Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
V e n e d e y.*)

"Die Emancipation der Juden hängt mit den deutschen Preßzu¬
ständen auf das Innigste zusammen. Sehr oft antworteten die Gegner
der Ansichten, die in der deutschen Presse sich am klarsten geltend ma¬
chen, auf die am lautesten ausgesprochenen Forderungen, mit einer Hin¬
weisung darauf, daß so viele Juden in der Presse thätig seien. Sie
glauben damit dann meist, den von den Juden in den Zeitungen ver¬
theidigten Ansichten, auch für die Christen den Gnadenstoß gegeben zu
haben. Sie haben aber nichts gethan, als einen Grund mehr für --
die Emancipation der Juden angeführt.

Vier Landtage in Preußen sprachen sich für die Emancipation
der Juden aus. Die Regierung antwortete allen, daß ihre "Anträge
bei der bevorstehenden legislativen Berathung dieses Gegenstandes näher
erwogen werden sollten." Der Antwort an die Rheinländer aber fügte
die Negierung noch besonders hinzu: "Wir wollen indessen Unsern ge¬
treuen Ständen schon jetzt nicht vorenthalten, daß Unsere Absicht nicht
dahin geht, die Juden in Beziehung auf die politischen Rechte Unsern
christlichen Unterthanen völlig gleich zu stellen, und halten Uns auch
überzeugt, daß der so weit gehende Antrag bei der Mehrzahl der Letz¬
teren keine Unterstützung finden würde."

Die schlestschen Stände hatten insbesondere auf Zulassung der
Juden zu akademischen Lehrstellen, sowie als Bürgermeister angetragen;
und in Antwort hierauf erklärt die Regierung, "daß es nicht ihr Wille
sei, die Juden zu Aemtern zu befähigen, welche ihnen eine obrigkeit¬
liche Gewalt über die christlichen Unterthanen gäben."

Somit ist die Regierung gesonnen, die politische Ungleichheit der
Juden den Christen gegenüber aufrecht zu erhalten. Sie beruft sich
W dem Ende selbst auf das Vorurtheil der Massen, die, wie sie glaubt,
im Gegensatze zu der Ansicht der Landstände, "dem so weit gehenden
Antrage keine Unterstützung" zukommen lassen würden. Diese Berufung
ist um so auffallender, als sie das System der Regierung umstößt, da
sie gewiß ihre Gründe hat, warum sie nur Leute, zu den Landtagen be¬
ruft, die zehn Jahre Grundbesitz haben und so und so viel Steuern
zahlen.



*) Siehe- Bierzehn Tage Heimathluft. Von I. Venedey. Leipzig (Verlag
W. Jurany) 1847.
V e n e d e y.*)

„Die Emancipation der Juden hängt mit den deutschen Preßzu¬
ständen auf das Innigste zusammen. Sehr oft antworteten die Gegner
der Ansichten, die in der deutschen Presse sich am klarsten geltend ma¬
chen, auf die am lautesten ausgesprochenen Forderungen, mit einer Hin¬
weisung darauf, daß so viele Juden in der Presse thätig seien. Sie
glauben damit dann meist, den von den Juden in den Zeitungen ver¬
theidigten Ansichten, auch für die Christen den Gnadenstoß gegeben zu
haben. Sie haben aber nichts gethan, als einen Grund mehr für —
die Emancipation der Juden angeführt.

Vier Landtage in Preußen sprachen sich für die Emancipation
der Juden aus. Die Regierung antwortete allen, daß ihre „Anträge
bei der bevorstehenden legislativen Berathung dieses Gegenstandes näher
erwogen werden sollten." Der Antwort an die Rheinländer aber fügte
die Negierung noch besonders hinzu: „Wir wollen indessen Unsern ge¬
treuen Ständen schon jetzt nicht vorenthalten, daß Unsere Absicht nicht
dahin geht, die Juden in Beziehung auf die politischen Rechte Unsern
christlichen Unterthanen völlig gleich zu stellen, und halten Uns auch
überzeugt, daß der so weit gehende Antrag bei der Mehrzahl der Letz¬
teren keine Unterstützung finden würde."

Die schlestschen Stände hatten insbesondere auf Zulassung der
Juden zu akademischen Lehrstellen, sowie als Bürgermeister angetragen;
und in Antwort hierauf erklärt die Regierung, „daß es nicht ihr Wille
sei, die Juden zu Aemtern zu befähigen, welche ihnen eine obrigkeit¬
liche Gewalt über die christlichen Unterthanen gäben."

Somit ist die Regierung gesonnen, die politische Ungleichheit der
Juden den Christen gegenüber aufrecht zu erhalten. Sie beruft sich
W dem Ende selbst auf das Vorurtheil der Massen, die, wie sie glaubt,
im Gegensatze zu der Ansicht der Landstände, „dem so weit gehenden
Antrage keine Unterstützung" zukommen lassen würden. Diese Berufung
ist um so auffallender, als sie das System der Regierung umstößt, da
sie gewiß ihre Gründe hat, warum sie nur Leute, zu den Landtagen be¬
ruft, die zehn Jahre Grundbesitz haben und so und so viel Steuern
zahlen.



