Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

fangs in gedachten Monaten vorzugsweise nicht sowohl auf eine zei¬
tige Geringhaltigkeit lines Nahrungsstoffes, als auf polizeiliche Für¬
sorge ihrer ungehemmten Vermehrung, indem diese Monate ihre Laich¬
zeit umfassen. Sie werden daher' in derselben weder nach England,
noch nach Hamburg oder Bremen gebracht: da aber jeder billig
Herr in seinem Hause ist, so lassen sich die Helgolander daheim in
der Aufmerksamkeit, für ihre Gäste während des Badelebens von Zeit
zu Zeit einen Hummer aufzutischen, nicht stören. Daß während die¬
ser Periode auch von den sonstigen Schätzen des "feuchten Reiches,"
frischen Austern, Schollen, Dorsch, Lachsforellen, Seezungen, Makre¬
len, die Tafel überfließt, ist natürlich eine Annehmlichkeit der Seebä¬
der mehr. Die verschiedenen Arten von Taschenkrebsen oder Krabben,
deren Fleisch und Inneres von den eigentlichen Feinschmeckern theil¬
weise selbst dem Hummer vorgezogen wird, bilden dazwischen eine an¬
regende Abwechslung. So vertraut man sich übrigens das deutsche
Wesen und Gemüth mitGemüth und Wesendieser retrvgraden Thiergattung
denken sollte, so selten iftdoch eigentlich in unsrem Vaterlande die Geschicklich-
keit, mit einem Krebse bei Tafel fertig zu werden, und viele edle, ja vortreffliche
Charaktere, selbst wenn sie in der so nützlichen und zugleich für Gewerbe
und Industrie so vortheilhaften Kunst des Essens Talent entwickeln,
werfen lieber den ganzen Kreböplunder ungeduldig über den Haufen
und aus den Teller, als daß sie die in allen andern Zweigen so blü¬
hende Rationalgabe des Grübelns auf dies Terrain, wo sie gleich¬
wohl ebenso ersprießlich als einzig zum Ziele führend erscheint, an¬
wendeten.' So sehr kommt bei uns ohne Nebpfahl und Polizeiscepter
weder zu stehn noch zu gehn vermögenden Deutschen Alles auf me¬
thodische, frühe Gewöhnung an. Ich würde daher vorschlagen, in den
deutschen Schulen und Pensionsanstalten neben der Mythologie, die
besonders in den Frauenzimmerinstituten wegen der bekannten Intri¬
guen, welche z. B. Jupiter in verschiedenen gehörnten und ungehörn¬
ten Formationen mit diesem Geschlechte gehabt hat, so lehrreich als
unentbehrlich ist, desgleichen der Astronomie, Geognosie, Meteoro¬
logie und sonstigen praktischen Scienzen, auch besondere Unterrichts¬
stunden in der Karkinophagie, d. h. in der Kunst, Krebse zu essen,
anzusetzen, wobei das Lehrgeräth, d. h. die versuchsweise und :ra in-
struslläum zu verspeisenden Krebse aus den deutschen Staatskanzleien,
wo daran immer Ueberfluß, auf öffentliche Kosten geliefert werden
könnten.

