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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Aus Bevliu.

Stellen-Anerbieten. -- Ein l>"n mot von Zuleö Janin. -- Graf Arm'in. --
Widersprüche in der WerfassüngKfrage. -- Studenten nach Oesterreich. -- Herr
Deinhardstein und sein Aufenthalt. -- Gräfin Hahn. -- Gutsbesitzer und Schrift¬
stellerinnen. -- Die Bühne. -- Ein Selbstmord.

Wissen Sie Keinen unter Ihren Bekannten, der die Güte haben
möchte, Finanzminister in Preußen werden zu wollen? Sie würden uns
durch Ihre gefällige Verwendung einen großen Dienst hier erweisen und
einer peinlichen Verlegenheit entreißen, in der wir uns seit fast einem
Monat befinden. Diese Woche sagte man sogar, Graf Arnim habe sich
herbeigelassen dieses Portefeuille zu übernehmen. Dieses erinnerte mich
an ein Ka>" in"t von Jules Janin, der in einem Feuilleton des Journal
des Debats einst sagte: Ein rechter Feuilletonist kann über alle Dinge
schreiben, auch wenn er nicht das Mindeste davon versteht; nur die Ma¬
thematik macht hiervon eine Ausnahme, sie ist der einzige Gegenstand,
von der man etwas wissen muß, wenn man darüber schreiben will. So
könnte man auch sagen: Ein achter Eavalier kann eigentlich Chef eines
jeden Ministeriums sein: wenn er auch wenig davon versteht, nur das
Finanzministerium macht eine Ausnahme, Ziffern und Zahlen sind die
einzigen Dinge, die sich nicht kavaliermäßig behandeln lassen. Graf Ar¬
nim wird von den Personen, die ihm naher stehen und standen, als ein
genialer Mann bezeichnet, der durch Scharfsinn und andere Naturgaben
Manches rasch überschaut, wozu sonst lange Erfahrung und Studien
nöthig sind; der Staatsbeutel aber und namentlich der preußische ist eine
philiströse lederne Maschine, die durchaus mit der bloßen Genialitnt sich
nicht zufrieden stellt. In der That hat sich heute wieder das Gerücht
zerstreut, das den edlen Grafen mit dieser prosaischen Stelle eine ganze
Woche lang bedachte. Ernstlich gesprochen, wäre es in diesem Augenblicke
doch sehr wünschenswert!), wenn Graf Arnim auf irgend eine Weise
wieder in's Ministerium träte. In der Verfassungsfrage, die, so unglaub¬
lich es auch klingt, ernster als je verhandelt wird, wäre die Gegenwart
dieses Staatsmanns, dem Jedermann strenge Loyalität, in so weit sie


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Stellen-Anerbieten. — Ein l>»n mot von Zuleö Janin. — Graf Arm'in. —
Widersprüche in der WerfassüngKfrage. — Studenten nach Oesterreich. — Herr
Deinhardstein und sein Aufenthalt. — Gräfin Hahn. — Gutsbesitzer und Schrift¬
stellerinnen. — Die Bühne. — Ein Selbstmord.

