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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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andern Beamten ein ähnliches Exempel statuiren könnte; aber es ist merk¬
würdig, wie bei den Civilbranchen Einer dem Andern aushilft; gar man¬
cher kleine Beamte verdiente eine verhältnißmäßig nicht geringere Strafe,
als dieser General, aber trotz aller Beweise, die man oft gegen ein solches
Subject in Händen hat, ist es nur in den seltensten Fallen möglich, einen
kleinen Beamten zur Verantwortung zu ziehen. Der niedere Beamten¬
stand hangt, überzeugt von seiner allgemeinen Corruption, so fest zusam¬
men, daß immer Einer von dem Andern geschützt und vertheidigt wird.

Dieser Tage gab es hier eine kleine Revolution im Corrcctionshause,
die nur, nachdem zwei Compagnien Grenadiere in das Haus gedrungen
waren, gedampft werden konnte. Und werden Sie es glauben, daß die
Revolution, wenn wir den Lärm so nennen wollen, meist durch die Phi¬
lanthropie des Hausverwalters entstand? Ein Sträfling beklagte sich über
eine zu kleine Brodportion und wiegelte die andern zu einigen Wider¬
setzlichkeiten auf. Er wurde ergriffen und sollte körperlich gezüchtigt wer¬
den, da übernahm es der Verwalter, statt sogleich Strenge anzuwenden,
durch mildes Zureden die Unruhe beizulegen. Am nächsten Abend aber
begann der Lärm wieder, und zwar gaben diesmal die Weiber das Signal.
Nachdem sie alle Fenster im ganzen Hause, die Tische, Stühle und Bänke
zertrümmert, zerrissen sie die Betten und verbarrikadirten sich mit den
Trümmern und den Strohsäcken in den Zimmern, worauf sie laut Spott¬
lieder zu singen begannen. Als die Grenadiere eindrangen, dauerte es
ziemlich lange, bevor sie diese Bestien in Menschengestalt bewältigen konn¬
ten, und aus der ungeheuern Anzahl von fast 2(10l) Sträflingen wurden
im Ganzen gegen 40 zur Bestrafung herausgehoben. Wenn man auch
gestehen muß, daß eine ihrer Klagen wegen verschlechterter Kost im Ver¬
hältniß zum Zuchthause nicht ganz ohne Grund ist, so darf man sich doch
nicht von falscher Philanthropie hinreißen lassen, und muß nur bedenken,
daß das Correctionshaus den größten Auswurf enthält, während das
Zuchthaus nicht selten der Aufenthalt manches Verirrten ist, den ein un¬
glücklicher Moment so weit gebracht, und daß in das Correctionshaus
meist Jene kommen, welche bereits mehrmals den Cursus durch andere
Gefängnisse durchgemacht. Daß aber unser ganzes Gefängnißwesen einer
Reform entgegenseufzt, weiß hier Jeder, und es ist hoffentlich der Zeit¬
punkt nicht mehr fern, wo man dies durch die That beweist.

D-le Brucker Eisenbahn hatte vor einigen Tagen auch eine schöne
Ueberraschung. Der Brucker Bahnhof befindet sich nämlich schon auf
ungarischen Gebiet und die Zollamtshandlung wurde im Bahnhofe vor¬
genommen. Als nun mehrere Comitate gegen die Anwesenheit österreichi¬
scher Zollbeamten auf ungarischen Gebiete protestirten, machte man in
Brück kurzen Prozeß, jagte die Beamten auf österreichisches Gebiet und
sperrte den Bahnhof. Die Züge fahren also nur bis zur Drehscheibe.
Es ist dabei zu bemerken, daß die Eisenbahn-Verwaltung sowohl als
die Hofkammcr früher bei der ungarischen Hofkanzlei um Bewilligung
der Verlegung der Zolllinie bis in den Bahnhof angefragt und beja¬
hende Antwort erhalten hatten. Das Comitat schien aber davon nichts