Wir benutzten noch den herrlichen Abend unserer Ankunft, um


fangs in gedachten Monaten vorzugsweise nicht sowohl auf eine zei¬
tige Geringhaltigkeit lines Nahrungsstoffes, als auf polizeiliche Für¬
sorge ihrer ungehemmten Vermehrung, indem diese Monate ihre Laich¬
zeit umfassen. Sie werden daher' in derselben weder nach England,
noch nach Hamburg oder Bremen gebracht: da aber jeder billig
Herr in seinem Hause ist, so lassen sich die Helgolander daheim in
der Aufmerksamkeit, für ihre Gäste während des Badelebens von Zeit
zu Zeit einen Hummer aufzutischen, nicht stören. Daß während die¬
ser Periode auch von den sonstigen Schätzen des „feuchten Reiches,"
frischen Austern, Schollen, Dorsch, Lachsforellen, Seezungen, Makre¬
len, die Tafel überfließt, ist natürlich eine Annehmlichkeit der Seebä¬
der mehr. Die verschiedenen Arten von Taschenkrebsen oder Krabben,
deren Fleisch und Inneres von den eigentlichen Feinschmeckern theil¬
weise selbst dem Hummer vorgezogen wird, bilden dazwischen eine an¬
regende Abwechslung. So vertraut man sich übrigens das deutsche
Wesen und Gemüth mitGemüth und Wesendieser retrvgraden Thiergattung
denken sollte, so selten iftdoch eigentlich in unsrem Vaterlande die Geschicklich-
keit, mit einem Krebse bei Tafel fertig zu werden, und viele edle, ja vortreffliche
Charaktere, selbst wenn sie in der so nützlichen und zugleich für Gewerbe
und Industrie so vortheilhaften Kunst des Essens Talent entwickeln,
werfen lieber den ganzen Kreböplunder ungeduldig über den Haufen
und aus den Teller, als daß sie die in allen andern Zweigen so blü¬
hende Rationalgabe des Grübelns auf dies Terrain, wo sie gleich¬
wohl ebenso ersprießlich als einzig zum Ziele führend erscheint, an¬
wendeten.' So sehr kommt bei uns ohne Nebpfahl und Polizeiscepter
weder zu stehn noch zu gehn vermögenden Deutschen Alles auf me¬
thodische, frühe Gewöhnung an. Ich würde daher vorschlagen, in den
deutschen Schulen und Pensionsanstalten neben der Mythologie, die
besonders in den Frauenzimmerinstituten wegen der bekannten Intri¬
guen, welche z. B. Jupiter in verschiedenen gehörnten und ungehörn¬
ten Formationen mit diesem Geschlechte gehabt hat, so lehrreich als
unentbehrlich ist, desgleichen der Astronomie, Geognosie, Meteoro¬
logie und sonstigen praktischen Scienzen, auch besondere Unterrichts¬
stunden in der Karkinophagie, d. h. in der Kunst, Krebse zu essen,
anzusetzen, wobei das Lehrgeräth, d. h. die versuchsweise und :ra in-
struslläum zu verspeisenden Krebse aus den deutschen Staatskanzleien,
wo daran immer Ueberfluß, auf öffentliche Kosten geliefert werden
könnten.

