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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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die Sonne über den Jnselfelsen hinab in's Meer sinken zu sehen, was
mit allen den Svlennitäten geschah, unter denen hohe Personen sich
zu Bett zu legen privilegirt sind, wenn sie anders von solchem Privi¬
legium Gebrauch machen wollen. An dem, diesmal die Hauptperson
darstellenden Individuum war besonders erfreulich und dem Zeitgeiste
entsprechend, die geringe Scheu, welche solches, im Gegensatze zu sei¬
nes Gleichen, von der Publicität zeigte: die ganze Toilette zur Nacht¬
ruhe begab sich öffentlich, ja Ihr" sideralische Majestät, stiegen vor
Aller Augen nackt auf'S Lager und ließen sich von den, gleich Kam-
merjüngferchen schäkernden und kichernden Wellen davon tragen. Die
Dekorationen des ambrosischen Brautbettes, desgleichen des eben so
geräumigen als prachtvollen, auf gediegenen Säulen aus allem mög¬
lichen Evelgestein beruhenden Baldachins, unter welchem die Scene
vorging, haben viele Dichter beschrieben; wir entheben uns deshalb
des überzähligen Werkes, diese Gegenstände nachzubeschreiben. Da aber
die deutschen Gelehrten erst neugeboren werden nnißten, wenn sie sich
bei irgend einer Gelegenheit ihre Gelehrsamkeit aus dem Kopf schla¬
gen sollten, und sollte es ihnen diesen Kopf kosten; wir aber uns lei¬
der auch unsererseits in einer alten Haut befinden und von der Wie¬
dergeburt, sogar der Hengstenbergischen, noch überaus fern sind, so
bringen wir hier etwas Weniges von Gelehrsamkeit an und bemerken,
wie lebendig uns bei diesem Sonnenuntergange das Bild der alten
Griechen wurde, die bekanntlich, bei denen nämlich die Sonne ein
jugendlicher und männlicher Gott ist, welcher mit einem olympischen
Siegesviergespann am stahlblauen, donnernden Himmelsgewölbe in
lauter Blitz und Glanz und Sprühfeuer dahinsaust, diesen Gott von
seinem abendlichen Ziele in einem becherartigen Wunderschiffe (dem
Schooße der Amphitrite) auf dem Weltströme Okeanos unten um die
Erde hin uach seinem Sonnensee im Osten zurückgleiten lassen.


V.

Der folgende Tagesanbruch brachte uns einen anfangs bewölkten
und regnigten Sonntag, zu dessen Einleitung die demungeachtet im
Freien vor dem Cvnversationshause ausgeführten Gesangprästationen
der anwesenden Liedertafeln, unter denen abermals: "Was ist des Deut¬
schen Vaterland", erhebend zusammenklang, als gutes Zeichen und
weidender Morgensegen begrüßt wurden. Allmälig bellte sich der Him¬
mel auf und gewährte einen höchst erquickenden Spaziergang über die
Höhen der Insel, wobei das Treiben und Leben derselben in seinen


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die Sonne über den Jnselfelsen hinab in's Meer sinken zu sehen, was
mit allen den Svlennitäten geschah, unter denen hohe Personen sich
zu Bett zu legen privilegirt sind, wenn sie anders von solchem Privi¬
legium Gebrauch machen wollen. An dem, diesmal die Hauptperson
darstellenden Individuum war besonders erfreulich und dem Zeitgeiste
entsprechend, die geringe Scheu, welche solches, im Gegensatze zu sei¬
nes Gleichen, von der Publicität zeigte: die ganze Toilette zur Nacht¬
ruhe begab sich öffentlich, ja Ihr» sideralische Majestät, stiegen vor
Aller Augen nackt auf'S Lager und ließen sich von den, gleich Kam-
merjüngferchen schäkernden und kichernden Wellen davon tragen. Die
Dekorationen des ambrosischen Brautbettes, desgleichen des eben so
geräumigen als prachtvollen, auf gediegenen Säulen aus allem mög¬
lichen Evelgestein beruhenden Baldachins, unter welchem die Scene
vorging, haben viele Dichter beschrieben; wir entheben uns deshalb
des überzähligen Werkes, diese Gegenstände nachzubeschreiben. Da aber
die deutschen Gelehrten erst neugeboren werden nnißten, wenn sie sich
bei irgend einer Gelegenheit ihre Gelehrsamkeit aus dem Kopf schla¬
gen sollten, und sollte es ihnen diesen Kopf kosten; wir aber uns lei¬
der auch unsererseits in einer alten Haut befinden und von der Wie¬
dergeburt, sogar der Hengstenbergischen, noch überaus fern sind, so
bringen wir hier etwas Weniges von Gelehrsamkeit an und bemerken,
wie lebendig uns bei diesem Sonnenuntergange das Bild der alten
Griechen wurde, die bekanntlich, bei denen nämlich die Sonne ein
jugendlicher und männlicher Gott ist, welcher mit einem olympischen
Siegesviergespann am stahlblauen, donnernden Himmelsgewölbe in
lauter Blitz und Glanz und Sprühfeuer dahinsaust, diesen Gott von
seinem abendlichen Ziele in einem becherartigen Wunderschiffe (dem
Schooße der Amphitrite) auf dem Weltströme Okeanos unten um die
Erde hin uach seinem Sonnensee im Osten zurückgleiten lassen.


V.

Der folgende Tagesanbruch brachte uns einen anfangs bewölkten
und regnigten Sonntag, zu dessen Einleitung die demungeachtet im
Freien vor dem Cvnversationshause ausgeführten Gesangprästationen
der anwesenden Liedertafeln, unter denen abermals: „Was ist des Deut¬
schen Vaterland", erhebend zusammenklang, als gutes Zeichen und
weidender Morgensegen begrüßt wurden. Allmälig bellte sich der Him¬
mel auf und gewährte einen höchst erquickenden Spaziergang über die
Höhen der Insel, wobei das Treiben und Leben derselben in seinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/67>, abgerufen am 04.05.2024.