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andern Beamten ein ähnliches Exempel statuiren könnte; aber es ist merk¬
würdig, wie bei den Civilbranchen Einer dem Andern aushilft; gar man¬
cher kleine Beamte verdiente eine verhältnißmäßig nicht geringere Strafe,
als dieser General, aber trotz aller Beweise, die man oft gegen ein solches
Subject in Händen hat, ist es nur in den seltensten Fallen möglich, einen
kleinen Beamten zur Verantwortung zu ziehen. Der niedere Beamten¬
stand hangt, überzeugt von seiner allgemeinen Corruption, so fest zusam¬
men, daß immer Einer von dem Andern geschützt und vertheidigt wird.

Dieser Tage gab es hier eine kleine Revolution im Corrcctionshause,
die nur, nachdem zwei Compagnien Grenadiere in das Haus gedrungen
waren, gedampft werden konnte. Und werden Sie es glauben, daß die
Revolution, wenn wir den Lärm so nennen wollen, meist durch die Phi¬
lanthropie des Hausverwalters entstand? Ein Sträfling beklagte sich über
eine zu kleine Brodportion und wiegelte die andern zu einigen Wider¬
setzlichkeiten auf. Er wurde ergriffen und sollte körperlich gezüchtigt wer¬
den, da übernahm es der Verwalter, statt sogleich Strenge anzuwenden,
durch mildes Zureden die Unruhe beizulegen. Am nächsten Abend aber
begann der Lärm wieder, und zwar gaben diesmal die Weiber das Signal.
Nachdem sie alle Fenster im ganzen Hause, die Tische, Stühle und Bänke
zertrümmert, zerrissen sie die Betten und verbarrikadirten sich mit den
Trümmern und den Strohsäcken in den Zimmern, worauf sie laut Spott¬
lieder zu singen begannen. Als die Grenadiere eindrangen, dauerte es
ziemlich lange, bevor sie diese Bestien in Menschengestalt bewältigen konn¬
ten, und aus der ungeheuern Anzahl von fast 2(10l) Sträflingen wurden
im Ganzen gegen 40 zur Bestrafung herausgehoben. Wenn man auch
gestehen muß, daß eine ihrer Klagen wegen verschlechterter Kost im Ver¬
hältniß zum Zuchthause nicht ganz ohne Grund ist, so darf man sich doch
nicht von falscher Philanthropie hinreißen lassen, und muß nur bedenken,
daß das Correctionshaus den größten Auswurf enthält, während das
Zuchthaus nicht selten der Aufenthalt manches Verirrten ist, den ein un¬
glücklicher Moment so weit gebracht, und daß in das Correctionshaus
meist Jene kommen, welche bereits mehrmals den Cursus durch andere
Gefängnisse durchgemacht. Daß aber unser ganzes Gefängnißwesen einer
Reform entgegenseufzt, weiß hier Jeder, und es ist hoffentlich der Zeit¬
punkt nicht mehr fern, wo man dies durch die That beweist.

D-le Brucker Eisenbahn hatte vor einigen Tagen auch eine schöne
Ueberraschung. Der Brucker Bahnhof befindet sich nämlich schon auf
ungarischen Gebiet und die Zollamtshandlung wurde im Bahnhofe vor¬
genommen. Als nun mehrere Comitate gegen die Anwesenheit österreichi¬
scher Zollbeamten auf ungarischen Gebiete protestirten, machte man in
Brück kurzen Prozeß, jagte die Beamten auf österreichisches Gebiet und
sperrte den Bahnhof. Die Züge fahren also nur bis zur Drehscheibe.
Es ist dabei zu bemerken, daß die Eisenbahn-Verwaltung sowohl als
die Hofkammcr früher bei der ungarischen Hofkanzlei um Bewilligung
der Verlegung der Zolllinie bis in den Bahnhof angefragt und beja¬
hende Antwort erhalten hatten. Das Comitat schien aber davon nichts


