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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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den Ungarn im Osten und Süden angrenzenden Ländern und Staaten gegen¬
über einnimmt, wird von Tag zu Tag nicht allein wichtiger, sondern auch
schwieriger, die Kämpfe des deutschen und slavischen Elements mit dem Magya¬
rischen drohen immer leidenschaftlicher hervorzubrechen, und wenn auch die
Deutschen sowohl in Ungarn als in Siebenbürgen vielleicht deswegen we¬
niger Energie entwickeln, weil sie sich auf eine deutsche Regierung glauben
stützen zu können, so ist das slavische Element ein um so drohenderes
Gespenst, als man jetzt auch jeden Tag eine Schilderhebung der angren¬
zenden südlichen slavischen Stämme, der Bosnier, erwarten muß und das
freie und herrlich aufblühende Serbien die stärksten Sympathien im Süden
Ungarns, in Croatien, Slavonien und Dalmatien hat. Es wird eine
Zeit kommen, und sie ist nicht mehr fern, wo die Regierung offen wird
entscheiden müssen, welchem der drei großen Stämme in Ungarn sie sich
entschieden zuwenden will, und die Wahl wird nicht ohne innern geheimen
Krampf geschehen, weil jeder dieser drei großen Stämme -- der magyarische,
slavische, deutsche -- eine andere Politik, eine andere Richtung verfolgt.
Welch' ein Mann muß dann als Palatin an der Spitze der ungarischen
Angelegenheiten stehen, um zwischen allen diesen Parteien sich groß und
C. C. C. einflußreich zu behaupten! --


2.

Graf T!a,c. -- Oeffentlichkeit bei Militairurthcilcn. -- Die niedern Beamten. --
Gefängnißwirthschaft. -- Vorfälle in Brück. -- Die "Gauklerin".

Sie haben vor einem Jahre die schmähliche Geschichte mit dem
Grafen Tige, Feldmarschall-Lieutenant und ehemaligen Dienst-Kämmerer des
Kaisers gemeldet, der einem Offizier, der ihm eine Cautionssumme von
Fi. C.-M. übergeben, solche ableugnete und diese Lüge durch einen
falschen Schwur bekräftigte -- an diesem Manne wurde nun vor eini¬
gen Tagen das Urtheil auf Eassation kriegsgerichtlich vollstreckt, wobei,
da es hei offenen Thüren geschah, viele Zuschauer vom Civil sich einge--
funden hatten, und die Sache war eine Stunde darauf in der ganzen
Stadt verbreitet. Daß man diesem gemeinen Verbrecher, der, wenn
er vom Civil und nicht vom hohen Adel wäre, auf mehrere Jahre in's
Zuchthaus gewandert wäre, nur seine militairische Charge und seinen
Orden nahm, warum man ihm die Festungsstrafe erließ, sogar noch eine
Pension von 15W Fi. C.-M. -- freilich dem Namen nach seiner Frau
-- gab, darüber wollen wir nicht streiten. Doch kann ich Ihnen mit
Bestimmtheit versichern, daß, wenn nicht der Commandirende von Nieder-
österreich, der Erzherzog Albrecht, auf eclatante Bestrafung gedrungen hätte,
sich die Urtheils- Vollstreckung noch Gott weiß wie lange hinausgezogen
hätte. Die Strenge und die Art der Ausführung des Urtheils mit dieser
Art von Oeffentlichkeit haben bei dem hiesigen Publicum einen sehr guten
Eindruck gemacht, interessant ist es aber dabei zu bemerken, wie sich hie
Volksstimme über den ganzen Vorfall ausspricht. Ich muß gestehen, es
wäre für manche Civilbranche sehr heilsam, wenn man einem oder den?


den Ungarn im Osten und Süden angrenzenden Ländern und Staaten gegen¬
über einnimmt, wird von Tag zu Tag nicht allein wichtiger, sondern auch
schwieriger, die Kämpfe des deutschen und slavischen Elements mit dem Magya¬
rischen drohen immer leidenschaftlicher hervorzubrechen, und wenn auch die
Deutschen sowohl in Ungarn als in Siebenbürgen vielleicht deswegen we¬
niger Energie entwickeln, weil sie sich auf eine deutsche Regierung glauben
stützen zu können, so ist das slavische Element ein um so drohenderes
Gespenst, als man jetzt auch jeden Tag eine Schilderhebung der angren¬
zenden südlichen slavischen Stämme, der Bosnier, erwarten muß und das
freie und herrlich aufblühende Serbien die stärksten Sympathien im Süden
Ungarns, in Croatien, Slavonien und Dalmatien hat. Es wird eine
Zeit kommen, und sie ist nicht mehr fern, wo die Regierung offen wird
entscheiden müssen, welchem der drei großen Stämme in Ungarn sie sich
entschieden zuwenden will, und die Wahl wird nicht ohne innern geheimen
Krampf geschehen, weil jeder dieser drei großen Stämme — der magyarische,
slavische, deutsche — eine andere Politik, eine andere Richtung verfolgt.
Welch' ein Mann muß dann als Palatin an der Spitze der ungarischen
Angelegenheiten stehen, um zwischen allen diesen Parteien sich groß und
C. C. C. einflußreich zu behaupten! —


2.

Graf T!a,c. — Oeffentlichkeit bei Militairurthcilcn. — Die niedern Beamten. —
Gefängnißwirthschaft. — Vorfälle in Brück. — Die „Gauklerin".

