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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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i.
Ein Besuch auf Monte Christo.

Es gibt wohl keinen Schriftsteller, der die Aufmerksamkeit seines Publikums so
wach zu halten versteht, wie Alexander Dumas. Nicht nur daß er mit huudcrtarmigcr
Thätigkeit einen Roman nach dem andern, ein Drama nach dem andern in die Welt
hinausschickt, er versteht es auch durch das, was er sonst noch thut und treibt, fort¬
während Spektakel zu machen. Einmal läßt er auf eine seiner eigenen Tragödien eine
goldene Gedenkmünze schlagen, ein andermal wieder heißt es, er sei in den Atlas auf
die Tigerjagd gegangen. Ein günstiger Zufall mischt sich dann wieder darein, daß er
hier in eine c-ass c^IvKi-v verwickelt wird, dort in offener Deputirtenkammer einen
Angriff erfährt, und so gibt es immer etwas von ihm zu erzählen. Die guten Jour¬
nale aber, die sich fast alle die Miene geben, als ob sie ihn gründlich verachteten,
verschmähen es nicht, mit Notizen über ihn ihre Spalten voller zu füllen, als es
eben nöthig wäre.

In diesem Jahre gab es wieder viel von Dumas zu erzählen. Man behauptete,
daß er in der Nähe von Samt Germain en Laye sich eine Villa bauen lasse, die ein
wahres Wunder von Pracht, so eine Art Duodez - Alhambra sei. Sie sollte Monte
Christo heißen. Monte Christo! Das war um so pikanter, da alle Welt damals den
Roman gleichen Namens las. Jedermann sprach von Monte Christo und nie¬
mand war dort gewesen, der Erfindung war offener Spielraum gelassen. Einige
wollten wissen, daß Monte Christo auf einer Insel erbaut sei und an Pracht das
Schloß Aladdin's übertreffe, andere sagten, es liege auf dem festen Lande, schon des¬
halb, weil es bei Se. Germain er Laye gar keine Insel gebe. Die Meisten behaup¬
teten, Mo!,te Christo sei eine Mythe und es gebe keinen anderen Herrn von Monte
Christo als den im Roman.

Mir für meinen Theil war es ziemlich gleichgültig, wo Dumas seine Bücher
schreibt oder künftig schreiben werde. Ich hatte mich von jeher mehr gegen ihn als
für ihn interessirt, und von seinen Romanen immer nur so viel gelesen, als eben un-
ausweichlich war, um nicht für einen Barbaren zu gelten. Doch leugne ich nicht,
daß ich gern einmal den Mann gesehen hätte, der bei allen Fehlern eine so unend¬
liche Fülle der Erfindung, eine so außerordentliche Kraft der Schilderung in hundert
und hundert Bänden entwickelt. Der Zufall war mir günstig. Eines Tages lud


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Ein Besuch auf Monte Christo.

Es gibt wohl keinen Schriftsteller, der die Aufmerksamkeit seines Publikums so
wach zu halten versteht, wie Alexander Dumas. Nicht nur daß er mit huudcrtarmigcr
Thätigkeit einen Roman nach dem andern, ein Drama nach dem andern in die Welt
hinausschickt, er versteht es auch durch das, was er sonst noch thut und treibt, fort¬
während Spektakel zu machen. Einmal läßt er auf eine seiner eigenen Tragödien eine
goldene Gedenkmünze schlagen, ein andermal wieder heißt es, er sei in den Atlas auf
die Tigerjagd gegangen. Ein günstiger Zufall mischt sich dann wieder darein, daß er
hier in eine c-ass c^IvKi-v verwickelt wird, dort in offener Deputirtenkammer einen
Angriff erfährt, und so gibt es immer etwas von ihm zu erzählen. Die guten Jour¬
nale aber, die sich fast alle die Miene geben, als ob sie ihn gründlich verachteten,
verschmähen es nicht, mit Notizen über ihn ihre Spalten voller zu füllen, als es
eben nöthig wäre.