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[0123] andern Beamten ein ähnliches Exempel statuiren könnte; aber es ist merk¬ würdig, wie bei den Civilbranchen Einer dem Andern aushilft; gar man¬ cher kleine Beamte verdiente eine verhältnißmäßig nicht geringere Strafe, als dieser General, aber trotz aller Beweise, die man oft gegen ein solches Subject in Händen hat, ist es nur in den seltensten Fallen möglich, einen kleinen Beamten zur Verantwortung zu ziehen. Der niedere Beamten¬ stand hangt, überzeugt von seiner allgemeinen Corruption, so fest zusam¬ men, daß immer Einer von dem Andern geschützt und vertheidigt wird. Dieser Tage gab es hier eine kleine Revolution im Corrcctionshause, die nur, nachdem zwei Compagnien Grenadiere in das Haus gedrungen waren, gedampft werden konnte. Und werden Sie es glauben, daß die Revolution, wenn wir den Lärm so nennen wollen, meist durch die Phi¬ lanthropie des Hausverwalters entstand? Ein Sträfling beklagte sich über eine zu kleine Brodportion und wiegelte die andern zu einigen Wider¬ setzlichkeiten auf. Er wurde ergriffen und sollte körperlich gezüchtigt wer¬ den, da übernahm es der Verwalter, statt sogleich Strenge anzuwenden, durch mildes Zureden die Unruhe beizulegen. Am nächsten Abend aber begann der Lärm wieder, und zwar gaben diesmal die Weiber das Signal. Nachdem sie alle Fenster im ganzen Hause, die Tische, Stühle und Bänke zertrümmert, zerrissen sie die Betten und verbarrikadirten sich mit den Trümmern und den Strohsäcken in den Zimmern, worauf sie laut Spott¬ lieder zu singen begannen. Als die Grenadiere eindrangen, dauerte es ziemlich lange, bevor sie diese Bestien in Menschengestalt bewältigen konn¬ ten, und aus der ungeheuern Anzahl von fast 2(10l) Sträflingen wurden im Ganzen gegen 40 zur Bestrafung herausgehoben. Wenn man auch gestehen muß, daß eine ihrer Klagen wegen verschlechterter Kost im Ver¬ hältniß zum Zuchthause nicht ganz ohne Grund ist, so darf man sich doch nicht von falscher Philanthropie hinreißen lassen, und muß nur bedenken, daß das Correctionshaus den größten Auswurf enthält, während das Zuchthaus nicht selten der Aufenthalt manches Verirrten ist, den ein un¬ glücklicher Moment so weit gebracht, und daß in das Correctionshaus meist Jene kommen, welche bereits mehrmals den Cursus durch andere Gefängnisse durchgemacht. Daß aber unser ganzes Gefängnißwesen einer Reform entgegenseufzt, weiß hier Jeder, und es ist hoffentlich der Zeit¬ punkt nicht mehr fern, wo man dies durch die That beweist. D-le Brucker Eisenbahn hatte vor einigen Tagen auch eine schöne Ueberraschung. Der Brucker Bahnhof befindet sich nämlich schon auf ungarischen Gebiet und die Zollamtshandlung wurde im Bahnhofe vor¬ genommen. Als nun mehrere Comitate gegen die Anwesenheit österreichi¬ scher Zollbeamten auf ungarischen Gebiete protestirten, machte man in Brück kurzen Prozeß, jagte die Beamten auf österreichisches Gebiet und sperrte den Bahnhof. Die Züge fahren also nur bis zur Drehscheibe. Es ist dabei zu bemerken, daß die Eisenbahn-Verwaltung sowohl als die Hofkammcr früher bei der ungarischen Hofkanzlei um Bewilligung der Verlegung der Zolllinie bis in den Bahnhof angefragt und beja¬ hende Antwort erhalten hatten. Das Comitat schien aber davon nichts 16*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/123>, abgerufen am 20.05.2024.