Sie haben vor einem Jahre die schmähliche Geschichte mit dem
Grafen Tige, Feldmarschall-Lieutenant und ehemaligen Dienst-Kämmerer des
Kaisers gemeldet, der einem Offizier, der ihm eine Cautionssumme von
Fi. C.-M. übergeben, solche ableugnete und diese Lüge durch einen
falschen Schwur bekräftigte — an diesem Manne wurde nun vor eini¬
gen Tagen das Urtheil auf Eassation kriegsgerichtlich vollstreckt, wobei,
da es hei offenen Thüren geschah, viele Zuschauer vom Civil sich einge--
funden hatten, und die Sache war eine Stunde darauf in der ganzen
Stadt verbreitet. Daß man diesem gemeinen Verbrecher, der, wenn
er vom Civil und nicht vom hohen Adel wäre, auf mehrere Jahre in's
Zuchthaus gewandert wäre, nur seine militairische Charge und seinen
Orden nahm, warum man ihm die Festungsstrafe erließ, sogar noch eine
Pension von 15W Fi. C.-M. — freilich dem Namen nach seiner Frau
— gab, darüber wollen wir nicht streiten. Doch kann ich Ihnen mit
Bestimmtheit versichern, daß, wenn nicht der Commandirende von Nieder-
österreich, der Erzherzog Albrecht, auf eclatante Bestrafung gedrungen hätte,
sich die Urtheils- Vollstreckung noch Gott weiß wie lange hinausgezogen
hätte. Die Strenge und die Art der Ausführung des Urtheils mit dieser
Art von Oeffentlichkeit haben bei dem hiesigen Publicum einen sehr guten
Eindruck gemacht, interessant ist es aber dabei zu bemerken, wie sich hie
Volksstimme über den ganzen Vorfall ausspricht. Ich muß gestehen, es
wäre für manche Civilbranche sehr heilsam, wenn man einem oder den?


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[0122] den Ungarn im Osten und Süden angrenzenden Ländern und Staaten gegen¬ über einnimmt, wird von Tag zu Tag nicht allein wichtiger, sondern auch schwieriger, die Kämpfe des deutschen und slavischen Elements mit dem Magya¬ rischen drohen immer leidenschaftlicher hervorzubrechen, und wenn auch die Deutschen sowohl in Ungarn als in Siebenbürgen vielleicht deswegen we¬ niger Energie entwickeln, weil sie sich auf eine deutsche Regierung glauben stützen zu können, so ist das slavische Element ein um so drohenderes Gespenst, als man jetzt auch jeden Tag eine Schilderhebung der angren¬ zenden südlichen slavischen Stämme, der Bosnier, erwarten muß und das freie und herrlich aufblühende Serbien die stärksten Sympathien im Süden Ungarns, in Croatien, Slavonien und Dalmatien hat. Es wird eine Zeit kommen, und sie ist nicht mehr fern, wo die Regierung offen wird entscheiden müssen, welchem der drei großen Stämme in Ungarn sie sich entschieden zuwenden will, und die Wahl wird nicht ohne innern geheimen Krampf geschehen, weil jeder dieser drei großen Stämme — der magyarische, slavische, deutsche — eine andere Politik, eine andere Richtung verfolgt. Welch' ein Mann muß dann als Palatin an der Spitze der ungarischen Angelegenheiten stehen, um zwischen allen diesen Parteien sich groß und C. C. C. einflußreich zu behaupten! — 2. Graf T!a,c. — Oeffentlichkeit bei Militairurthcilcn. — Die niedern Beamten. — Gefängnißwirthschaft. — Vorfälle in Brück. — Die „Gauklerin". Sie haben vor einem Jahre die schmähliche Geschichte mit dem Grafen Tige, Feldmarschall-Lieutenant und ehemaligen Dienst-Kämmerer des Kaisers gemeldet, der einem Offizier, der ihm eine Cautionssumme von Fi. C.-M. übergeben, solche ableugnete und diese Lüge durch einen falschen Schwur bekräftigte — an diesem Manne wurde nun vor eini¬ gen Tagen das Urtheil auf Eassation kriegsgerichtlich vollstreckt, wobei, da es hei offenen Thüren geschah, viele Zuschauer vom Civil sich einge-- funden hatten, und die Sache war eine Stunde darauf in der ganzen Stadt verbreitet. Daß man diesem gemeinen Verbrecher, der, wenn er vom Civil und nicht vom hohen Adel wäre, auf mehrere Jahre in's Zuchthaus gewandert wäre, nur seine militairische Charge und seinen Orden nahm, warum man ihm die Festungsstrafe erließ, sogar noch eine Pension von 15W Fi. C.-M. — freilich dem Namen nach seiner Frau — gab, darüber wollen wir nicht streiten. Doch kann ich Ihnen mit Bestimmtheit versichern, daß, wenn nicht der Commandirende von Nieder- österreich, der Erzherzog Albrecht, auf eclatante Bestrafung gedrungen hätte, sich die Urtheils- Vollstreckung noch Gott weiß wie lange hinausgezogen hätte. Die Strenge und die Art der Ausführung des Urtheils mit dieser Art von Oeffentlichkeit haben bei dem hiesigen Publicum einen sehr guten Eindruck gemacht, interessant ist es aber dabei zu bemerken, wie sich hie Volksstimme über den ganzen Vorfall ausspricht. Ich muß gestehen, es wäre für manche Civilbranche sehr heilsam, wenn man einem oder den?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/122>, abgerufen am 03.05.2024.