Wissen Sie Keinen unter Ihren Bekannten, der die Güte haben
möchte, Finanzminister in Preußen werden zu wollen? Sie würden uns
durch Ihre gefällige Verwendung einen großen Dienst hier erweisen und
einer peinlichen Verlegenheit entreißen, in der wir uns seit fast einem
Monat befinden. Diese Woche sagte man sogar, Graf Arnim habe sich
herbeigelassen dieses Portefeuille zu übernehmen. Dieses erinnerte mich
an ein Ka>» in«t von Jules Janin, der in einem Feuilleton des Journal
des Debats einst sagte: Ein rechter Feuilletonist kann über alle Dinge
schreiben, auch wenn er nicht das Mindeste davon versteht; nur die Ma¬
thematik macht hiervon eine Ausnahme, sie ist der einzige Gegenstand,
von der man etwas wissen muß, wenn man darüber schreiben will. So
könnte man auch sagen: Ein achter Eavalier kann eigentlich Chef eines
jeden Ministeriums sein: wenn er auch wenig davon versteht, nur das
Finanzministerium macht eine Ausnahme, Ziffern und Zahlen sind die
einzigen Dinge, die sich nicht kavaliermäßig behandeln lassen. Graf Ar¬
nim wird von den Personen, die ihm naher stehen und standen, als ein
genialer Mann bezeichnet, der durch Scharfsinn und andere Naturgaben
Manches rasch überschaut, wozu sonst lange Erfahrung und Studien
nöthig sind; der Staatsbeutel aber und namentlich der preußische ist eine
philiströse lederne Maschine, die durchaus mit der bloßen Genialitnt sich
nicht zufrieden stellt. In der That hat sich heute wieder das Gerücht
zerstreut, das den edlen Grafen mit dieser prosaischen Stelle eine ganze
Woche lang bedachte. Ernstlich gesprochen, wäre es in diesem Augenblicke
doch sehr wünschenswert!), wenn Graf Arnim auf irgend eine Weise
wieder in's Ministerium träte. In der Verfassungsfrage, die, so unglaub¬
lich es auch klingt, ernster als je verhandelt wird, wäre die Gegenwart
dieses Staatsmanns, dem Jedermann strenge Loyalität, in so weit sie


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[0270] T a g e b u eh. « Aus Bevliu. Stellen-Anerbieten. — Ein l>»n mot von Zuleö Janin. — Graf Arm'in. — Widersprüche in der WerfassüngKfrage. — Studenten nach Oesterreich. — Herr Deinhardstein und sein Aufenthalt. — Gräfin Hahn. — Gutsbesitzer und Schrift¬ stellerinnen. — Die Bühne. — Ein Selbstmord. Wissen Sie Keinen unter Ihren Bekannten, der die Güte haben möchte, Finanzminister in Preußen werden zu wollen? Sie würden uns durch Ihre gefällige Verwendung einen großen Dienst hier erweisen und einer peinlichen Verlegenheit entreißen, in der wir uns seit fast einem Monat befinden. Diese Woche sagte man sogar, Graf Arnim habe sich herbeigelassen dieses Portefeuille zu übernehmen. Dieses erinnerte mich an ein Ka>» in«t von Jules Janin, der in einem Feuilleton des Journal des Debats einst sagte: Ein rechter Feuilletonist kann über alle Dinge schreiben, auch wenn er nicht das Mindeste davon versteht; nur die Ma¬ thematik macht hiervon eine Ausnahme, sie ist der einzige Gegenstand, von der man etwas wissen muß, wenn man darüber schreiben will. So könnte man auch sagen: Ein achter Eavalier kann eigentlich Chef eines jeden Ministeriums sein: wenn er auch wenig davon versteht, nur das Finanzministerium macht eine Ausnahme, Ziffern und Zahlen sind die einzigen Dinge, die sich nicht kavaliermäßig behandeln lassen. Graf Ar¬ nim wird von den Personen, die ihm naher stehen und standen, als ein genialer Mann bezeichnet, der durch Scharfsinn und andere Naturgaben Manches rasch überschaut, wozu sonst lange Erfahrung und Studien nöthig sind; der Staatsbeutel aber und namentlich der preußische ist eine philiströse lederne Maschine, die durchaus mit der bloßen Genialitnt sich nicht zufrieden stellt. In der That hat sich heute wieder das Gerücht zerstreut, das den edlen Grafen mit dieser prosaischen Stelle eine ganze Woche lang bedachte. Ernstlich gesprochen, wäre es in diesem Augenblicke doch sehr wünschenswert!), wenn Graf Arnim auf irgend eine Weise wieder in's Ministerium träte. In der Verfassungsfrage, die, so unglaub¬ lich es auch klingt, ernster als je verhandelt wird, wäre die Gegenwart dieses Staatsmanns, dem Jedermann strenge Loyalität, in so weit sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/270>, abgerufen am 04.05.2024.