Wir benutzten noch den herrlichen Abend unserer Ankunft, um


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183087"/>
            <p xml:id="ID_150" prev="#ID_149"> fangs in gedachten Monaten vorzugsweise nicht sowohl auf eine zei¬<lb/>
tige Geringhaltigkeit lines Nahrungsstoffes, als auf polizeiliche Für¬<lb/>
sorge ihrer ungehemmten Vermehrung, indem diese Monate ihre Laich¬<lb/>
zeit umfassen. Sie werden daher' in derselben weder nach England,<lb/>
noch nach Hamburg oder Bremen gebracht: da aber jeder billig<lb/>
Herr in seinem Hause ist, so lassen sich die Helgolander daheim in<lb/>
der Aufmerksamkeit, für ihre Gäste während des Badelebens von Zeit<lb/>
zu Zeit einen Hummer aufzutischen, nicht stören. Daß während die¬<lb/>
ser Periode auch von den sonstigen Schätzen des &#x201E;feuchten Reiches,"<lb/>
frischen Austern, Schollen, Dorsch, Lachsforellen, Seezungen, Makre¬<lb/>
len, die Tafel überfließt, ist natürlich eine Annehmlichkeit der Seebä¬<lb/>
der mehr. Die verschiedenen Arten von Taschenkrebsen oder Krabben,<lb/>
deren Fleisch und Inneres von den eigentlichen Feinschmeckern theil¬<lb/>
weise selbst dem Hummer vorgezogen wird, bilden dazwischen eine an¬<lb/>
regende Abwechslung. So vertraut man sich übrigens das deutsche<lb/>
Wesen und Gemüth mitGemüth und Wesendieser retrvgraden Thiergattung<lb/>
denken sollte, so selten iftdoch eigentlich in unsrem Vaterlande die Geschicklich-<lb/>
keit, mit einem Krebse bei Tafel fertig zu werden, und viele edle, ja vortreffliche<lb/>
Charaktere, selbst wenn sie in der so nützlichen und zugleich für Gewerbe<lb/>
und Industrie so vortheilhaften Kunst des Essens Talent entwickeln,<lb/>
werfen lieber den ganzen Kreböplunder ungeduldig über den Haufen<lb/>
und aus den Teller, als daß sie die in allen andern Zweigen so blü¬<lb/>
hende Rationalgabe des Grübelns auf dies Terrain, wo sie gleich¬<lb/>
wohl ebenso ersprießlich als einzig zum Ziele führend erscheint, an¬<lb/>
wendeten.' So sehr kommt bei uns ohne Nebpfahl und Polizeiscepter<lb/>
weder zu stehn noch zu gehn vermögenden Deutschen Alles auf me¬<lb/>
thodische, frühe Gewöhnung an. Ich würde daher vorschlagen, in den<lb/>
deutschen Schulen und Pensionsanstalten neben der Mythologie, die<lb/>
besonders in den Frauenzimmerinstituten wegen der bekannten Intri¬<lb/>
guen, welche z. B. Jupiter in verschiedenen gehörnten und ungehörn¬<lb/>
ten Formationen mit diesem Geschlechte gehabt hat, so lehrreich als<lb/>
unentbehrlich ist, desgleichen der Astronomie, Geognosie, Meteoro¬<lb/>
logie und sonstigen praktischen Scienzen, auch besondere Unterrichts¬<lb/>
stunden in der Karkinophagie, d. h. in der Kunst, Krebse zu essen,<lb/>
anzusetzen, wobei das Lehrgeräth, d. h. die versuchsweise und :ra in-<lb/>
struslläum zu verspeisenden Krebse aus den deutschen Staatskanzleien,<lb/>
wo daran immer Ueberfluß, auf öffentliche Kosten geliefert werden<lb/>
könnten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_151" next="#ID_152"> Wir benutzten noch den herrlichen Abend unserer Ankunft, um</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0066] fangs in gedachten Monaten vorzugsweise nicht sowohl auf eine zei¬ tige Geringhaltigkeit lines Nahrungsstoffes, als auf polizeiliche Für¬ sorge ihrer ungehemmten Vermehrung, indem diese Monate ihre Laich¬ zeit umfassen. Sie werden daher' in derselben weder nach England, noch nach Hamburg oder Bremen gebracht: da aber jeder billig Herr in seinem Hause ist, so lassen sich die Helgolander daheim in der Aufmerksamkeit, für ihre Gäste während des Badelebens von Zeit zu Zeit einen Hummer aufzutischen, nicht stören. Daß während die¬ ser Periode auch von den sonstigen Schätzen des „feuchten Reiches," frischen Austern, Schollen, Dorsch, Lachsforellen, Seezungen, Makre¬ len, die Tafel überfließt, ist natürlich eine Annehmlichkeit der Seebä¬ der mehr. Die verschiedenen Arten von Taschenkrebsen oder Krabben, deren Fleisch und Inneres von den eigentlichen Feinschmeckern theil¬ weise selbst dem Hummer vorgezogen wird, bilden dazwischen eine an¬ regende Abwechslung. So vertraut man sich übrigens das deutsche Wesen und Gemüth mitGemüth und Wesendieser retrvgraden Thiergattung denken sollte, so selten iftdoch eigentlich in unsrem Vaterlande die Geschicklich- keit, mit einem Krebse bei Tafel fertig zu werden, und viele edle, ja vortreffliche Charaktere, selbst wenn sie in der so nützlichen und zugleich für Gewerbe und Industrie so vortheilhaften Kunst des Essens Talent entwickeln, werfen lieber den ganzen Kreböplunder ungeduldig über den Haufen und aus den Teller, als daß sie die in allen andern Zweigen so blü¬ hende Rationalgabe des Grübelns auf dies Terrain, wo sie gleich¬ wohl ebenso ersprießlich als einzig zum Ziele führend erscheint, an¬ wendeten.' So sehr kommt bei uns ohne Nebpfahl und Polizeiscepter weder zu stehn noch zu gehn vermögenden Deutschen Alles auf me¬ thodische, frühe Gewöhnung an. Ich würde daher vorschlagen, in den deutschen Schulen und Pensionsanstalten neben der Mythologie, die besonders in den Frauenzimmerinstituten wegen der bekannten Intri¬ guen, welche z. B. Jupiter in verschiedenen gehörnten und ungehörn¬ ten Formationen mit diesem Geschlechte gehabt hat, so lehrreich als unentbehrlich ist, desgleichen der Astronomie, Geognosie, Meteoro¬ logie und sonstigen praktischen Scienzen, auch besondere Unterrichts¬ stunden in der Karkinophagie, d. h. in der Kunst, Krebse zu essen, anzusetzen, wobei das Lehrgeräth, d. h. die versuchsweise und :ra in- struslläum zu verspeisenden Krebse aus den deutschen Staatskanzleien, wo daran immer Ueberfluß, auf öffentliche Kosten geliefert werden könnten. Wir benutzten noch den herrlichen Abend unserer Ankunft, um

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/66
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/66>, abgerufen am 22.05.2024.