichen Person gefordert — denn gesteht dadurch der Beamte nicht
zu, jenes oder dieses Mitglied des Vereins, welches das Gutachten
ausstellen soll, verstehe mehr von dem Fache, als der Beamte selbst,
der darüber entscheiden, der darüber die höchste Stimme haben soll!
Wie viele unserer wichtigsten und iwthwendigstcn Maßregeln sind ent¬
weder verzögert worden, oder gar nicht zur Ausführung gekommen,
weil der Beamtenstand es unter seiner Würde fand, sich zuerst von
dem Gegenstande genau in allen seinen Details, in seinen zartesten
und wichtigsten Verzweigungen zu unterrichten. — Daran nun, und
an dem Mangel einer bessern Presse, ist auch jetzt unsere Gewerbefrei¬
heit gescheitert, und wird und muß künftighin, so lange sich diese Ver¬
hältnisse nicht ändern, noch so Manches scheitern ; denn der Beamte
kennt nicht die Bedürfnisse des Volkes, das Volk kennt sich und seine
Zukunft und seine Zeit zu wenig, um den Nutzen so durchgreifender
Reformen einzusehen. Es weiß es nicht, wie sich anderswo aus den¬
selben Anfängen ein starkes Volksbewußtsein, eine kräftigere Nationali¬
tät— und gehen wir auf das Materielle über, eine allgemeine Betrieb¬
samkeit, ein Drängen und Treiben nach Erwerb entwickelt hat, wel¬
ches immer der erste Grund zu einer größeren Ausdehnung des Volks¬
reichthums wird. Bei uns aber ist es anders. Der gemeine Ge-
werbsmann kennt nichts Höheres als — zu leben; er denkt im Vor¬
hinein gar nicht daran, mehr zu thun, als sich nur grade durchzu¬
bringen, zu leben und seine Steuern zahlen zu können; was darüber
hinaus liegt, steht er für etwas Ungewöhnliches an, und strebt reich
zu werden — nur durch das Lottospiel. Einzelne Ausnahmen. Jene,
welche sich in mehr fabrikartigen, größeren Geschäften bewegen, dür¬
fen wir nicht hierher rechnen, diese haben, wenn sie auch im Ganzen
genommen dasselbe Gewerbe wie so viele andere Mindere betreiben,
doch von diesen wesentlich verschiedene Interessen, die theils in den
vom Staate ausgegebenen Privilegien, theils in den Geschästsconjunc-


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[0267] etwas daran zu setzen, daß die Maßregel trotz aller Protestationen durchgesetzt werde, oder ist sie unwichtig genug, um sie gleich im Vor¬ hinein fallen zu lassen? Man hat freilich schon lange hier und da von einer endlichen Einführung der Gewerbefreiheit gesprochen, aber hat man die so wichtigen, so einflußreichen, so wohlunterrichteten Ge¬ werbevereine in Wien und in den Provinzen dabei zu Rathe gezogen? Freilich so etwas vermeidet der österreichische Beamtenstand, so lange es nur immer möglich ist, es wird so selten als möglich bei admini¬ strativen Maßregeln ein Gutachten eines Vereins, als einer ja nicht amtlichen Person gefordert — denn gesteht dadurch der Beamte nicht zu, jenes oder dieses Mitglied des Vereins, welches das Gutachten ausstellen soll, verstehe mehr von dem Fache, als der Beamte selbst, der darüber entscheiden, der darüber die höchste Stimme haben soll! Wie viele unserer wichtigsten und iwthwendigstcn Maßregeln sind ent¬ weder verzögert worden, oder gar nicht zur Ausführung gekommen, weil der Beamtenstand es unter seiner Würde fand, sich zuerst von dem Gegenstande genau in allen seinen Details, in seinen zartesten und wichtigsten Verzweigungen zu unterrichten. — Daran nun, und an dem Mangel einer bessern Presse, ist auch jetzt unsere Gewerbefrei¬ heit gescheitert, und wird und muß künftighin, so lange sich diese Ver¬ hältnisse nicht ändern, noch so Manches scheitern ; denn der Beamte kennt nicht die Bedürfnisse des Volkes, das Volk kennt sich und seine Zukunft und seine Zeit zu wenig, um den Nutzen so durchgreifender Reformen einzusehen. Es weiß es nicht, wie sich anderswo aus den¬ selben Anfängen ein starkes Volksbewußtsein, eine kräftigere Nationali¬ tät— und gehen wir auf das Materielle über, eine allgemeine Betrieb¬ samkeit, ein Drängen und Treiben nach Erwerb entwickelt hat, wel¬ ches immer der erste Grund zu einer größeren Ausdehnung des Volks¬ reichthums wird. Bei uns aber ist es anders. Der gemeine Ge- werbsmann kennt nichts Höheres als — zu leben; er denkt im Vor¬ hinein gar nicht daran, mehr zu thun, als sich nur grade durchzu¬ bringen, zu leben und seine Steuern zahlen zu können; was darüber hinaus liegt, steht er für etwas Ungewöhnliches an, und strebt reich zu werden — nur durch das Lottospiel. Einzelne Ausnahmen. Jene, welche sich in mehr fabrikartigen, größeren Geschäften bewegen, dür¬ fen wir nicht hierher rechnen, diese haben, wenn sie auch im Ganzen genommen dasselbe Gewerbe wie so viele andere Mindere betreiben, doch von diesen wesentlich verschiedene Interessen, die theils in den vom Staate ausgegebenen Privilegien, theils in den Geschästsconjunc-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/267>, abgerufen am 22.05.2024.