In diesem Jahre gab es wieder viel von Dumas zu erzählen. Man behauptete,
daß er in der Nähe von Samt Germain en Laye sich eine Villa bauen lasse, die ein
wahres Wunder von Pracht, so eine Art Duodez - Alhambra sei. Sie sollte Monte
Christo heißen. Monte Christo! Das war um so pikanter, da alle Welt damals den
Roman gleichen Namens las. Jedermann sprach von Monte Christo und nie¬
mand war dort gewesen, der Erfindung war offener Spielraum gelassen. Einige
wollten wissen, daß Monte Christo auf einer Insel erbaut sei und an Pracht das
Schloß Aladdin's übertreffe, andere sagten, es liege auf dem festen Lande, schon des¬
halb, weil es bei Se. Germain er Laye gar keine Insel gebe. Die Meisten behaup¬
teten, Mo!,te Christo sei eine Mythe und es gebe keinen anderen Herrn von Monte
Christo als den im Roman.

Mir für meinen Theil war es ziemlich gleichgültig, wo Dumas seine Bücher
schreibt oder künftig schreiben werde. Ich hatte mich von jeher mehr gegen ihn als
für ihn interessirt, und von seinen Romanen immer nur so viel gelesen, als eben un-
ausweichlich war, um nicht für einen Barbaren zu gelten. Doch leugne ich nicht,
daß ich gern einmal den Mann gesehen hätte, der bei allen Fehlern eine so unend¬
liche Fülle der Erfindung, eine so außerordentliche Kraft der Schilderung in hundert
und hundert Bänden entwickelt. Der Zufall war mir günstig. Eines Tages lud


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[0134] T a g e b u es. i. Ein Besuch auf Monte Christo. Es gibt wohl keinen Schriftsteller, der die Aufmerksamkeit seines Publikums so wach zu halten versteht, wie Alexander Dumas. Nicht nur daß er mit huudcrtarmigcr Thätigkeit einen Roman nach dem andern, ein Drama nach dem andern in die Welt hinausschickt, er versteht es auch durch das, was er sonst noch thut und treibt, fort¬ während Spektakel zu machen. Einmal läßt er auf eine seiner eigenen Tragödien eine goldene Gedenkmünze schlagen, ein andermal wieder heißt es, er sei in den Atlas auf die Tigerjagd gegangen. Ein günstiger Zufall mischt sich dann wieder darein, daß er hier in eine c-ass c^IvKi-v verwickelt wird, dort in offener Deputirtenkammer einen Angriff erfährt, und so gibt es immer etwas von ihm zu erzählen. Die guten Jour¬ nale aber, die sich fast alle die Miene geben, als ob sie ihn gründlich verachteten, verschmähen es nicht, mit Notizen über ihn ihre Spalten voller zu füllen, als es eben nöthig wäre. In diesem Jahre gab es wieder viel von Dumas zu erzählen. Man behauptete, daß er in der Nähe von Samt Germain en Laye sich eine Villa bauen lasse, die ein wahres Wunder von Pracht, so eine Art Duodez - Alhambra sei. Sie sollte Monte Christo heißen. Monte Christo! Das war um so pikanter, da alle Welt damals den Roman gleichen Namens las. Jedermann sprach von Monte Christo und nie¬ mand war dort gewesen, der Erfindung war offener Spielraum gelassen. Einige wollten wissen, daß Monte Christo auf einer Insel erbaut sei und an Pracht das Schloß Aladdin's übertreffe, andere sagten, es liege auf dem festen Lande, schon des¬ halb, weil es bei Se. Germain er Laye gar keine Insel gebe. Die Meisten behaup¬ teten, Mo!,te Christo sei eine Mythe und es gebe keinen anderen Herrn von Monte Christo als den im Roman. Mir für meinen Theil war es ziemlich gleichgültig, wo Dumas seine Bücher schreibt oder künftig schreiben werde. Ich hatte mich von jeher mehr gegen ihn als für ihn interessirt, und von seinen Romanen immer nur so viel gelesen, als eben un- ausweichlich war, um nicht für einen Barbaren zu gelten. Doch leugne ich nicht, daß ich gern einmal den Mann gesehen hätte, der bei allen Fehlern eine so unend¬ liche Fülle der Erfindung, eine so außerordentliche Kraft der Schilderung in hundert und hundert Bänden entwickelt. Der Zufall war mir günstig. Eines Tages lud

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/134>, abgerufen am 05.05.2024.