*) Siehe- Bierzehn Tage Heimathluft. Von I. Venedey. Leipzig (Verlag
W. Jurany) 1847.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183875"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> V e n e d e y.*)</head><lb/>
            <p xml:id="ID_809"> &#x201E;Die Emancipation der Juden hängt mit den deutschen Preßzu¬<lb/>
ständen auf das Innigste zusammen. Sehr oft antworteten die Gegner<lb/>
der Ansichten, die in der deutschen Presse sich am klarsten geltend ma¬<lb/>
chen, auf die am lautesten ausgesprochenen Forderungen, mit einer Hin¬<lb/>
weisung darauf, daß so viele Juden in der Presse thätig seien. Sie<lb/>
glauben damit dann meist, den von den Juden in den Zeitungen ver¬<lb/>
theidigten Ansichten, auch für die Christen den Gnadenstoß gegeben zu<lb/>
haben. Sie haben aber nichts gethan, als einen Grund mehr für &#x2014;<lb/>
die Emancipation der Juden angeführt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_810"> Vier Landtage in Preußen sprachen sich für die Emancipation<lb/>
der Juden aus. Die Regierung antwortete allen, daß ihre &#x201E;Anträge<lb/>
bei der bevorstehenden legislativen Berathung dieses Gegenstandes näher<lb/>
erwogen werden sollten." Der Antwort an die Rheinländer aber fügte<lb/>
die Negierung noch besonders hinzu: &#x201E;Wir wollen indessen Unsern ge¬<lb/>
treuen Ständen schon jetzt nicht vorenthalten, daß Unsere Absicht nicht<lb/>
dahin geht, die Juden in Beziehung auf die politischen Rechte Unsern<lb/>
christlichen Unterthanen völlig gleich zu stellen, und halten Uns auch<lb/>
überzeugt, daß der so weit gehende Antrag bei der Mehrzahl der Letz¬<lb/>
teren keine Unterstützung finden würde."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_811"> Die schlestschen Stände hatten insbesondere auf Zulassung der<lb/>
Juden zu akademischen Lehrstellen, sowie als Bürgermeister angetragen;<lb/>
und in Antwort hierauf erklärt die Regierung, &#x201E;daß es nicht ihr Wille<lb/>
sei, die Juden zu Aemtern zu befähigen, welche ihnen eine obrigkeit¬<lb/>
liche Gewalt über die christlichen Unterthanen gäben."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_812"> Somit ist die Regierung gesonnen, die politische Ungleichheit der<lb/>
Juden den Christen gegenüber aufrecht zu erhalten. Sie beruft sich<lb/>
W dem Ende selbst auf das Vorurtheil der Massen, die, wie sie glaubt,<lb/>
im Gegensatze zu der Ansicht der Landstände, &#x201E;dem so weit gehenden<lb/>
Antrage keine Unterstützung" zukommen lassen würden. Diese Berufung<lb/>
ist um so auffallender, als sie das System der Regierung umstößt, da<lb/>
sie gewiß ihre Gründe hat, warum sie nur Leute, zu den Landtagen be¬<lb/>
ruft, die zehn Jahre Grundbesitz haben und so und so viel Steuern<lb/>
zahlen.</p><lb/>
            <note xml:id="FID_31" place="foot"> *) Siehe- Bierzehn Tage Heimathluft. Von I. Venedey. Leipzig (Verlag<lb/>
W. Jurany) 1847.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0293] V e n e d e y.*) „Die Emancipation der Juden hängt mit den deutschen Preßzu¬ ständen auf das Innigste zusammen. Sehr oft antworteten die Gegner der Ansichten, die in der deutschen Presse sich am klarsten geltend ma¬ chen, auf die am lautesten ausgesprochenen Forderungen, mit einer Hin¬ weisung darauf, daß so viele Juden in der Presse thätig seien. Sie glauben damit dann meist, den von den Juden in den Zeitungen ver¬ theidigten Ansichten, auch für die Christen den Gnadenstoß gegeben zu haben. Sie haben aber nichts gethan, als einen Grund mehr für — die Emancipation der Juden angeführt. Vier Landtage in Preußen sprachen sich für die Emancipation der Juden aus. Die Regierung antwortete allen, daß ihre „Anträge bei der bevorstehenden legislativen Berathung dieses Gegenstandes näher erwogen werden sollten." Der Antwort an die Rheinländer aber fügte die Negierung noch besonders hinzu: „Wir wollen indessen Unsern ge¬ treuen Ständen schon jetzt nicht vorenthalten, daß Unsere Absicht nicht dahin geht, die Juden in Beziehung auf die politischen Rechte Unsern christlichen Unterthanen völlig gleich zu stellen, und halten Uns auch überzeugt, daß der so weit gehende Antrag bei der Mehrzahl der Letz¬ teren keine Unterstützung finden würde." Die schlestschen Stände hatten insbesondere auf Zulassung der Juden zu akademischen Lehrstellen, sowie als Bürgermeister angetragen; und in Antwort hierauf erklärt die Regierung, „daß es nicht ihr Wille sei, die Juden zu Aemtern zu befähigen, welche ihnen eine obrigkeit¬ liche Gewalt über die christlichen Unterthanen gäben." Somit ist die Regierung gesonnen, die politische Ungleichheit der Juden den Christen gegenüber aufrecht zu erhalten. Sie beruft sich W dem Ende selbst auf das Vorurtheil der Massen, die, wie sie glaubt, im Gegensatze zu der Ansicht der Landstände, „dem so weit gehenden Antrage keine Unterstützung" zukommen lassen würden. Diese Berufung ist um so auffallender, als sie das System der Regierung umstößt, da sie gewiß ihre Gründe hat, warum sie nur Leute, zu den Landtagen be¬ ruft, die zehn Jahre Grundbesitz haben und so und so viel Steuern zahlen. *) Siehe- Bierzehn Tage Heimathluft. Von I. Venedey. Leipzig (Verlag W. Jurany) 1847.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/293
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/293>, abgerufen am 03.05.2024.